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Ich mach das jetzt!

Meine Reise zum Mittelpunkt der Erde

AutorUlla Lohmann
VerlagBenevento
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783710950414
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Schon als kleines Mädchen verliebt sich Ulla Lohmann in die Vulkane der Welt und nimmt sich vor, sie alle zu sehen, zu erforschen, zu fotografieren, zu verstehen. Bis dorthin ist es ein weiter Weg, doch Rückschläge und persönliche Niederlagen können sie nicht daran hindern, ihr Ziel zu erreichen. Ein Buch über die ganz großen Träume und darüber, dass es manchmal nur einen Gedanken braucht, um sie wahrzumachen: »Ich mach das jetzt!«

Ulla Lohmann, geboren 1977 in Kaiserslautern, ist Fotojournalistin und Dokumentarfilmerin. Im Alter von 18 Jahren gewann sie den Wettbewerb »Jugend forscht« und finanzierte sich von dem Preisgeld eine Weltreise. Danach studierte sie Journalismus und Geografie, ihr Spezialgebiet sind Vulkane und indigene Völker. Als Dokumentarfilmerin und Fotografin arbeitet sie unter anderem für GEO, National Geographic, Stern, View, ARD, ZDF und die BBC. Sie spricht Deutsch, Französisch, Englisch, Papua-Neuguinea-Pidgin, Solomon- Island-Pidgin und Vanuatu Bislama.

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Leseprobe

Kapitel 1


Das Herz der Erde


Es war ein einziger Schritt, der meine Sicht auf die Welt veränderte: ein Schritt zum Abgrund, zum Rand des Vulkans. Fast verlor ich das Gleichgewicht, denn auf diesen Anblick war ich nicht vorbereitet. Weit unter mir brodelte die Lava und ein riesiger Lavasee warf seine Schlacken nach oben. Seine Hitze traf mich wie eine Wand. Die Gase brachten meine Augen zum Tränen. Vor mir lag das offene Herz der Erde. Und ich stand davor. Vor dieser Urkraft, die alles Leben auf der Welt geschaffen hat und gleichzeitig alles zerstören kann.

600 Meter unter mir brodelte der Lavasee. Es hörte sich an, als würde man einen Kessel voller Wasser zum Kochen bringen – nur tausendmal lauter. Die Luft roch nach Schwefel und stach in der Nase. Ich ahnte, dass das nicht wirklich gut für mich war, aber es war mir egal, meine Gasmaske baumelte unbeachtet um meinen Hals. Ich war einfach zu gebannt von dem Anblick vor mir. Unaufhörlich stiegen orange-gelbe Gaswolken nach oben. So, als würde der Vulkan seinen heißen Atem aus der Hölle zu mir schicken. Jedes Mal, wenn mich ein Schwall heißer Luft erreichte, schauderte ich und bekam Gänsehaut. Ich war 19 Jahre alt. Für mich verwirklichte sich gerade ein Kindheitstraum.

Schon mit acht Jahren habe ich davon geträumt, einmal glühende Lava zu sehen. Damals hatte mich mein Vater mit nach Italien genommen, um mir die unter Asche begrabene Stadt Pompeji und die zerstörerische Kraft des Vulkans Vesuv zu zeigen.

Jetzt war ich in Vanuatu in der Südsee. Vier Tage reiste ich von Deutschland über Amerika und Neuseeland auf die Südpazifik-Insel. Unzählige Flugstunden, mehrere Stunden Autofahrt, viele Stunden Fußmarsch und einige Übernachtungen lagen hinter mir. Nun stand ich endlich am Ziel meiner Träume: vor der rot glühenden Lava. Aber anstatt mich zu freuen, brodelte eine merkwürdige Unruhe in mir auf.

Der Lavasee lag über einen halben Kilometer unter mir. Wie wäre es erst, noch näher dran zu sein? Die Fontänen über meinen Kopf spritzen zu sehen, die Geräusche noch intensiver zu hören, und die Strahlungswärme der 1200 °C der Lava am ganzen Körper zu spüren? Da unten war noch nie ein Mensch gewesen. Wie wäre es wohl, der erste Mensch auf der Welt zu sein, der seinen Fuß dort hinsetzt?

Und schon fühlte ich einen Wunsch in mir aufsteigen, der wie ein heranrasender Zug immer stärker und lauter wurde: Ich wollte in diesen Schlot hinein, ich wollte mich abseilen und ganz nah am Lavasee stehen, um die Elemente noch mehr zu spüren. Da unten wartete ein riesengroßes Abenteuer auf mich. Da wollte ich hin!

Mir war allerdings nicht klar, wie ich das anstellen sollte. Es galt, sich 600 Meter in den Krater abzuseilen und anschließend wieder aufzusteigen. Man musste klettern können. Man musste die Seile gut verankern. Man musste mit Gasmaske arbeiten. Man musste Bohrhaken setzen. Ich konnte nichts von alldem. Aber ich konnte träumen.

Mein Kindheitstraum


Träumen tat ich schon als Kind am liebsten. Ich las sehr viel und weinte oft, wenn die Geschichten vorbei waren. Der Abschied von meinen Helden fiel mir unsagbar schwer. Irgendwann begann ich, die Geschichten weiterzudenken, sie weiter zu erfinden.

Besonders gerne träumte ich von Axel und dem schrulligen Professor Lidenbrock aus Jules Vernes Die Reise zum Mittelpunkt der Erde. Die beiden steigen durch ein Kraterloch ins Erdinnere und erleben dabei allerlei Abenteuer. In meinen Gedanken waren der ängstliche Neffe und der wirklichkeitsfremde Professor nicht alleine, sie hatten noch eine praktisch veranlagte und geschickte Gehilfin dabei, die die Reise dokumentierte: mich! Ich erlebte viel mit den beiden und entdeckte Plätze, an denen noch nie ein Mensch gewesen war. Diese Geschichten erzählte ich meiner Schwester Rita. Im Sommer saßen wir stundenlang unter dem Zwetschgenbaum im heimischen Garten in Enkenbach-Alsenborn in der Pfalz und sie hörte mir zu. Manchmal nahmen wir meine erfundenen Geschichten mit einem Kassettenrekorder auf. Meine Eltern wollten, dass ich selbst las und deswegen durfte ich keine Hörspielkassetten besitzen. Also machte ich meine eigenen! Geschäftstüchtig verkaufte ich sie auch an meine Mitschüler.

Sehr zum Leidwesen meiner Eltern vermischten sich Realität und Traumgeschichten des Öfteren. Ich war Meisterin darin, Ausreden zu erfinden und mir Dinge auszudenken, die in Wirklichkeit nicht stimmten. Doch für mich waren auch meine Träume lebendig und wahr.

Von Vulkanen träumte ich schon sehr früh. Daran war mein Vater schuld: Als ich acht war, nahm er mich zum Vesuv mit und zeigte mir Pompeji – die verschüttete Stadt aus der Antike. Wir liefen eine weite, gerade Straße mit großen Pflastersteinen entlang. Sie erschien mir endlos, bis zum Horizont. Rechts und links der Straßen waren Ruinen. Mein Papa erklärte mir, dass die Häuser schon vor tausenden von Jahren von den Römern gebaut worden waren. Mir gefielen besonders die erhöhten Fußgängerüberwege, antike Zebrastreifen sozusagen, die in einem Abstand gemacht waren, dass Pferdefuhrwerke damals gerade so durchgepasst haben. Ich sprang von Stein zu Stein und verfolgte meinen Schatten, der über das Kopfsteinpflaster hüpfte. Doch ich sah keine lange, leere Gasse vor mir, sondern eine Straße, auf der Pferdefuhrwerke ratterten, vollbeladen, und Menschen, die auf den Markt eilten, um ihre Waren zu verkaufen. Ich war mittendrin im Leben der Menschen im alten Pompeji 79 nach Christus. Ein kleines Mädchen in meinem Alter entwischte gerade der Hand ihrer Mutter, um ihren jungen Hund einzufangen, der auf die Straße laufen wollte. Gerade noch rechtzeitig vor dem herannahenden Pferdekarren konnte sie ihr hellbraunes Hündchen mit den Puschelohren einfangen, aber das Pferd scheute, und der Fahrer schimpfte fürchterlich. Ein anderes Pferd wieherte und ließ Pferdeäpfel fallen, mitten auf die Straße.

Mein Vater unterbrach meine Fantasien und nahm mich an der Hand: »Komm, ich will dir zeigen, warum keiner mehr in dieser Stadt lebt. Ein großer Vulkan hat die Menschen hier getötet.« Wir liefen durch die sonnige Ruinenstraße in eine Art Kammer. Hier war es dunkel und viel kälter. Ich fröstelte. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich sie: Menschen in der letzten Sekunde ihres Lebens, festgehalten für die Ewigkeit. Sie lagen auf dem Boden, zusammengekauert, manche hielten die Hände schützend über sich. Ein paar kleine Kinder waren auch dabei, daneben die Eltern, für immer erstarrt beim vergeblichen Versuch, sie zu beschützen. Einer war gerade dabei, aufzustehen, als ob er fliehen wollte. Manche lagen friedlich da, als würden sie nur schlafen.

Plötzlich überfiel mich eine unbändige Neugierde. Auf einen Schlag wurde ich endgültig aus meiner Träumerei von vergangenen Welten gerissen und war hellwach. Ich wollte wissen, wie die Menschen umgekommen waren. Mein Vater erzählte, dass im alten Pompeji schon seit mehreren Wochen tagtäglich die Erde gebebt hatte. Heute wissen wir, dass das die Anzeichen eines bevorstehenden Ausbruchs des Vulkans Vesuv waren. Aber damals hatten die Menschen noch nie einen Vulkan ausbrechen sehen und wussten nicht, dass sich die Katastrophe direkt unter ihnen anbahnte. Am 24. August 79 nach Christus war es soweit: Der Berg explodierte. Gas- und Aschewolken wurden aus dem Vulkan geschleudert, der Himmel verdunkelte sich. Die Bewohner von Pompeji wurden vom Ausbruch überrascht. Kaum jemand konnte fliehen, alles ging viel zu schnell. Eine Gas-Aschewolke zog mit einer Temperatur von bis zu 500 °C mit über 100 Stundenkilometern über die Gegend hinweg. Die Glutlawine fegte über die Stadt, welche bereits unter einer meterdicken Ascheschicht lag. Viele Häuser waren eingestürzt, andere vollständig verschüttet. Die Luft war unsagbar heiß, trocken, und von feinem Staub erfüllt. Die Menschen starben an Ort und Stelle, bei dem, was sie gerade taten.

Mein Papa erklärte mir, dass der Vulkan Fluch und Segen zugleich sei: Wegen der fruchtbaren Asche wachse hier alles so üppig: Weintrauben, Feigen, Obst und Gemüse.

Wieder zu Hause angekommen, war meine Leidenschaft für Vulkane vollends entfacht. Ich saugte alles in mich auf, das ich zu dem Thema ausfindig machen konnte, und las, was mir diesbezüglich in die Hände fiel. Für mich war ganz klar, dass nur ein Beruf infrage kam: Ich musste Vulkanforscherin werden.

Meine Eltern waren amüsiert, denn das war nicht mein erster ernsthaft vorgetragener Berufswunsch. Davor wollte ich schon Lehrerin, Turnerin und Autorin werden. Meine Eltern waren beide Lehrer und hielten es für sinnvoll, mich in jedem meiner Wünsche zu bestärken, und mich zu fördern. Sie haben mir beigebracht, dass ein Forscher immer genau über alles Buch führen muss.

Ich setzte es sofort in die Tat um: Auf dem Speicher unseres Nachbarn fand ich einen jungen Mauersegler, den ich von Hand aufziehen konnte. Ich dokumentierte akribisch, was Hansje, so taufte ich ihn, fraß, wie viel er wog,...

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