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Europa zwischen Nationalstaat und Integration

AutorOlaf Leisse
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl292 Seiten
ISBN9783531913346
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Die Europäische Union unterscheidet sich grundlegend von allen übrigen internationalen Organisationen. Im Rahmen der europäischen Integration geht es um eine fortschreitende, möglichst dichte Verknüpfung von Völkern und Staaten in Europa, um Solidarität und gemeinsames Handeln und einen langfristig und zukunftsoffen angelegten Prozess des immer engeren Zusammenschlusses. Der doppelte Charakter der europäischen Integration, die gleichzeitige Verflechtung sowohl der Nationen als auch der Nationalstaaten, ist bislang eher vernachlässigt worden. Diese Studie versucht, Wege der Integration von national geprägten Gesellschaften und Staatlichkeit aufzuzeigen. Sie greift dabei zurück auf politikwissenschaftliche, soziologische und sozialpsychologische Forschungsleistungen und öffnet sie für einen interdisziplinären Dialog in der Integrationsforschung.

Dr. Olaf Leiße ist seit 2007 Privatdozent an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt und hat derzeit eine Vertretung der Professur für Europäische Studien an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne.

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Leseprobe
"3 Gesellschaft und europäische Integration (S. 99-100)

Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft sind die beteiligten Staaten ein hohes politisches Risiko eingegangen. Denn zum ersten Mal in der Geschichte des Kontinents wurde ein Staatenbündnis geschlossen, das à la longue durée zusammenwachsen sollte und dessen Integrationsziel unbestimmt war. Außerdem, und dies unterscheidet den Staatenverbund von den Imperien früherer Zeiten, kam dieses Bündnis nicht durch Zwang, sondern aus einem vollkommen freien Entschluss der Mitgliedstaaten zustande. Die Union war und ist ein Bündnis unter Gleichen, auch wenn reale Ungleichgewichte der Macht existieren, zugleich beitritts- und zukunftsoffen angelegt. Die Europäische Union ist ein Projekt mit einer unklaren Zukunft, einer schwach konturierten Gegenwart und einer schillernden Vergangenheit. Dennoch ist, trotz aller Umwege und Rückschläge, am Ziel der immer weiteren Integration erstaunlich unbeirrt festgehalten worden.

Mit der zunehmenden Kompetenzfülle und damit der Ausübung politischer Macht durch die Institutionen der Union stellte sich spätestens seit dem Vertrag von Maastricht die Frage, auf welche Weise die betroffenen Gesellschaften und Völker in den Integrationsprozess einbezogen werden können. Dabei fiel dem Begriff der Identität eine zentrale Rolle zu. Genügte es bis dahin, die Integration als Elitenprojekt mit diffuser Zustimmung durch die Völker anzusehen, trat das Projekt Europa mit der allmählichen Herausbildung einer überstaatlichen, supranationalen Regierungsform in eine neue Phase.

Dieser Prozess sollte bedurfte der Absicherung durch die Entwicklung einer neuen kollektiven Identität bei den Bürgerinnen und Bürgern, die sich zukünftig verstärkt auch als Europäer fühlen und definieren sollten. Die enorme Zunahme der wissenschaftlichen Literatur in den 1990er Jahren, die sich mit der Ausbildung einer spezifisch europäischen Identität beschäftigte, zeugt von der Brisanz dieses Themas. Mit der rasanten Vertiefung von EG und EU war eine Identifikation der europäischen Gesellschaften mit der Gemeinschaft nicht in gleichem Maße erfolgt.

Mit der in Maastricht konstituierten Europäischen Union wurde eine neue Form europäischer „Quasi-Staatlichkeit"" erreicht, der keine adäquate Strukturierung der Bürger zugrunde lag, da diese sich weiterhin primär national organisierten und identifizierten. Wie konnte sich unter den gegebenen Umständen eine genuin europäische Identität ausbilden? Worin könnte eine solche Identität bestehen? Und wer oder was könnte ihre Ausbildung bewirken? Das folgende Kapitel nähert sich diesen Fragen in vier Schritten. Zunächst werden Argumente für und gegen die Annahme einer kollektiven Identität diskutiert (3.1), im Anschluss daran die Ausbildung einer spezifisch europäischen Identität betrachtet (3.2). Solchermaßen gerüstet, wenden wir uns sodann den Perspektiven der Gesellschaften in einem weiter integrierten Europa zu (3.3) und loten abschließend Möglichkeiten eines europäischen Identitätsmanagements aus (3.4).

3.1 Chancen kollektiver Identitätsbildung

Bereits Ende der 1970er Jahre schrieb O. Marquard: „Das Thema 'Identität' hat Identitätsschwierigkeiten: die gegenwärtig inflationäre Entwicklung seiner Diskussion bringt nicht nur Ergebnisse, sondern auch Verwirrungen. In wachsendem Maße gilt gerade bei der Identität: alles fließt. So werden die Konturen des Identitätsproblems unscharf, es entwickelt sich zur Problemwolke mit Nebelwirkung:

Identitätsdiskussionen werden – mit erhöhtem Kollisionsrisiko – zum Blindflug."" , Beklagt wurde die „glitschige Semantik"" eines „Plastikworts"", dessen Konturen durch Veralltäglichung und Medialisierung immer unschärfer werden. Dennoch hat der Identitätsdiskurs der vergangenen Dekade nicht nur zahlreiche fruchtbare Ansätze hervorgebracht, sondern auch zur Herausbildung sichtbarer Konsenslinien beigetragen."
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
1 Einleitung7
2 Staatlichkeit und europäische Integration23
3 Gesellschaft und europäische Integration99
4 Eine Verfassung für Europa163
5 Nationale Fragmentierung und Integration in Europa237
Literaturverzeichnis275

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