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1864 - Der Krieg um Schleswig-Holstein

AutorFrank Jung
VerlagEllert & Richter Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783831910168
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Gehören die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu Deutschland oder Dänemark? Über diese Streitfrage entschieden 1864 die Waffen. Preußen und Österreich setzten sich gegen Dänemark durch. Nach mehr als 400 Jahren war die Zugehörigkeit der Herzogtümer zur dänischen Monarchie zu Ende. Wie kam es vor 150 Jahren zum Krieg um Schleswig-Holstein - und wie verlief er? Frank Jung, Redakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags, zeichnet in diesem Buch die dramatischen Ereignisse chronologisch nach - vom Tod des gemeinsamen Königs am 15. November 1863 bis zur Entscheidungsschlacht auf den Düppeler Schanzen am 18. April 1864. Zusätzliche Kapitel schildern den weiteren Gang der Ereignisse bis zum Friedensschluss im Herbst 1864, die Bedeutung des Krieges für die deutsche Reichsgründung und seine bis heute ausstrahlenden Folgen auf beiden Seiten der Grenze.

geb. 1971, ist Nachrichtenredakteur beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag, der größten Zeitungsgruppe im nördlichsten Bundesland. Er ist in Flensburg aufgewachsen und lebt - nach einigen Studienjahren in Kiel - heute in Schleswig.

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Leseprobe

ESKALATION UND KRIEG
TAG FÜR TAG

Chronologie
vom Tod König Frederiks VII.
bis zur Schlacht auf den Düppeler Schanzen

Locken zur Erinnerung

15. NOVEMBER 1863: Frederik VII. stirbt auf Schloss Glücksburg. Damit verlieren Dänemark, Schleswig, Holstein und Lauenburg ihren Landesherrn. Denn Friedrich war nicht nur dänischer König, sondern zugleich Herzog von Schleswig und Holstein. Die Leibärzte Bock und Lund haben über das Ende genau Protokoll geführt. Sechs Tage ist der Regent bettlägerig gewesen, bevor sein Lebenslicht um „2.35 Uhr nachmittags“ erlosch. Eine Gürtelrose habe sich schnell vom Gesicht auf den übrigen Körper ausgebreitet, begleitet von heftigem Fieber und Aussetzern des Gehirns. Zuvor hatte sich Frederik VII. bereits eine starke Erkältung zugezogen. Einstweilen passen die Adjutanten und wachhabenden Offiziere der Fußgarde auf den hochrangigen Toten auf. Wie vom Verstorbenen bereits vor Ausbruch der Krankheit bestimmt, bleibt der Leichnam zunächst einfach unter der Decke im Bett liegen. Der König hat wiederholt den Willen geäußert, dass sein Körper weder gewaschen noch in ein Leichenkleid gehüllt werden solle. Das sorgt jedoch für Probleme: Schon am ersten Abend ist der Zustand der Leiche so, dass die Ärzte erklären, sie werde sich nicht bis zu einer Einbalsamierung erhalten lassen. Deshalb wird eilig ein innen mit Blei ausgekleideter Sarg bestellt. Dorthinein wird der tote König dann in der wollenen Decke, in der er gestorben ist, gebettet. Ehe der Sarg geschlossen wird, schneiden die Leibärzte einige Locken vom Haar des Toten ab. Sie sollen der Partnerin Friedrichs, der Gräfin Danner, und königlichen Verwandten als Erinnerung dienen. Der geschlossene und zugeschraubte Sarg wird anschließend in ein offizielles Trauergemach getragen und von zehn Kandelabern umrahmt. Der Hofpastor spricht ein kurzes Gebet, dann wird der Sarg zugelötet.

Einen Monat Trauerläuten

16. NOVEMBER 1863: In Kopenhagen ruft Ministerpräsident Carl Christian Hall Christian IX. als neuen dänischen König und Herzog von Schleswig und Holstein aus – den ersten Monarchen aus der Glücksburger Linie, nachdem das Haus Oldenburg einen Tag zuvor mit Frederik VII. ausgestorben ist. Die Nachfolgeregelung haben die europäischen Großmächte 1852 im Londoner Protokoll getroffen. Das öffentliche Leben soll jedoch noch lange Zeichen der Trauer über den Tod des Vorgängers tragen. Das verfügt das königliche Ministerium für das Herzogtum Schleswig in einem Erlass „in Veranlassung des tödlichen Hintritts Seiner Majestät des hochseligen Königs Frederik VII.“. Täglich von 10 bis 12 und von 16 bis 18 Uhr sollen sämtliche Kirchenglocken läuten. Sowohl jegliche Kirchenmusik als auch „jede öffentliche Belustigung“ werden untersagt. Die Regeln gelten bis zur Beisetzung der Leiche im Dom von Roskilde. Die erfolgt erst am 19. Dezember. Zuvor wird der Tote öffentlich aufgebahrt – zunächst auf Schloss Glücksburg, wo der Regent an einer Gürtelrose verstorben ist, dann auf Schloss Christiansborg in Kopenhagen.

Ein König unter Druck

17. NOVEMBER 1863: Die Anspannung der dänischen Öffentlichkeit ist enorm: Wird der neue König Christian IX. die vom Reichsrat beschlossene Verfassung unterzeichnen, die das Königreich Dänemark und das Herzogtum Schleswig vereint? Mit seiner deutschen Abstammung ist der Monarch den Nationalliberalen ohnehin schon verdächtig, und dann hat sich Christian auch tatsächlich noch Bedenkzeit ausbedungen. Denn er weiß, dass die Novemberverfassung das Londoner Protokoll von 1852 bräche. Darin ist nach dem letzten Krieg um Schleswig-Holstein verbrieft worden: Die dänische Monarchie bleibt erhalten, aber Dänemark darf Schleswig nicht enger als Holstein an sich binden. Zugleich verdankt Christian dem Protokoll, dass seine Familie nach dem Aussterben des Hauses Oldenburg die dänische Königswürde geerbt hat. Diese ganz persönliche Abhängigkeit macht ihn doppelt vorsichtig, mit einem Federstrich gegen das internationale Abkommen zu verstoßen. „Privatnachrichten aus Kopenhagen zufolge ist die Aufregung dort tiefgehend und mächtig“, berichtet die Zeitung „Altonaer Merkur“ über die kochende Volksseele in Dänemark. „Die Zustände sollen lebhaft an 1848 erinnern“, also revolutionsähnlich sein. Auf den Straßen der Innenstadt kommt es zu Demonstrationen. Der Oberpräsident der Kopenhagener Bürgerschaft äußert in einer auf dem Schlossplatz von Amalienborg verlesenen Erklärung: Indem der König den Verfassungsentwurf bekräftige, „werden Eure Majestät den Schmerz mildern und die Unruhe entfernen, die in diesem Augenblick das Volk durchdringen“.

Er unterzeichnet doch

18. NOVEMBER 1863: König Christian IX. hat noch versucht, moderatere Politiker aus dem konservativen Lager für die Bildung einer neuen Regierung zu finden. Doch die winken ab. Mit ihnen wollte der Monarch die gemeinsame Verfassung der Nationalliberalen für das Königreich Dänemark und das Herzogtum Schleswig ausbremsen und so die drohende Kriegsgefahr abwenden. Vom Kopenhagener Polizeipräsidenten Vilhelm Crone, einem bekennenden Eiderdänen, hat Christian zu wissen bekommen: Ohne Unterschrift unter die Verfassung könne niemand für Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt garantieren. Im Staatsrat wird der König dann noch einmal intensiv politisch von den führenden Nationalliberalen bearbeitet: Ministerpräsident Carl Christian Hall, Ditlev Gothard Monrad – der bald sein Nachfolger wird – und Orla Lehmann, der Chefideologe der Eiderdänen, drängen auf die Unterzeichnung des neuen Staatsgrundgesetzes. Weil er keine Alternative mehr sieht, fügt sich der Monarch. Er setzt seine heiß ersehnte Unterschrift unter das Regelwerk – allerdings mit dem mündlichen Zusatz, dass er jede Verantwortung für die Folgen zurückweise. Die müsse die Regierung tragen. Im Protokoll der schicksalsträchtigen Staatsratssitzung ist dies überliefert. Ebenso wird darin skizziert: „Der König wiederholte, dass er ungern unterschreibt, weil er fürchtet, dass dies das Land ins Unglück führen wird, aber weil er es als ein Erbe ansieht, das sein hochseliger Vorgänger ihm hinterlassen hat, und weil er von der Überzeugung durchdrungen ist, dass dieser das Gesetz unterzeichnet haben würde, tut er dies als eine Pflicht.“

„Wie ein Donnerschlag“

19. NOVEMBER 1863: Eine Unterschrift, zwei Wirkungen: In den Herzogtümern ist die Öffentlichkeit entsetzt darüber, dass der neue König Christian IX. am Vortag ein gemeinsames Staatsgrundgesetz für Dänemark und Schleswig signiert hat. In Kopenhagen hingegen mault die Presse sogar noch, der Monarch sei zu zögerlich gewesen. „Die Unterzeichnung wirkt wie ein Donnerschlag“, orakelt der holsteinische „Altonaer Merkur“. „Man hätte aus der Bedenkzeit, die der König sich tags zuvor ausbedungen hatte, gewiss mit Recht gefolgert, dass er Zeit gewinnen wolle, um ein anderes Ministerium zu bilden und sich gegen etwaige illoyale Ausbrüche des Kopenhagener Volkswillens sicherzustellen.“ Dagegen meint das Kopenhagener „Dagbladet“: „In gewissem Sinne“ hätten „der Aufschub und die Spannung der Wartezeit die Freude über die Unterschrift vergrößert“. Andererseits lasse sich nicht leugnen: „Der Eindruck wäre ungeteilter gewesen, wenn die Tage des Zweifels der Nation erspart geblieben wären.“ Der preußische Gesandte in Kopenhagen, Hermann von Balan, mahnt Regierungschef Carl Christian Hall: Berlin betrachte die Unterzeichnung als „wesentliche Erschwerung der Situation“ in Schleswig und Holstein.

Konkurrenz für den König

20. NOVEMBER 1863: Gegen die Übernahme der Herzogswürde in Schleswig und Holstein durch den neuen dänischen König Christian IX. formiert sich Widerstand. Die Einheimischen wollen nicht akzeptieren, dass ihnen der Regent von den europäischen Großmächten, darunter Preußen und Österreich, durch eine Bestimmung im Londoner Protokoll von 1852 aufgezwungen worden ist. Sie möchten sich von der dänischen Monarchie lösen. In holsteinischen Städten kommt es zu Maueranschlägen, in denen sich ein anderer zum Landesherrn über Schleswig-Holstein erklärt. Der Konkurrent ist der Erbprinz Friedrich von Augustenburg. Er stammt aus einer Nebenlinie des ausgestorbenen, früher regierenden Hauses Oldenburg. In der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848 bis 1851 gegen Dänemark haben die Augustenburger an führender Stelle mitgewirkt. Eigentlich hat Friedrichs Vater Christian August 1852 gegen eine Abfindung den Verzicht auf jegliche Erbansprüche seiner Familie auf die Herzogswürde erklärt. Nach der Wiederherstellung der dänischen Herrschaft über die Herzogtümer hatten die Augustenburger in die Niederlausitz emigrieren müssen. Große politische Umwälzungen erahnend, wittert Friedrich nun die Chance zur Rückkehr. Er sieht sich durch die Abmachung seines Vaters nicht gebunden. Die holsteinische Ständeversammlung möchte die Erbfolgefrage denn auch im Sinne Friedrichs in die Hand nehmen. Eine Zusammenkunft dieses Parlaments in Kiel scheitert jedoch an einem Verbot durch die nach wie vor dänisch gesteuerte Polizeibehörde.

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