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E-Book

Ich lieb dich nicht, wenn du mich liebst

Nähe und Distanz in Liebesbeziehungen

AutorCassandra Phillips, Dean C. Delis
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783548921167
FSK18
Altersgruppe18 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Warum funktionieren so viele Liebesbeziehungen nicht? Schuld daran ist oft ein Ungleichgewicht der Emotionen: Ein Partner liebt mehr als der andere. Je stärker er unter Verlustängsten leidet und klammert, desto mehr zieht sich sein ohnehin distanziertes Gegenüber zurück. Der Psychotherapeut Prof. Dr. Dean C. Delis analysiert einfühlsam die Grundstruktur dieses Teufelskreises. Vor allem aber zeigt er Wege auf, wie Paare wieder zu einer gleichberechtigten und erfüllten Partnerschaft zurückfinden können.

Cassandra Phillips ist freie Autorin und lebt mit ihrer Familie auf Hawaii.

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Leseprobe

Einleitung

Vor ein paar Jahren lernte ich auf einem Inlandflug zufällig eine zukünftige Klientin kennen. Sie war sehr gut gekleidet und attraktiv – anscheinend eine berufstätige Frau. Ich schätzte sie auf etwa siebenunddreißig Jahre. Als sie sich neben mich setzte, fiel mir ihr verwirrter, besorgter Gesichtsausdruck auf. Sie war jemand, der »mit einem Menschen reden mußte«.

Ich war auf dem Weg nach New York, um dort einen Vortrag über einen psychologischen Test, den ich entworfen hatte, zu halten. Ich hatte mir vorgenommen, während des Fluges noch ein paar Korrekturen vorzunehmen, so daß ich froh war, daß meine Nachbarin kein Gespräch mit mir anfing. Statt dessen zog sie ein bekanntes Buch über Probleme in der Partnerschaft aus ihrer Reisetasche. Ich wurde neugierig, weil dieses Thema von speziellem Interesse für mich war.

Während des Mittagessens unterhielten wir uns ein wenig. Liz war Finanzanalystin und mußte oft beruflich an die Westküste reisen. Mich interessiert immer, wie Menschen auf meinen Beruf reagieren. Manche sagen nichts mehr, manche werden ein wenig reizbar, und andere schütten offen ihr Herz aus. Liz gehörte zur letzten Gruppe. Interessanterweise wollte sie wissen, ob ich mit der Arbeit des Autors, dessen Buch sie gerade las, vertraut war. Ich bejahte ihre Fragen und fügte hinzu, daß ich gern erfahren würde, welchen Eindruck sie davon hätte. Damit begann eine Unterhaltung, die mich völlig veränderte.

Liz sagte:

»Ich habe das Gefühl, daß dieses Buch nur für mich geschrieben wurde. Es ist irgendwie unheimlich.«

Ich fragte sie wieso. Sie hob das Buch hoch und sagte:

»Ich stecke mitten in einer Beziehungskrise. Ich bin zwischen zwei Männern hin und her gerissen, meinem Ehemann … und einem Mann, mit dem ich an der Westküste zusammenarbeite. Ich könnte die Wände hochgehen. Mein Mann, Nate, ist der netteste Mensch der Welt. Er ist Arzt. Er würde alles für mich tun. Nach zwölf Jahren Ehe schenkt er mir immer noch ohne besonderen Anlaß Rosen, und er erinnert sich an alle besonderen Tage, zum Beispiel an den Jahrestag unserer ersten Begegnung. Das verursacht mir große Schuldgefühle, denn obwohl ich ihn liebe, verliere ich schnell die Geduld mit ihm. Und ich fühle mich noch schlechter, weil er alles, was ich ihm antue, erträgt und immer netter und netter wird. Besonders in letzter Zeit, wo ich es nun wirklich nicht verdiene.«

Mir fiel auf, daß ihre Stimme gepreßter klang, als sie über ihren Mann und ihre Ehe sprach. Aber als sie über ihren Geliebten redete, änderte sich ihre Haltung völlig. Plötzlich sprach sie voller Eifer – zumindest anfangs.

»Ich lernte Doug vor einem Jahr kennen. Er ist unser Berater an der Westküste. Er ist jünger als ich, und Sie würden vielleicht sagen, daß er ein Kind der heutigen Zeit ist. Zuerst war ich skeptisch, als er anfing, mit mir zu flirten. Ich dachte, daß ich nicht sein Typ bin. Aber er schien es ernst zu meinen. Ich merkte, daß ich mich immer mehr in ihn verknallte, aber ich hoffte, daß es dabei blieb. Na, egal, das ging etwa vier Monate lang so. Ich war Nate nie untreu, und deshalb dachte ich schließlich: Zum Teufel, fang mit Doug was an – nur ein kleiner Seitensprung. Doch nachdem ich mit ihm zusammen ein paar Reisen unternommen hatte, erkannte ich, daß es etwas mehr war als nur ein Seitensprung. Doug ging mir nicht mehr aus dem Kopf, und ich rief ihn sehr oft vom Büro aus an. In unserem Büro gibt es eine junge Frau, die auch Analystin ist. Eines Tages wurde sie an die Westküste geschickt, und ich wurde verrückt vor Eifersucht, weil ich glaubte, daß sie sich auch in Doug verlieben müßte.«

Ich entgegnete das, was von mir erwartet wurde – daß das für sie eine ziemlich nervenaufreibende Zeit gewesen sein mußte. Sie lächelte ironisch.

»Meine Eifersucht erwies sich als grundlos, und Doug und ich kamen uns sehr nahe. Mir wurde himmelangst. Ich fühlte mich entsetzlich. Ich hatte einen Ehemann, von dem andere Frauen nur träumen können, und Sie haben ja gehört, was ich ihm angetan habe. Ich habe immer wieder beschlossen, mit Doug Schluß zu machen, aber sobald ich ihn sah, litt ich unter einer Art Gedächtnisschwund. Ich dachte immer nur daran, wie sehr ich ihn liebte. So ging das sieben Monate weiter. Schließlich fing ich an zu glauben, daß Doug und ich vielleicht wirklich füreinander bestimmt waren. Ich habe keine Kinder, und deshalb bin ich nicht an New York gebunden. Es wäre leicht für mich gewesen, mich in unser kalifornisches Büro versetzen zu lassen. Doug verhielt sich mir gegenüber etwas distanzierter, deshalb dachte ich, ich sollte besser schnell handeln.«

Sie machte eine Pause. Der bekümmerte Gesichtsausdruck, den ich schon vorher an ihr gesehen hatte, kehrte zurück.

»Also brachte ich ihm klassische goldene Manschettenknöpfe mit. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihm meine Idee mitzuteilen. Aber Doug war reservierter als je zuvor. Er fragte mich, was ich wollte, und das verwirrte mich völlig. Ich sagte nur, daß es schön wäre, wenn wir mehr Zeit miteinander verbringen könnten. Er erwiderte: ›Manchmal ist es am besten, man geht, wenn es am schönsten ist.‹ Mir war zumute, als ob Eiswasser durch meine Adern flösse. Ich tat so, als hätte er einen Witz gemacht. Aber ich bin mir fast sicher, daß er eine andere kennengelernt hat. Ich sage Ihnen – ich bin reif für die Irrenanstalt.«

Wir redeten noch ein bißchen. Dann fragte ich Liz, ob das Buch ihr in ihrer Lage helfen würde.

»Es zeigt mir wirklich, warum meine Beziehungen so verfahren sind. Jetzt weiß ich, daß alles aus meiner Angst vor emotionaler Nähe resultiert. Deshalb habe ich meinen Mann all diese Jahre auf Armeslänge von mir ferngehalten. Und ich weiß auch, daß ich auf eine ungesunde Art und Weise von Doug abhängig bin. Meine Eltern haben mich wahrscheinlich so erzogen, daß ich mir immer die falschen Partner aussuche – obwohl ich als Kind sehr glücklich war. Das basiert alles auf einem geringen Selbstbewußtsein und dem Verlangen, mich zu bestrafen – vielleicht weil meine Eltern zu liebevoll waren und ich nicht damit umgehen konnte …«

An den falschen Orten nach den Schuldigen suchen

Viele Menschen machen eine Therapie, weil sie Beziehungsprobleme haben. Ich hatte mich schon seit langem darüber gewundert, daß es so schwierig ist, dauerhaften Genuß in der Liebe zu finden, und daß man oft nur Schmerz erfährt. Es scheint nur eine Art perversen Sinn zu geben, daß Liebe, die schönste menschliche Emotion, zugleich auch die größte Strafe sein kann.

Als ich zuhörte, wie Liz sich in Stücke zerpflückte, spürte ich, daß in mir ein neues Interesse erwachte. Hier war eine sehr kluge und attraktive Frau, die sich selbst als emotionalen Müll definierte. Einerseits klang sie wie jemand, der Angst vor einer Bindung hat, weil sie vor wirklicher Nähe in ihrer Ehe zurückschreckte. Andererseits verhielt sie sich bei Doug wie eine »Frau, die zu sehr liebte«, und war abhängig von einem lieblosen Mann. Mit anderen Worten – die Selbsthilfebücher boten ihr genau gegensätzliche Diagnosen an. Aus dem, was sie über ihre Eltern berichtete, zog ich den Schluß, daß sie mit einer sehr fürsorglichen Familie gesegnet war, nicht mit dem Typ einer dysfunktionalen Gruppe, die die Ursache dafür sein kann, daß man üble Verhaltensmuster in der Partnerschaft bis zum Erwachsensein mitschleppt.

Ich hatte ehrliches Mitgefühl mit Liz. Liebe kann einen wirklich verrückt machen. Und es ist egal, ob die Beziehung neu ist oder schon lange andauert. Die Angst vor Zurückweisung zum Beispiel kann die Ursache für niedriges Selbstwertgefühl, extreme Angst, Überreaktionen und eine Besessenheit bezüglich der geliebten Person, die die junge Liebe übertrifft, sein.

Wenn andererseits Ihre Liebe anfängt zu verblassen, dann könnten Sie gefühllos werden. Sie könnten sich darum sorgen, daß Sie unfähig sind zu lieben, oder Sie könnten schwere Schuldgefühle entwickeln.

Ich habe all diese Gefühle gehabt, genau wie Liz und ebenso wie jeder, mit dem ich sprach und der schon einmal verliebt gewesen ist. Anscheinend sind diese sehr intensiven Gefühle ganz normal.

Aufgrund ihrer Situation erlebte Liz beide Seiten der Liebe zur selben Zeit. Kein Wunder, daß sie emotional daran zerbrach. Mich verblüffte, daß sich ihr gesamtes Verhalten von einem Augenblick zum anderen entscheidend veränderte – je nachdem, über welchen Mann sie sprach. Die Dynamik in einer Partnerschaft ist so stark, daß man buchstäblich umgekrempelt wird. Die Art der Veränderung hängt davon ab, auf welcher Seite der Liebe Sie gerade stehen – das heißt, ob Sie die Gefahr spüren, zurückgewiesen zu werden, oder ob Sie spüren, daß Sie Ihren Partner abweisen.

Ich hatte den Schluß gezogen, daß die emotionelle Dynamik romantischer Beziehungen – wegen ihrer Kraft und ihrer Vorhersehbarkeit – unter eigenen Gesichtspunkten gesehen werden sollte. Doch die Literatur über Liebes- und Beziehungsprobleme zeigt, daß niemand je diesen Blickwinkel beibehalten hat. Unser Verhalten in intimen Beziehungen wird stets als Barometer für irgend etwas anderes gesehen – meistens dafür, wie es uns als Kindern ergangen ist. Zum Beispiel führte Liz ihre Partnerschaftsprobleme auf persönliche Unzulänglichkeiten zurück, die auf ihre Kindheit gründeten. Aber es gab nichts, was bei ihr nicht »stimmte«. Es war nur falsch, daß sie so willig die Schuld auf sich nahm. Und für mich war noch schlimmer, daß das Buch sie...

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