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Insolvenzverwaltung - natürliche Personen

Sachbearbeitung und Insolvenzabwicklung bei Verbrauchern, Selbständigen und Freiberuflern

AutorSylvia Wipperfürth
VerlagRWS Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783814554433
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis48,00 EUR
Professionell organisierte und versierte Mitarbeiter gehören zu jedem qualitativ anspruchsvollen Insolvenzverwalterbüro. Der Band vermittelt alles, was für eine erfolgreiche Insolvenzsachbearbeitung über das Vermögen natürlicher Personen beachtet werden muss.Aus dem Inhalt: Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen; Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters; Sanierungsmöglichkeiten, Insolvenzplan; Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse; Freigabe einzelner Gegenstände; Aus- und Absonderungsrechte; Darstellung der Vermögensverhältnisse und Berichtswesen; Grundlagen der Insolvenztabellensachbearbeitung; Steuerliche Pflichten; Anfechtung; Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss; Wohlverhaltensperiode, Erteilung der Restschuldbefreiung sowie Möglichkeiten der Verkürzung; Praktische Bedeutung der Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens

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Leseprobe

II.  Ziele des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen


1.  Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung


3  Als primäres Ziel des Insolvenzverfahrens definiert § 1 InsO die gemeinschaftliche und bestmögliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners. Dies bedeutet, dass das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens als Haftungsmasse vorhanden ist, im Insolvenzverfahren an alle Gläubiger gleichmäßig im Verhältnis ihrer Forderungen verteilt wird (par conditio creditorum). Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger vollzieht sich regelmäßig in Form einer der sog. Quotenzahlung am Ende des Verfahrens sowie von evtl. weiteren Ausschüttungen in der sog. Wohlverhaltensphase (Restschuldbefreiungsphase). Die zu diesem Zweck vorhandenen Gelder hat der Insolvenzverwalter zuvor aus der Verwertung des Haftvermögens oder auch durch Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit erwirtschaftet.
4  Gleichzeitig ist den Gläubigern untersagt, Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu suchen (vgl. § 89 InsO).

2.  Restschuldbefreiung


5  Im Insolvenzverfahren werden neben den Gläubigerinteressen auch die des Schuldners berücksichtigt (vgl. § 1 Abs. 2 InsO). Soweit sich der Schuldner redlich verhält, erhält er am Ende des gesamten Verfahrens die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs durch Erteilung der Restschuldbefreiung. Dies erfolgt regelmäßig nach Ablauf von sechs Jahren ab Eröffnung des Verfahrens, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen auch bereits nach fünf oder drei Jahren (vgl. § 300 InsO) oder noch vorzeitiger erreicht werden.

3.  Sanierung


6  Ist der Schuldner selbstständig oder freiberuflich tätig, ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, auch die Fortführungs- und Sanierungsfähigkeit des schuldnerischen Betriebs zu prüfen. Die Sanierung unter Erhalt des Unternehmens ist kein definiertes Ziel des Insolvenzverfahrens.1) Die in der Insolvenzordnung niedergelegten rechtlichen Bedingungen bieten jedoch einen geeigneten Rahmen, die bestmögliche Gläubigerbefriedigung auch durch Fortführung und/oder Sanierung eines Schuldnerbetriebs sicherzustellen.

4.  Vermeidung berufsrechtlicher Konsequenzen


7  Bei Selbstständigen oder Freiberuflern ist der Eintritt einer wirtschaftlichen Krise nicht nur mit finanziellen Einschnitten, sondern u. U. auch mit berufsrechtlichen Konsequenzen verbunden.
8  Die Verhinderung von berufsrechtlichen Konsequenzen gehört zwar ebenfalls – der Definition nach – nicht zu den originären Zielen des Insolvenzverfahrens. Allerdings kann, werden solche berufsrechtlichen Konsequenzen verhindert bzw. deren Gefahren frühzeitig erkannt, auch hierdurch die Fortführung/Sanierung des schuldnerischen Unternehmens/Praxisbetriebs zu einer besseren Gläubigerbefriedigungsquote führen als dessen Zerschlagung. Eine frühzeitige Weichenstellung ist dabei von grundlegendem Erfordernis.
9  Soweit ein Gewerbebetrieb geführt wird, liegen bei Eintritt der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit regelmäßig die Voraussetzungen für eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vor.2)
§ 35 Abs. 1 Satz 1 GewO
Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. […]
10  Eine solche Gewerbeuntersagung ist gemäß § 12 GewO unzulässig nach der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. während der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans (§ 260 InsO). Ist z. Zt. der Anordnung gemäß § 21 InsO (bzw. der Insolvenzeröffnung) der Untersagungsbeschlusses bereits zugegangen, tritt die Sperrwirkung des § 12 GewO nicht ein.3) Der in der Unzuverlässigkeit der Person begründeten Rechtfertigung für eine Gewerbeuntersagung kann nur durch Vorlage eines fundierten Sanierungskonzepts entgegengesteuert werden. Erst dann sind die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Wiedergestattung tendenziell positiv. Ist der Schuldnerbetrieb sanierungsfähig und ist dies bereits anfänglich absehbar, ist eine frühzeitige Weichenstellung auch hier unerlässlich.
11  Ein Freiberufler ist regelmäßig nicht Gewerbetreibender, sodass § 35 GewO nicht verfängt. Handelt es sich um eine freiberufliche Tätigkeit, die einhergeht mit der Verwaltung von Fremdgeldern (z. B. Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater), droht regelmäßig ein von der Berufskammer auszusprechender Widerruf der Zulassung zur Berufsausübung.
12  Welche Berufe unter den Terminus der Freiberufler zu fassen sind, ist abschließend nicht eindeutig definiert. Es handelt es sich um ein „soziologisches Ordnungsschema“.4)
13  Einen Anhaltspunkt bietet § 18 EStG mit der steuerrechtlichen Zuordnung der sog. freien „Katalogberufe“. Zur Abgrenzung der freien Berufe von Gewerbetreibenden mag der nachfolgende Punktekatalog eine Einordnung erleichtern.
14  Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer freiberuflichen Tätigkeit:
• Natürliche Person,
• selbständige wirtschaftliche Tätigkeit,
• persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Dienstleistungserbringung (kein Handeltreiben oder keine Massenproduktion),
• kammergebundene oder kammerungebundene Berufe,
• wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende, erzieherische oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten,
• besondere berufliche Qualifikation oder schöpferische Begabung,
• Anhaltspunkte § 18 EStG (enumerativer Katalog) und § 1 PartGG,
• kein Gewerbebetrieb nach der Gewerbeordnung (GewO ),
• keine Weisungsgebundenheit (vgl. § 106 GewO; Abgrenzung „Scheinselbstständigkeit“).
15  Eine freiberufliche Tätigkeit ist in jedem Fall bei folgenden Berufsgruppen gegeben:
• Rechts-, steuer- oder wirtschaftsberatende Tätigkeit (z. B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer),
• Heilberufe (z. B. Ärzte, Heilpraktiker, Dipl.-Psychologen, Krankengymnasten, Hebammen),
• Berufe in der Informationsvermittlung/Kultur (z. B. Journalisten, Dolmetscher, Künstler, Schriftsteller, Designer, Dozenten),
• naturwissenschaftliche/technische Berufe (z. B. Ingenieure, Architekten, hauptberufliche Sachverständige),
• Apotheker5).
16  Gerät ein Freiberufler infolge der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit in den sog. „Vermögensverfall“ und ist er im Rahmen seiner beruflichen Praxis mit der Verwaltung von Fremdgeldern betraut, droht ein Widerruf der Zulassung durch die zuständige Berufskammer. Grund des Widerrufs ist der Schutz der Fremdgelder, da durch den Vermögensverfall die Gefahr besteht, dass der Berufsträger seine Aufgaben diesbezüglich nicht mehr mit der notwendigen Sorgfalt ausübt.
17  Ein Widerrufsverfahren ist für folgende Berufsgruppen gesetzlich vorgesehen (beispielhaft):
Notare
18  Ist ein Notar in Vermögensverfall geraten, ist er gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO seines Amtes zu entheben. Ein Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Notars eröffnet ist (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO a. E.). Der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es nicht, wenn die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO gegeben sind.6) Gefährden seine wirtschaftlichen Verhältnisse, die Art seiner Wirtschaftsführung oder Durchführung von Verwahrungsgeschäften die Interessen der Rechtsuchenden, ist dies als Amtsenthebungsgrund ausreichend.
19  Die Vermutung des Vermögensverfalls wird nicht dadurch widerlegt, dass durch einen Beschluss der Gläubigerversammlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über "die vorläufige Fortführung des Notariats" beschlossen und der Insolvenzverwalter mit der Ausarbeitung und Vorlage eines Insolvenzplans beauftragt wird.7)
20  Entkräftet wird diese Vermutung vielmehr erst durch Vorlage eines Insolvenzplans, der eine realistische und greifbare Möglichkeit darstellt, die Verbindlichkeiten umfassend mit der Aussicht auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu regeln.8)
Rechtsanwalt
21  Der Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls für einen Rechtsanwalt ist geregelt in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, wenn durch den Vermögensverfall die Interessen der Ratssuchenden gefährdet sind.
22  Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet...
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