Die sportliche Ungerechtigkeit, die der Millionenzirkus des heutigen Profifußballs mit sich bringt, wird also durch viele
Faktoren bedingt
Bevorzugte Behandlung: Die etablierten Mannschaften aus den starken (weil reichen) Ligen Europas – vor allem England, Spanien und (wenn auch nur noch mit Abstrichen) Italien – haben es leichter, sich für die gewinnbringende Champions League zu qualifizieren. Aus England sind beispielsweise die ersten vier Mannschaften nahezu regelmäßig in der Champions League Endrunde dabei, während in anderen Ländern nur der Landesmeister dabei sein darf – vorausgesetzt er übersteht die Qualifikation über bis zu drei Runden. Welch Wunder ist es da, dass die bevorzugten Ligen die Fünfjahreswertung leichter bestätigen können? Sie haben die Starpower und genügend Mannschaften in den Wettbewerben, um ihre Dominanz auch weiterhin zu zementieren. Mit Gerechtigkeit im sportlichen Sinne hat das nichts zu tun. Es ist lediglich das Recht des Stärkeren (bzw. des Reicheren).
Kalkuliertes Risiko und Rendite: Der Spielplan der Champions League ist dank der Gruppenphase mit Hin- und Rückspiel sportlich entschärft. Das garantiert den teilnehmenden Vereinen Mindesteinnahmen aus sechs Spielen, die bereits für sich allein Millionen bringen. Davon profitieren natürlich am meisten die Top Klubs, die ohnehin die attraktivsten Sponsorenverträge und TV Bedingungen haben. Dank einer Truppe aus Elitekickern von Weltrang haben diese Klubs auch beste Chancen, binnen sechs Spielen den Einzug in die nächste Runde klar zu machen. Denn die großen Favoriten werden so gut wie nie in eine Gruppe gelost. Dafür sorgt das Auslosungssystem, wie man es auch bei der WM kennt. Aus vier verschiedenen Pötten werden die Mannschaften zu den einzelnen Gruppen zugelost. Und bezogen auf die Gruppenphase kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Wenn die italienische Nationalmannschaft in der Gruppenphase einer WM zweimal in Folge schlecht spielt, dann ist sie so gut wie raus! Denn es verbleibt nur noch ein Spiel. Wenn aber der AC Mailand in der Champions League die ersten beiden Spiele vergeigt, dann bleiben noch vier Spiele, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Die Champions League hat längst alles, was den Turniercharakter ausmacht, eingebüßt und ist (sportlich gesehen) nur noch ein Schatten des einstigen “Pokal der Landesmeister“! Denn es ist nur allzu logisch, dass wenn bis zum Achtelfinale sechs Spiele mit genügend Erfolg zu bestreiten sind, um in die nächste Runde zu kommen, vor allem die Favoriten davon begünstigt sind. Wer sechs Spiele Gelegenheit hat, seine Favoritenrolle zu untermauern, der wird das auch voraussichtlich oft genug schaffen, um eher weiter zu kommen als ein kleinerer (weniger reicher) Verein. Die Konsequenz: Die Champions League wird erst dann interessant, wenn nur noch 16 Mannschaften verblieben sind und es im K.O. System weitergeht. Und man kann mit 95 % Sicherheit sagen, dass höchstens ein bis zwei Namen darunter sein werden, die mehr oder weniger überraschen (wenn überhaupt). Es werden nahezu ausschließlich europäische Top Klubs sein, die auch schon vor ihrer Teilnahme an dieser Champions League Top Klubs waren und es dank der fließenden Einnahmen auch weiter bleiben werden. Und das war nicht immer so! Zumindest nicht in diesen einseitigen Dimensionen.
Im klassischen “Pokal der Landesmeister“ lief es ausschließlich im K.O. Prinzip. Da war viel mehr Raum für Überraschungen und jedes Spiel war für den Verbleib im Wettbewerb entscheidend. Es war von Anbeginn an unmittelbare Pokaldramatik gegeben, wie man sie heute nur noch in den nationalen Vereinspokalen oder in den Kontinental- und Weltmeisterschaften der Nationalteams findet. Zwar gibt es auch in den Meisterschaften der Nationalteams Gruppenphasen, doch diese sind viel knapper bemessen und somit ist auch dort (spätestens in den jeweiligen Endrunden) jedes Spiel wichtig und hat entscheidenden Charakter. In der Champions League Gruppenphase modernen Stils sucht man so etwas aber vergebens. Denn nach sechs Spielen werden sich nahezu immer die üblichen Verdächtigen durchsetzen. Ein FC Salzburg mag auch einen FC Liverpool durchaus mal schlagen können, aber über sechs Spiele hinweg betrachtet, muss man keine Trainerkarriere absolviert haben, um vorherzusagen, wer die Nase vorne haben wird. Die sportliche Ungerechtigkeit liegt dabei darin, dass es den Top Klubs scheinbar nicht reicht, auf ein Aufgebot von Weltklasse zurückgreifen zu können. Sie wollen auch noch größtmögliche Planungssicherheit haben.
Manch einer mag meinen, dass eine so ausgedehnte Gruppenphase objektiver ist, weil die spielstärksten Vereine favorisiert werden. Aber so betrachtet verkommt ein Aufeinandertreffen zwischen dem FC Kopenhagen und dem FC Chelsea zu einem rein statistischen Wirtschaftsgeschehen. Denn am Ende der Gruppenphase kommt Chelsea sowieso weiter. Der FC Kopenhagen wahrscheinlich nicht. Fußball – und insbesondere die großen Turniere – hat sich seither immer dadurch ausgezeichnet, dass nicht das Recht des Stärkeren, sondern das desjenigen gilt, der im entscheidenden Spiel siegreich ist. Klein und Groß trafen zu gleichen Bedingungen aufeinander, in existenziellen Spielen, die unmittelbar über ein Weiterkommen oder ein Scheitern entschieden. Doch heute könnten die Bedingungen nicht ungleicher sein…. Das nächste anstehende große Turnier ist wohl die Europameisterschaft. Infos zum em 2012 Spielplan geben Aufschluss, welche Großen und Kleinen hier aufeinendertreffen.
Monopolstellung: Durch die sicheren, regelmäßigen Einnahmen aus der Champions League und größere Zuwendungen in Form von Sponsorenverträgen und nationalen TV-Geldern können die stärksten Mannschaften (sprich jene mit den bestbezahlten und stärksten Spielern) ihre Vormachtstellung leichter ausbauen denn je. Und mittlerweile ist auch die “Euro League“ (ehemals UEFA Cup), die sich einen gewissen Turniercharakter lange erhalten hat, mit einer Gruppenphase nach dem Vorbild der Champions League ausgestattet. Damit ist auch dieser Wettbewerb sportlich uninteressanter, dafür aber finanziell rentabler geworden. Auch hier hat man sich gegen sportlichen Wettstreit und für kalkuliertes Risiko entschieden – zu Gunsten der wohlhabenden Klubs.
Durch die rentable Gestaltung der internationalen Vereinswettbewerbe entsteht eine rasch größer werdende Kluft zwischen den TOP-Klubs und dem Rest der jeweiligen Ligen. Die mächtigen Klubs können finanziell immer weiter abheben und eventuell aufkommende Konkurrenz buchstäblich aufkaufen, indem sie mit einigen Millionen wedeln und sich die guten Spieler abwerben. Die einnahmeträchtigen Wettbewerbe sorgen diesbezüglich für gefüllte Kassen. Oder wie sonst soll zu erklären sein, dass ein FC Bayern München Topstars wie Lukas Podolski von der unmittelbaren Konkurrenz wegkauft und selbigen dann auf der Bank verrotten lässt? Ach, da sind ja noch die ganzen anderen Stars… Von gleichen Bedingungen kann also nicht mal im Ansatz die Rede sein.
Dass Qualität im Fußball käuflich ist, ist eine Tatsache, die so alt wie der Profifußball selbst ist. Jedoch verschärft sich diese Tatsache zu einem Problem, wenn sich der Großteil der Gelder so unverhältnismäßig auf eine kleine Zahl der Top Klubs europaweit konzentriert, während die anderen Vereine das Nachsehen haben. Bezogen auf die Bundesliga äußerte Heribert Bruchhagen anno 2006 dazu Folgendes:
„Es ist schon frappierend, und daran sehen Sie die Gesamtentwicklung. 1992 hatte Eintracht Frankfurt einen Etat, der 40 Prozent unterhalb des FC Bayern lag, im kommenden Jahr haben wir einen Etat, der 400 Prozent unter dem der Bayern liegt……Es kann ohne weiteres auch mal Werder Bremen Deutscher Meister werden, es kann auch mal der Hamburger SV dran sein, aber im Prinzip hat sich Bayern so turmhoch von uns entfernt, dass sie in den nächsten zehn Jahren acht mal Deutscher Meister werden. Da muss man kein Prophet sein, um das zu sagen. Daran sieht man, dass wir längst eine Zwei- oder Dreiklassengesellschaft sind.“
Im Zusammenhang mit den Etats der Bundesligaklubs wird die Ungleichheit noch durch weitere Faktoren verschärft. So werden die TV Gelder für die Übertragung der Bundesliga (aktuell bis zu 420 Millionen Euro jährlich; zuletzt waren es 368 Millionen Euro für die Saison 2010/2011 ) nach dem Leistungsprinzip an die Vereine verteilt. Dadurch erhalten die Teams, ihren Platzierungen in der Abschlusstabelle gemäß, einen Anteil dieses Geldes. Je mehr Erfolg man hat, desto mehr Anteil am TV Geld erhält man. Je schlechter man abschneidet, desto weniger Anteil aus den TV Pötten wird zugebilligt. Sportlicher Erfolg bedeutet also mehr Geld. Misserfolg bedeutet weniger Geld. Natürlich führt das unweigerlich zur selben Logik, wie die Gewinnschöpfung aus der überdehnten Champions League. Richtig! Diejenigen, die sowieso schon das Geld haben, um sich jeweils die besten Spieler zu leisten, werden auch in den meisten Fällen erfolgreich sein und das Gros an Kohle einsacken. Wenn sportlicher Erfolg vor allem aber mehr Geld bedeutet, dann muss man sich Fragen: Wo bleibt der aufrichtige (sportliche!) Wettbewerb? Die Mannschaften mit dem meisten Geld leisten sich die besten Spieler und übertrumpfen so ihre Konkurrenz. Sie spielen international mit und sacken allein dadurch wieder viel Geld ein. Hinzu kommen höhere Anteile bei den TV Geldern und mehr Gewinn durch Sponsoren, weil man sich selbst besser verkaufen kann. Somit wird sportlicher Erfolg zum Selbstläufer für diejenigen, die jetzt schon bedeutend besser betucht sind. Die englische Premier League ist das beste Beispiel dafür. Obwohl dort durchaus alle Vereine sehr viel mehr an TV Geldern einnehmen, als dies in der Bundesliga der Fall ist, ist die Schere dort schon soweit auseinander geklafft, sodass die Top Klubs der Insel unübertreffbar scheinen. Mark Perrymann, der Fan der Tottenham Hotspurs, sagte dazu im Tagesspiegel:
„…..Ja, das Verlangen nach Profit: der Feind des Wettbewerbs und des Risikos im Sport. Wer wird in dieser Saison unter den vier Besten in der Bundesliga sein? In England wissen wir das schon: Die so genannte „Beste Liga der Welt“ ist auch die langweiligste und vorhersehbarste. Manchester United, Chelsea, Arsenal und Liverpool haben in den letzten fünf Jahren mit einer Ausnahme stetig die ersten vier Plätze belegt. Und die vier Startplätze in der Champions League, die sie jedes Jahr holen, machen ihre Position noch unüberwindbarer…..“
Hinzu kommen in der Premier League nun auch noch Renditejäger in Form von Investoren, die Vereine aufkaufen und diesen finanziell großzügig unter die Arme greifen. Daraufhin entfernen sich diese erst recht von der Konkurrenz, da Geldfluss und sportlicher Erfolg dann bei Misserfolg völlig zusammenhangslos sind. Und all das sehr zum Leidwesen der Fans und des vereinseigenen Nachwuchses, wie Kevin Miles im Gespräch mit bundesliga.de verrät:
„Manche sagen: Super, wir sind jetzt der reichste Verein und können die teuersten und besten Spieler kaufen. Aber das ist nur eine kurzfristige Freude. Denn die Eintrittspreise sinken eigentlich nie. In England drehen sich die Gespräche schon mehr darum, welcher neue Besitzer kommt und nicht, welcher neue Torwart. Das ist eine sehr ungesunde Entwicklung.
Vor zehn Jahren konnte in England keiner Manchester United leiden – außer natürlich den eigenen Fans. Manchester hatte das meiste Geld, aber sie haben es durch Fußball verdient. Durch Siege kamen mehr Sponsoren und mehr verkaufte Fanartikel und so weiter.
Durch Chelsea und Abramowitsch hat sich das geändert, auf einmal war Chelsea der unbeliebte Club und mit Manchester City kann es genau so kommen.
Manchester City hat in diesem Jahr mit seiner Jugendmannschaft den Nachwuchspokal in England gewonnen und normalerweise sollten es fünf, sechs Talente schaffen, in den Kader der ersten Mannschaft zu kommen. Aber wer soll an einem Robinho vorbei kommen, der mal eben für 40 Millionen Euro gekauft wurde?“
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