Sie sind hier
E-Book

(K)ein Gespür für Zahlen

So bekommt man den Durchblick in Mathe

AutorBarbara Oakley
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783864157813
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Mathematik versteht man oder eben nicht. Der eine ist dafür natürlich begabt, dem anderen bleibt dieses Fach für immer ein Rätsel. Stimmt nicht, sagt nun Barbara Oakley und zeigt mit ihrem Buch, dass wirklich jeder ein Gespür für Zahlen hat. Mathematik braucht nämlich nicht nur analytisches Denken, sondern auch den kreativen Geist. Denn noch mehr als um Formeln geht es um die Freiheit, einen der vielen möglichen Lösungsansätze zu finden. Der Weg ist das Ziel. Und wie man zum richtigen Ergebnis kommt, ist eine Kunst, die man entwickeln, entdecken und in sich wecken kann. Die Autorin vermittelt eine Vielfalt an Techniken und Werkzeugen, die das Verständnis von Mathematik und Naturwissenschaft grundlegend verbessern. (K)ein Gespür für Zahlen nimmt Ihnen - vor allem wenn Sie sich in Schule, Uni oder Beruf mathematisch oder naturwissenschaftlich beweisen müssen - nicht nur die Grundangst, sondern stärkt Ihren Mut, Ihren mathematischen Fähigkeiten zu vertrauen. So macht Mathe Spaß!

Barbara Oakley ist Autorin und Professorin für Maschinenbau an der Oakland University sowie Mitglied des American Institute for Medical and Biological Engineering. Betroffen von der geringen Teilnahme an Ingenieurs-Kursen an den Brennpunkt-Schulen in Pontiac, Michigan, führte Dr. Oakley Lernmethoden ein, welche die Schule zur einer der besten im Staat für den Bereich Mathematik machten.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

1
Überwinden Sie Ihre Scheu!


Wie groß ist die Chance, dass Sie die Tür Ihres Kühlschranks öffnen und darin einen Strümpfe strickenden Zombie vorfinden? Ungefähr genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein gefühlsbetonter, sprachbegabter Mensch wie ich irgendwann einmal Professor für Ingenieurwissenschaften wird.

Als Kind habe ich alle naturwissenschaftlichen Fächer gehasst. Ich quälte mich mit Ach und Krach durch die Mathematik-, Chemie- und Physikkurse am Gymnasium, wobei ich etliche Prüfungen wiederholen musste. Erst mit 26 Jahren begann ich, Förderunterricht in Trigonometrie zu nehmen.

Als Kind kam mir selbst etwas so Einfaches wie das Ablesen der Uhrzeit sinnlos vor. Warum zeigte ausgerechnet der kleine Zeiger die volle Stunde an? Sollte das nicht eigentlich der große Zeiger tun, da die Stunde schließlich eine wichtigere Zeiteinheit ist als die Minute? Wie spät war es denn nun eigentlich – zehn nach zehn oder zehn vor zwei? Die Uhrzeit stürzte mich in ständige Verwirrung. Und mit dem Fernsehen war es noch schlimmer: Damals gab es noch keine Fernbedienung, und ich hatte keine Ahnung, mit welchem Knopf man das Fernsehgerät einschaltet. Fernsehshows konnte ich mir immer nur im Beisein meines Bruders oder meiner Schwester anschauen – und die waren nicht nur in der Lage, den Fernseher einzuschalten, sondern konnten sogar das richtige Programm wählen. Beneidenswert …

Aus meiner mangelnden technischen Begabung und meinen katastrophalen Zensuren in Mathematik, Physik und Chemie konnte ich nur schließen, dass ich eben einfach nicht besonders intelligent war. Zumindest nicht auf diesem Gebiet. Obwohl mir das damals nicht bewusst war, hat mein Selbstbild als technisch, naturwissenschaftlich und mathematisch unbegabter Mensch damals meinen ganzen Lebensweg geprägt. Die eigentliche Ursache des Übels waren meine Probleme in Mathematik. Zahlen und Gleichungen waren für mich wie lebensgefährliche Krankheiten, denen man um jeden Preis aus dem Weg gehen sollte. Damals wusste ich noch nicht, dass es ganz einfache mentale Tricks gibt, die mir das Matheverständnis erleichtert hätten – und diese Tricks helfen nicht nur Schülern, die schlecht in Mathematik sind, sondern auch Studenten, die dieses Fach bereits gut beherrschen. Damals begriff ich nicht, dass meine Denkweise typisch für Menschen war, die glauben, in naturwissenschaftlichen Fächern totale Nieten zu sein. Inzwischen ist mir klar, worin mein Problem bestand: Ich kannte nur einen einzigen Lernmodus – und war daher taub für die Musik der Mathematik.

Die Mathematik, so wie sie in amerikanischen Schulsystemen gelehrt wird, kann wie eine heilige Muttergottes sein: Logisch und majestätisch erklimmt sie die Stufen der Subtraktion, Multiplikation und Division und schwingt sich erhaben in den Himmel der mathematischen Schönheit auf. Aber sie kann auch eine böse Stiefmutter sein: Wenn uns nur ein einziger Schritt in der logischen Abfolge ihrer Denkprozesse entgeht, verzeiht sie uns das nie – und so etwas kann sehr leicht passieren. Dazu reichen schon ein paar familiäre Probleme, ein burn-out-geplagter Lehrer oder eine längere Krankheit – eine ein- oder zweiwöchige Grippe in einer besonders wichtigen Unterrichtsphase, und schon hat man den Faden verloren.

Oder vielleicht hat man – so wie ich damals – einfach kein Interesse an Mathe oder ganz offensichtlich kein Talent dafür.

Als ich die siebte Klasse besuchte, passierte in meiner Familie eine Katastrophe: Mein Vater zog sich eine schwere Rückenverletzung zu, durch die er arbeitslos wurde. Wir mussten umziehen und landeten in einem ärmlichen Schulbezirk, in dem ein grantiger alter Mathelehrer uns bei glühender Hitze stundenlang stumpfsinnig Zahlen addieren und multiplizieren ließ – ohne uns zu erklären, wozu das eigentlich gut sein sollte. Anscheinend machte es ihm Spaß zuzusehen, wie wir uns mit seinen Aufgaben abquälten.


Das war ich im Alter von zehn Jahren mit dem Lamm Earl. Ich liebte Tiere, las und träumte gern. Mathe, Chemie und Physik standen nicht auf meiner Prioritätenliste.

Damals fand ich Mathematik nicht nur sinnlos – nein, sie war mir aus tiefster Seele zuwider. Und mit allen anderen naturwissenschaftlichen Fächern ging es mir genauso. Bei meinem ersten Chemieexperiment gab mein Lehrer mir und meinem Mitschüler, mit dem zusammen ich die Aufgabe lösen musste, eine andere chemische Substanz als den anderen Schülern. Als wir die Daten »frisierten«, um auf das gleiche Ergebnis zu kommen wie unsere Klassenkameraden, machte er sich über uns lustig. Angesichts meiner katastrophalen Zensuren rieten mir meine besorgten Eltern, in die Sprechstunde meines Lehrers zu gehen und ihn um Nachhilfeunterricht zu bitten; aber den Gefallen tat ich ihnen nicht. Mathe, Chemie und Physik hatten sowieso keinen Sinn. Die Götter des Stundenplans waren offensichtlich wild entschlossen, mir diese Fächer einzutrichtern, obwohl mir jedes Mal übel davon wurde. Diesen Kampf konnte ich nur gewinnen, indem ich mich weigerte, irgendetwas von dieser verhassten Materie zu verstehen, und aus purer Aggression durch jede Prüfung fiel. Gegen diese Strategie kam niemand an.

Dabei war ich durchaus keine schlechte Schülerin. Ich hatte einfach nur andere Interessen: Geschichte, Gemeinschaftskunde, Kultur – und vor allem Fremdsprachen. Zum Glück bewahrten meine guten Noten in diesen Fächern mich vor dem Sitzenbleiben.

Nach dem Abitur ging ich zur Armee, denn dort wurde ich sogar dafür bezahlt, eine Fremdsprache zu lernen. Bald war ich im Russischen (einer Sprache, die ich aus einer puren Laune heraus gewählt hatte) so gut, dass mir ein Reserve-Officers-­Training-Corps-Stipendium angeboten wurde.* Also studierte ich an der University of Washington slawische Sprachen und Literatur und absolvierte meinen Bachelor-Abschluss mit Auszeichnung. Das Russische floss mir durch die Kehle wie warmer Sirup; meine Aussprache war so gut, dass manche Russen mich sogar für eine Muttersprachlerin hielten. Ich investierte viel Zeit in die Vervollkommnung meiner Sprachkenntnisse; je besser ich darin wurde, umso mehr Spaß machte mir das Lernen – und umso mehr Zeit nahm ich mir dafür. Mein Erfolg bestärkte mich in dem Wunsch, weiter zu üben, und so beherrschte ich die Sprache mit der Zeit immer besser.

Doch gerade als ich am allerwenigsten damit rechnete, wurde ich zum Leutnant der Fernmeldetruppe der amerikanischen Armee ernannt. Plötzlich erwartete man von mir, dass ich mich mit Funk-, Telegrafen- und Telefonschaltsystemen auskannte. Was für eine unerwartete Schicksalswende! Soeben noch himmelhoch jauchzend – ein Sprachgenie mit glänzenden Zukunftsaussichten – und jetzt auf einmal zu Tode betrübt: gestrandet in einer mir fremden technischen Welt, in der ich zwangsläufig verrotten musste wie ein alter Baumstumpf.

Scheiße!

Ich musste an einer Schulung in Elektronik teilnehmen, bei der Mathematik eine wichtige Rolle spielte und bei der ich als schlechteste Schülerin meiner Klasse abschnitt. Dann ging es ab nach Westdeutschland, wo ich als Zugführerin in der Fernmeldetruppe diente und tagtäglich aufs Neue erlebte, dass die Soldaten und Offiziere, die sich in technischen Dingen auskannten, das Sagen hatten. Sie waren die großen Problemlöser und trugen mit ihrer Arbeit dazu bei, dass die anderen ihre Mission erfüllen konnten.

Als ich über meine bisherige Karriere nachdachte, wurde mir klar, dass ich mich immer nur um meine Hobbys und Interessen gekümmert hatte, ohne für neue Fachgebiete offen zu sein. So hatte ich mich unabsichtlich in eine berufliche Sackgasse hineinmanövriert. Wenn ich in der Armee blieb, würde ich dort aufgrund meines fehlenden technischen Know-hows immer ein Mensch zweiter Klasse sein.

Aber wenn ich mich aus dem Militärdienst verabschiedete, was sollte ich dann mit meinem Abschluss in slawischen Sprachen und slawischer Literatur anfangen? Es gibt nicht viele freie Stellen für Übersetzer oder Fremdsprachenkorrespondenten, die Russisch sprechen. Außerdem würde ich dann mit Millionen anderen Bewerbern, die ebenfalls einen Bachelor-Abschluss hatten, um einfache Sekretärinnenjobs konkurrieren müssen. Ein Purist wäre vielleicht der Meinung gewesen, dass ich in meinem Studium und während meines Militärdienstes eine Menge gelernt hatte und daher eine viel bessere Stellung finden konnte; aber Puristen wissen nicht, wie schwierig der Arbeitsmarkt manchmal sein kann.

Zum Glück stand mir noch eine weitere – zugegebenermaßen ungewöhnliche – ­Option offen. Einer der großen Vorteile meines Militärdienstes bestand darin, dass mir noch G.I.-Bill-Gelder** für die Wiedereingliederung ins Berufsleben zur Verfügung standen, mit denen ich die Kosten für eine weitere Fortbildung decken konnte. Warum sollte ich mithilfe dieser finanziellen Unterstützung nicht das Unvorstellbare wagen und mich umschulen lassen? Würde ich es schaffen, mein Gehirn umzuprogrammieren, meine Mathematikphobie abzulegen und zum Mathegenie zu werden? Vom Technikfeind zum Technikfreak?

Ich hatte zwar noch nie gehört, dass jemandem so etwas gelungen war – erst recht niemandem, der eine so ausgeprägte Mathephobie hatte wie ich. Es gab nichts, was mir wesensfremder war als Naturwissenschaften. Andererseits hatten meine Kollegen beim Militär mir bewiesen, dass eine solche Umprogrammierung sich durchaus lohnte.

Ich begann, die Sache als Herausforderung zu betrachten – eine Herausforderung, der ich nicht widerstehen konnte.

Also beschloss ich, mein Gehirn umzutrainieren.

Es...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Mathematik - Algorithmik - Arithmetik

Operations Research

E-Book Operations Research
Linearoptimierung Format: PDF

Linearoptimierung wird als mathematische Methode innerhalb des Operations Research bei der Mengenplanung für Absatz und Produktion sowie für Transport-, Netzfluss- oder Maschinenbelegungs-Probleme…

Operations Research

E-Book Operations Research
Linearoptimierung Format: PDF

Linearoptimierung wird als mathematische Methode innerhalb des Operations Research bei der Mengenplanung für Absatz und Produktion sowie für Transport-, Netzfluss- oder Maschinenbelegungs-Probleme…

Operations Research

E-Book Operations Research
Linearoptimierung Format: PDF

Linearoptimierung wird als mathematische Methode innerhalb des Operations Research bei der Mengenplanung für Absatz und Produktion sowie für Transport-, Netzfluss- oder Maschinenbelegungs-Probleme…

Gewöhnliche Differenzialgleichungen

E-Book Gewöhnliche Differenzialgleichungen
Differenzialgleichungen in Theorie und Praxis Format: PDF

Im Anschluss an Vorlesungen in Analysis und Linearer Algebra folgen an nahezu allen technischen und wirtschaftswissenschaftlich orientierten Studiengängen an Hochschulen und Universitäten als eine…

Mathematik für Informatiker

E-Book Mathematik für Informatiker
Format: PDF

Die Informatik entwickelt sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Häufig ist die Mathematik Grundlage von Neuerungen. Deshalb ist sie unverzichtbares Werkzeug jedes Informatikers und Pflichtfach…

Mathematik für Informatiker

E-Book Mathematik für Informatiker
Format: PDF

Die Informatik entwickelt sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Häufig ist die Mathematik Grundlage von Neuerungen. Deshalb ist sie unverzichtbares Werkzeug jedes Informatikers und Pflichtfach…

Mathematik für Informatiker

E-Book Mathematik für Informatiker
Format: PDF

Die Informatik entwickelt sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Häufig ist die Mathematik Grundlage von Neuerungen. Deshalb ist sie unverzichtbares Werkzeug jedes Informatikers und Pflichtfach…

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

AUTOCAD Magazin

AUTOCAD Magazin

Die herstellerunabhängige Fachzeitschrift wendet sich an alle Anwender und Entscheider, die mit Softwarelösungen von Autodesk arbeiten. Das Magazin gibt praktische ...

Baumarkt

Baumarkt

Baumarkt enthält eine ausführliche jährliche Konjunkturanalyse des deutschen Baumarktes und stellt die wichtigsten Ergebnisse des abgelaufenen Baujahres in vielen Zahlen und Fakten zusammen. Auf ...

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

Für diese Fachzeitschrift arbeiten namhafte Persönlichkeiten aus den verschiedenen Fotschungs-, Lehr- und Praxisbereichen zusammen. Zu ihren Aufgaben gehören Prävention, Früherkennung, ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

Demeter-Gartenrundbrief

Demeter-Gartenrundbrief

Einzige Gartenzeitung mit Anleitungen und Erfahrungsberichten zum biologisch-dynamischen Anbau im Hausgarten (Demeter-Anbau). Mit regelmäßigem Arbeitskalender, Aussaat-/Pflanzzeiten, Neuigkeiten ...