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E-Book

System der deduktiven und induktiven Logik

Vollständige Ausgabe

AutorJohn Stuart Mill
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl592 Seiten
ISBN9783849608903
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
John Stuart Mill gilt bis heute als einer der Hauptvertreter des empirisch orientierten Denkens. Da Mill Mitbegründer des Utilitarismus war, wurden seine Stellungnahmen oft nur im Lichte eines 'Allinduktionismus' kritisiert. Für Mill galt die Induktion als methodisches Fundament allen Wissens, dass er hauptsächlich mit Methoden zur Untersuchung von Kausalzusammenhängen zu analysieren versuchte. Laut Mill ist 'die Induktion [...] diejenige Verstandesoperation, durch welche wir schließen, daß dasjenige, was für einen besonderen Fall oder besondere Fälle wahr ist, auch in allen Fällen wahr sein wird, welche jenem in irgend einer nachweisbaren Beziehung ähnlich sind' (Mill, 1980, S. 160). Im Sinne des 'Allinduktionismus' lässt sich laut Mill jedewege Induktion in Form eines Syllogismus darstellen, dessen Obersatz unterdrückt und selbst eine Induktion ist. Die Induktion beruht auf der Neigung des Menschen, Erfahrungen zu generalisieren. Als Voraussetzung für seine Annahmen nennt Mill das Axiom der Induktion, das selbst auch auf einer der allgemeinsten Induktionen basiert und wonach der Gang der Natur absolut gleichförmig ist. (aus wikipedia.de)

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Leseprobe

Drittes Capitel. Von den Dingen, welche durch Namen bezeichnet werden.


 


§. 1. Indem wir nun auf den Anfang unserer Untersuchung zurückblicken, wollen wir versuchen, zu ermessen, wie weit sie gediehen ist. Die Logik, fanden wir, ist die Theorie des Beweises. Aber ein Beweis setzt etwas Beweisbares voraus, was ein Urtheil oder eine Behauptung sein muss, da nur ein Urtheil Gegenstand des Glaubens oder des Beweises sein kann. Ein Urtheil ist eine Aussage, welche etwas von einem Dinge behauptet oder verneint. Dies ist der erste Schritt: es müssen, wie es scheint, in einem Glaubensact zwei Dinge vorhanden sein. Aber was sind diese Dinge? Es können nur diejenigen sein, welche durch die zwei Namen, die nach ihrer Verbindung durch eine Copula das Urtheil bilden, ausgedrückt sind. Wenn wir daher wüssten, was alle Namen bedeuten, so würden wir alles wissen, was entweder zu einem Gegenstand der Behauptung oder Verneinung gemacht, oder was selbst von einem Gegenstande behauptet oder verneint werden kann. Wir haben deshalb in einem vorhergehenden Capitel die verschiedenen Arten von Namen betrachtet, um zu bestimmen, was ein jeder von ihnen bedeutet. Wir haben diese Untersuchung nun soweit geführt; um uns von ihrem Resultat Rechenschaft geben und eine Aufzählung von allen Arten von Dingen machen zu können, welche zu Prädicaten gemacht werden können, oder von welchen etwas prädicirt werden kann. Den Inhalt der Prädication, d.h. der Urtheile zu bestimmen, kann hiernach keine schwere Aufgabe sein.

 

Die Nothwendigkeit einer Aufzählung von Existenzen als Basis der Logik entging nicht der Aufmerksamkeit der Scholastiker und ihres Meisters Aristoteles, des umfassendsten, wenn auch nicht des scharfsinnigsten der alten Philosophen. Die Kategorien oder Prädicamente – das erstere ein griechisches Wort, das letztere dessen wörtliche Uebersetzung in die lateinische Sprache – sollten nach seiner und seiner Nachfolger Absicht eine Aufzählung aller Dinge sein, die der Benennung fähig sind, eine Aufzählung durch die summa genera, d.i. durch die umfassendsten Classen, in welche Dinge eingetheilt werden können, und welche daher ebensoviele höchsten Prädicate waren, von denen man das eine oder das andere fähig hielt, mit Wahrheit von jedem benennbaren Dinge ausgesagt (affirmirt) zu werden. Es sind die folgenden Classen, auf welche nach dieser philosophischen Schule die Dinge im Allgemeinen zurückgeführt werden können:

 

Ousia Substantia,

Poson Quantitas,

Poion Qualitas,

Pros ti Relatio,

Poiein Actio,

Paschein Passio,

Pou Ubi,

Pote Quando,

Keisthai Situs,

Echein Habitus.

 

Die Unvollkommenheiten dieser Classification sind zu augenscheinlich, um eine genaue Prüfung zu verlangen, auch sind ihre Verdienste nicht gross genug, um eine solche Prüfung zu belohnen. Sie ist ein blosser Katalog der durch die gewöhnliche Sprache des Lebens roher Weise bezeichneten Distinctionen, und sucht nur wenig oder gar nicht durch eine philosophische Analyse in das rationale sogar dieser gewöhnlichen Distinctionen einzudringen. Eine auch nur oberflächlich angestellte Analyse würde gezeigt haben, dass die Aufzählung zugleich weitschweifig und mangelhaft ist. Manche Gegenstände sind ausgelassen und andere mehrmals unter verschiedenen Rubriken wiederholt; sie gleicht einer Eintheilung der Thiere in Menschen, Vierfüsser, Pferde, Esel und Ponies; es konnte z.B. keine sehr umfassende Ansicht über die Natur der Relation sein, welche Actio, Passio und Situs von dieser Kategorie ausschliessen konnte. Dieselbe Bemerkung lässt sich von den Kategorien Quando (Lage in der Zeit) und Ubi (Lage im Raum) machen, während die Unterscheidung zwischen der letztern und Situs bloss eine wörtliche ist.

 

Die Ungereimtheit, die Classe, welche die zehnte Kategorie ausmacht, zu einem summum genus zu machen, ist handgreiflich, und auf der andern Seite nimmt die Aufzählung von allen anderen Dingen ausser von Substanzen und Attributen gar keine Notiz.

 

In welche Kategorie sollen wir die Sensationen oder irgend andere Gefühle oder Zustände des Geistes bringen, z.B. Hoffnung, Freude, Furcht; Ton, Geruch, Geschmack; Schmerz, Vergnügen; Gedanke, Urtheil, Vorstellung u. dergl.? Wahrscheinlich würden alle diese durch die Aristotelische Schule in die Kategorien actio und passio gebracht worden sein; und die Beziehung (relatio) derjenigen von ihnen, welche thätig (activ) sind, zu ihren Objecten, und derjenigen von ihnen, welche passiv sind, zu ihren Ursachen, würde mit Recht in diese Kategorien gebracht werden; aber die Dinge selbst, die Gefühle und Zustände des Geistes mit Unrecht. Die Gefühle und Zustände des Bewusstseins müssen sicherlich zu den Realitäten gezählt werden, man kann sie aber weder zu den Substanzen, noch zu den Attributen rechnen.

 

 

§. 2. Ehe wir daher den von dem grossen Gründer der Wissenschaft der Logik mit so geringem Erfolg gemachten Versuch unter günstigeren Auspicien wieder aufnehmen, müssen wir eine unglückliche Zweideutigkeit in allen concreten Namen, welche dem allgemeinsten aller abstracten Wörter, dem Worte Existenz entsprechen, anführen. Wenn wir Gelegenheit haben, einen Namen anzuwenden, der als Gegensatz zu dem Nichtsein oder Nichts alles zu bezeichnen im Stande ist, was existirt, so giebt es kaum ein für diesen Zweck verwendbares Wort, welches nicht auch, und zwar noch gewöhnlicher, in einem solchen Sinne genommen wird, dass es nur Substanzen bezeichnet. Aber die Substanzen sind nicht alles, was existirt; die Gefühle existiren ebenfalls. Wenn wir aber von einem Gegenstand oder von einem Ding sprechen, so setzt man fast immer voraus, dass wir eine Substanz damit meinen. Es scheint eine Art von Widersprach in einem Ausdruck zu liegen, wie: ein Ding ist nur ein Attribut von einem andern Ding. Ich glaube, dass bei der Ankündigung einer Classification der Dinge die meisten Leger sich auf eine Aufzählung ähnlich der der Naturgeschichte gefasst machen würden, beginnend mit den grossen Abtheilungen Thiere, Pflanzen und Mineralien, mit darauf folgenden Unterabtheilungen in Classen und Ordnungen. Wenn wir das Wort Ding verwerfen und ein anderes von einer allgemeineren Bedeutung, oder wenigstens ein ausschliesslicher auf diese allgemeine Bedeutung beschränktes Wort zu finden suchen, ein Wort, das alles bezeichnet, was existirt, und welches nur einfache Existenz mitbezeichnet, so könnte man vielleicht keines für zweckdienlicher halten, als das Wort Wesen,13 ursprünglich der Infinitiv eines Zeitworts, welches in der einen seiner Bedeutungen äquivalent mit dem Zeitwort existiren ist, und das sich daher schon durch seine grammatikalische Bildung als das concrete von dem abstracten Existenz eignet. Aber dieses Wort ist, so sonderbar dies auch aussieht, noch vollständiger als das Wort Ding für den Zweck vordorben, für den es besonders gemacht schien. Wesen ist dem Gebrauch nach genau synonym mit Substanz, nur dass es frei von einer leichten Färbung einer zweiten Zweideutigkeit ist, indem es unparteiisch auf Materie und Geist angewendet wird, während Substanz, obschon ursprünglich und mit aller Strenge auf beide anwendbar, eher die Idee von Materie, von Stoff einflösst. Attribute werden niemals Wesen genannt; auch nicht Gefühle. Ein Wesen ist das, was Gefühle erregt und welches Attribute besitzt. Die Seele, Gott und Engel werden Wesen genannt; wenn wir aber sagen würden, Ausdehnung, Farbe, Weisheit, Tugend seien Wesen, so würden wir vielleicht in den Verdacht kommen, mit einigen der Alten zu denken, die Cardinaltugenden seien Thiere, oder wenigstens, mit der Schule von Platon die Lehre von den selbstexistirenden Ideen, oder mit den Jüngern Epicurs die der sensiblen Formen, welche sich in jeder Richtung von den Körpern ablösen und bei dem Contact mit unseren Organen die Vorstellungen verursachen, aufrecht erhalten zu wollen; kurz wir würden in den Verdacht kommen zu glauben, Attribute seien Substanzen. In Folge dieser Verderbniss des Wortes Wesen suchten die Philosophen nach einem Ersatz für dasselbe und fielen so auf das Wort Entität, ein Stück barbarisches Latein, von den Scholastikern erfunden, um als abstracter Name – in welche Classe es seine grammatikalische Form zu bringen scheint – gebraucht zu werden; da es aber von in Noth gerathenen Logikern verwendet wurde, um einen Leck in ihrer Terminologie zu verstopfen, so wurde es seitdem immer als ein concreter Name gebraucht. Das verwandte Wort Essenz, zur selbigen Zeit und von denselben Eltern geboren, erlitt kaum eine vollständigere Umwandlung, als es – während, es das abstracte vom Zeitwort essere (sein) ist – dazu dienen musste, etwas zu bezeichnen, das genugsam concret war, um es auf Flaschen ziehen zu können. Seitdem sich das Wort Entität als ein concreter Name festgesetzt hat, ist die Universalität seiner Bedeutung etwas weniger beschädigt...

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