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Die Balkanländer
Das Abenteuer kann beginnen
Zwei Jahre nach unserer großen Reise durch Nord- und Südamerika heißt es wieder Abschied nehmen. Genau wie das letzte Mal, fällt uns das Lebewohl sagen sehr schwer. Nun wird es Wirklichkeit. Es beginnt unsere nächste, große Tour.
Sind es Freudentränen oder Tränen der Trauer? Wahrscheinlich von beidem etwas. Doch wie schon Mark Twain gesagt hat: „In 20 Jahren wirst du eher von den Dingen enttäuscht sein, die du nicht getan hast, als von denen, die du getan hast“.
Wir finden, man sollte mehr Dinge tun, weil sie einfach schön sind. Eine solche Reise kostet zwar einiges an Geld und bringt keinen finanziellen Gewinn. Aber sollte nicht auch das Unrentable in unserer Welt seinen Platz finden? Nicht zuletzt deshalb, weil es oft diese Dinge sind, die die Menschen glücklich und das Leben erst lebenswert machen? Der kleinste Ansatz von Verwirklichung ist besser als ein nicht realisierter Traum. Also, lasst uns zusammen am Globus drehen. Die Welt ist groß und will entdeckt werden.
In Zeiten, in denen man sich auf Goggle Earth oder via Google Street View fast jeden Ort der Welt aus der Vogel- oder der 360-Grad-Perspektive anschauen kann, bekommt das Wort „Abenteuer“ eine ganz andere Bedeutung. Abenteuer ist eine ganz persönliche Ansichtssache und beginnt im Kopf.
Wir verstehen unter Abenteuer bestimmte, prägende Momente, die für immer im Gedächtnis haften bleiben. Wir sind überzeugt, wir werden auch auf dieser Reise unzählige spannende, witzige, berauschende, aber auch schwierige, traurige und deprimierende Momente erleben. Doch das Gute, das Positive wird bei Weitem in der Überzahl sein, davon sind wir überzeugt.
Dazu werden die kostbaren Begegnungen mit Menschen fremder Kulturen, das Entdecken grandioser Landschaften und ganz einfach das bewusste Genießen der Schönheit der Natur beitragen. Bestimmt wird es wieder eine abwechslungsreiche, mit vollen Überraschungen gespickte Reise ins Ungewisse. In dem Augenblick, in dem man die Wirklichkeit verlässt, um einen eigenen Traum zu leben, wird gerade dieser Traum zur Realität.
Unser Suri ist bis oben vollgepackt mit Sehnsucht und Vorfreude auf das Abenteuer, unser ganz persönliches Abenteuer. Also, lieber „Suri“, fahr rein ins Ungewisse, das Leben fängt vor der Haustür an.
Panne auf dem Monte Ceneri
Wo fängt eigentlich das Abenteuer an? Die Antwort bekommen wir sogleich im Tessin.
„Hast du das auch gehört“, frage ich Ruth mit einem besorgten Blick, „dieses Quietschen, als ob wir mit 160 km/h um die Kurve gerast wären?“
„Natürlich“, meint sie „und jetzt fängt es schon wieder an.“
Nach dem fünften Quietschen halten wir auf dem Monte Ceneri auf einer Ausweichstelle an. Ich öffne die Motorhaube und schaue mit einem fachmännischen Blick, den nur Laien aufsetzen können, unter den Deckel.
Wie konnte das nur passieren? Erst noch hatten wir unser Gefährt in der Werkstatt, verstärkten das Getriebe mit verbesserten australischen Teilen, ersetzten die Stoßdämpfer, die Öle und was sonst noch zu einem Service gehört und nun das!
Eigentlich sind wir mit einem guten und sicheren Gefühl auf diese Reise gestartet, aber dass dieses „Urvertrauen“ schon auf dem Ceneri enden könnte, damit haben wir weiß Gott nicht gerechnet.
Nach einem klärenden Anruf in der Toyota-Werkstatt nehme ich den Werkzeugkoffer aus dem Fahrzeug und spanne als Erstes die Keilriemen nach. Diese sollen der Grund des Übels sein. Kaum gestartet, ertönt das Geräusch erneut, aber in immer längeren Intervallen, bevor es schließlich vor Mailand definitiv aufhört.
Wir sitzen wie auf Nadeln. Was kommt wohl als Nächstes? Es ist doch unser erster Reisetag.
Streik! Willkommen in Italien
In Jesolo, einem kilometerlangen Sandstrand vor den Toren Venedigs, quartieren wir uns auf einem kleinen Campingplatz ein. Es ist Mitte März und noch Nebensaison. Fast alle Hotels und Geschäfte haben noch geschlossen. Kaum auszudenken, wie es hier in der Hochsaison aussehen muss bei all den Hunderten, wenn nicht Tausenden von Hotels.
Am nächsten Tag kaufen wir vom Campingplatz Besitzer ein Kombi Ticket, das sämtliche Busse und öffentliche Schiffe zwischen Jesolo und Venedig beinhaltet. Die 15 km vom Campingplatz bis zur Schiffsstation legen wir mit dem Bus zurück. Danach sollte eigentlich die öffentliche Fähre von Punta Sabbioni nach Venedig verkehren. Doch gespenstische Ruhe herrscht am Anlegersteg. Hinter dem Glas des Ticketschalters spielt ein Angestellter gelangweilt auf seinem Handy herum und als ich ihn nach dem Schiff frage antwortet er missmutig: „Streik! Heute geht nichts mehr, kommt morgen wieder“, und schon spielt er wieder auf seinem Handy weiter.
So stehen wir am Schiffssteg wie begossene Pudel und schauen abwechselnd aufs Ticket und auf die vertäuten Fährschiffe.
Eine französische Reisegruppe besteigt gerade ein Privatboot und ich nutze die Gelegenheit, den Kapitän auf unsere missliche Lage aufmerksam zu machen. Er hat Mitleid mit uns zwei Schweizer Landratten und nimmt uns mit nach Venedig. Glück im Unglück. So kommen wir doch noch in die Lagunenstadt und bestaunen den ganzen Tag diese großartige von Kultur, Baukunst und Touristen überschwappende Stadt.
Bei der Rückreise zum Campingplatz streiken nun auch die Busfahrer. Na Toll. Jetzt müssen wir die 15 km zu Fuß laufen oder uns ein Taxi nehmen. Da es schon dämmert, entscheiden wir uns für die zwar bequemere, aber teure Variante.
Kroatien
Was wissen wir eigentlich über dieses Land?
• Kroatien hatte doch an der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 1998 den dritten Platz erreicht und auch sonst spielt dieses kleine Land gerne an Fußballmeisterschaften den Spielverderber bei den ganz Großen.
• Die bekannte Skifahrerin Janica Kostelic ist ebenfalls Kroatin.
Was wir nicht wussten:
• die Hunderasse Dalmatiner stammt aus dieser Gegend
• das Weiße Haus in Washington wurde mit Steinen und Marmor aus den Steinbrüchen von der Insel Brac errichtet
• das Wort „Krawatte“ leitet sich von „Kroate“ ab
Istrien, die nordwestliche Halbinsel Kroatiens, ist gespickt mit Hunderten von Campingplätzen, die jedoch allesamt noch geschlossen sind. So fahren wir gemächlich südwärts Richtung Pula, zur größten Stadt Istriens. Diese ist stark geprägt von ihrer römischen Vergangenheit. Hier befindet sich das drittgrößte Amphitheater der Welt, das Oval misst 135 x 105 Meter. Einst fanden hier Gladiatorenkämpfe vor über 23.000 Zuschauern statt.
Nach dem Stadtbummel genießen wir bei einem Espresso auf dem Marktplatz die milde Frühlingssonne, die uns seit dem Start begleitet und atmen entspannt die frische Meeresbrise ein.
Das Land der 1185 Inseln
Wir fahren weiter südwärts, direkt entlang der atemberaubenden Küstenstraße. Rechts das flache Meer, geschützt durch die vorgelagerten Inseln und links die schroffen Felsen der baumlosen Bergketten. Plötzlich, nach Überquerung eines weiteren Bergrückens, haben wir Ausblick auf kleine Dörfer, die von drei Seiten vom Wasser umspült werden und direkt in die aufsteigenden Felsen gebaut wurden. Manche wirken wie die Dörfer der Cinque Terre. Die pastellfarbenen Fassaden sowie die roten Ziegeldächer verstärken diesen Eindruck noch.
Wir können nicht widerstehen und nehmen ein erfrischendes Bad (14 °C) in den klaren Fluten des Mittelmeeres.
Immer wieder gibt es schöne Stellplätze direkt am Meer
Für heute ist es zu spät, um nach Dubrovnik zu fahren. So machen wir uns auf die Suche nach einem einsamen Stellplatz abseits der Touristenroute. „Dort unten stehen schon zwei Camper“, meint Ruth und zeigt mit dem Finger zum unter uns liegenden Sandstrand. Beim Abwärtsfahren kommen uns die Fahrer der beiden Wohnmobile schon händeringend entgegengesprungen. „Euch schickt der Himmel“, rufen sie euphorisch, „mit eurem 4x4 könnt ihr unsere im Sand festgefahrenen Fahrzeuge doch bestimmt rausziehen.“
Wir schauen uns die Misere mal genauer an. Ein einheimischer Bus ist nur wenige Meter vor der Brandungswelle bis zur Achse im Sand eingebrochen. Das Wohnmobil eines Österreichers, der helfen wollte, ist ebenfalls völlig im Sand stecken geblieben. Alles Schieben der Anwesenden hat die Situation nur noch verschlimmert. So kommt unser Suri...