Geschichte
Diese Einführung behandelt die Periode von den ersten literarischen Reformbestrebungen um 1600 bis zum Durchbruch des aufklärerischen Denkens in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Es ist eine Epoche der konfessionellen Antagonismen, tiefgreifender politischer Veränderungen, verheerender Kriege und ökonomischer Krisen, eine Zeit der durch Seuchen, Katastrophen und Hexenwahn ausgelösten bzw. gesteigerten existentiellen Angst und der Erwartung der Endzeit, geprägt durch die Spannung zwischen den religiösen Vanitasvorstellungen und der Bewährung in der realen Welt, zwischen überlieferter christlicher Weltauffassung und modernen, von Humanismus und Renaissance zur Aufklärung tradierten Denkformen und neuen naturwissenschaftlichen Ansätzen.
Den äußeren Rahmen bildet dabei ein kaum definierbares politisches und verfassungsrechtliches System, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das der Staatsrechtler Samuel Pufendorf 1667 in einem häufig zitierten Wort als »einen irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper« bezeichnete. Dieses »Mittelding« zwischen beschränkter Monarchie und Staatenföderation war ein historisch gewachsenes Gebilde aus einigen hundert weltlichen und geistlichen Territorien, dessen Verfassung letztlich noch auf dem mittelalterlichen Lehnswesen beruhte, während sich in einzelnen Territorien schon Tendenzen zu modernen staatlichen Organisationsformen bemerkbar machten.
Der Prozess der Schwächung der kaiserlichen Zentralgewalt hatte bereits im Mittelalter eingesetzt. Er erhielt eine neue Dynamik durch die Erfolge der reformatorischen Bewegungen, die im Augsburger Religionsfrieden von 1555 bestätigt wurden und eine weitere Stärkung der Reichsstände und damit vor allem der Territorialfürsten bedeuteten. Der Religionsfrieden gewährte den Landesherren Religionsfreiheit und das ius reformandi, d. h. das Recht, in ihren Ländern allein über Religionsangelegenheiten zu entscheiden. Zugleich nutzten die größeren Territorien die Möglichkeit, sich selbständig weiterzuentwickeln und ihre politischen Spielräume zu erweitern.
Das vorläufige Ende der Kämpfe der Reformationszeit konnte die Konfessionalisierung der Politik der folgenden Jahrzehnte nicht verhindern. Zahlreiche Streitpunkte blieben ungelöst. Das galt nicht zuletzt im Hinblick auf das ius reformandi, das etwa bei Reichsstädten mit einer konfessionell gemischten Bevölkerung Konflikte innerhalb der Stadt und mit der sie umgebenden Territorialherrschaft geradezu herausforderte. Außerdem ergab sich künftiger Konfliktstoff auch daraus, dass die Zwinglianer, Calvinisten und Täufer vom Frieden ausgeschlossen blieben und ohnehin keine der Parteien bereit war, die andere in ihrem Besitzstand endgültig anzuerkennen. Luthertum und Calvinismus betrieben ihre weitere Expansion, wobei sich gerade die calvinistischen Territorien in der Folgezeit als Alternative zum Machtanspruch des Hauses Habsburg in Position brachten. Die katholische Kirche wiederum organisierte auf der Grundlage der 1564 vom Papst bestätigten Beschlüsse des Konzils von Trient die Politik der Rückgewinnung des verlorenen Bodens (›Gegenreformation‹ bzw. ›katholische Reform‹). Politik und Religion, politische bzw. dynastische und konfessionelle Interessen waren in diesem Prozess – auch über die Grenzen des Reichs hinaus – untrennbar miteinander verbunden.
Die durch den jeweiligen Ausschließlichkeitsanspruch der Konfessionen verschärften religiösen Auseinandersetzungen erreichten zu Anfang des 17. Jahrhunderts einen neuen Höhepunkt. Nach der Besetzung der mehrheitlich protestantischen Reichsstadt Donauwörth durch Truppen des bayerischen Herzogs Maximilian kam es zu einer formellen Blockbildung: 1608 schlossen sich lutherische und calvinistische Territorien und Reichsstädte zu einem Militärbündnis (›Union‹) zusammen, die katholische Seite reagierte 1609 mit der Gründung der ›Heiligen Liga‹, die ebenfalls ein Heer aufstellte. Die führende Rolle in der protestantischen Union übernahm die Kurpfalz, das erste Territorium des Reiches, in dem der Calvinismus eingeführt worden war (Heidelberger Katechismus 1563) und das enge Beziehungen zu den Protestanten in den Niederlanden, England, Frankreich und Böhmen unterhielt. Treibende Kraft in der katholischen Liga, der fast alle katholischen Reichsstände beitraten, war Bayern. Österreich beteiligte sich nicht an dem Bündnis, da es mit inneren konfessionellen Konflikten zu kämpfen hatte und in den Erblanden, aber auch in Böhmen und Schlesien den protestantischen Ständen mit Zugeständnissen entgegenkommen musste.
Zwar konnte eine militärische Auseinandersetzung zunächst vermieden werden – man schloss 1610 einen Vergleich –, doch mit dem Aufstand des protestantischen böhmischen Adels gegen die katholische habsburgische Landesherrschaft (›Prager Fenstersturz‹ 1618), dem Herrschaftsantritt Kaiser Ferdinands II. 1619 und der Wahl des calvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum böhmischen König im selben Jahr eskalierten die Konflikte zum ›großen teutschen Krieg‹, einem verheerenden deutschen und europäischen Krieg, in dem konfessionelle und machtpolitische Gesichtspunkte einander bedingten.
Als europäischer Konflikt gehört der Dreißigjährige Krieg zusammen mit den weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts in den Kontext der Kämpfe um die Vorherrschaft in Europa, wobei auch konfessionelle Gesichtspunkte je nach Konstellation machtpolitischen Interessen weichen mussten. Es war letztlich ein Kampf zwischen Habsburg und Bourbon, in dem die französische Seite zunächst in der Defensive stand, bedroht durch die Einkreisungspolitik der habsburgischen Mächte Österreich und Spanien, die sich von den Pyrenäen über das vorderösterreichische Elsass und die besetzte Pfalz bis zu den Spanischen Niederlanden Frankreich entgegenstellten. Es gelang jedoch der französischen Politik, zusammen mit den Schweden, durch die Unterstützung der protestantischen deutschen Territorien die Umklammerung zu durchbrechen. Mit dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648 und der Schwächung Spaniens im Pyrenäenfrieden von 1659 hatte sich Frankreich als führende europäische Macht etabliert. Ludwig XIV. nutzte in den folgenden Jahrzehnten den neugewonnenen und durch das Wiederaufleben der Türkenkriege – Belagerung Wiens 1683 – noch vergrößerten Spielraum für eine aggressive Expansionspolitik, wieder mit verheerenden Folgen für das Reich.
Im Rahmen des Deutschen Reichs war der Dreißigjährige Krieg ein Kampf um die Vorherrschaft zwischen Kaiser und Reichsständen, der aus den Unklarheiten der verfassungsrechtlichen Situation resultierte. Während es den Ständen darum ging, ihre seit dem Mittelalter erworbenen Rechte weiter auszubauen, versuchte Kaiser Ferdinand II. die zentrifugalen Tendenzen mit aller Macht aufzuhalten bzw. rückgängig zu machen. Nach anfänglichen Erfolgen scheiterte diese Politik am Widerstand der Stände und dem Eingreifen Schwedens in den Krieg. Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens brachten dann die Auseinandersetzungen, soweit sie die Struktur des Reichs betrafen, zum Abschluss. Sie bedeuteten zugleich das Ende der absolutistischen Bestrebungen auf Reichsebene.
Der Friedensvertrag bestätigte die Rechte der Stände, ohne die in Reichssachen künftig kaum etwas geschehen konnte. Sie selbst erhielten jedoch Bündnisfreiheit. Damit war der Kampf zwischen Kaiser und Reichsständen zugunsten der Stände entschieden. Von einer Geschichte des Reichs lässt sich von nun an nur noch mit Einschränkungen sprechen; an ihre Stelle tritt die Geschichte der großen Territorien. In diesem Rahmen stiegen dann Österreich und Brandenburg-Preußen im Verlauf der weiteren europäischen Kriege des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zu europäischen Großmächten auf.
Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein verwüstetes Land. Allerdings betraf er die verschiedenen Landschaften in unterschiedlicher Härte und Dauer. Die befestigten Städte konnten sich in der Regel vor direkten Kriegseinwirkungen schützen – zu den Ausnahmen gehörte die vielbeklagte Eroberung und Zerstörung Magdeburgs durch die kaiserlichen Truppen 1631 –, während die Menschen auf dem Land den Plünderungen und dem ruinösen System der Selbstversorgung der Heere schutzlos ausgeliefert waren. Geregeltes Wirtschaften war vor allem in den letzten Jahren des Krieges kaum noch möglich.
Die Bevölkerung im Reich ging, so die groben Schätzungen, von etwa 15 bis 17 Millionen vor dem Krieg auf 10 bis 11 Millionen im Jahr 1648 zurück. Dabei waren die unmittelbaren Kriegsverluste – Gefallene in Schlachten, Opfer in der Zivilbevölkerung durch Übergriffe der Truppen – nicht der entscheidende Faktor. Es war vor allem die Pest, die die Bevölkerung dezimierte; allerdings verstärkten die Kriegsbedingungen ihre Auswirkungen entscheidend. Große Städte wie etwa Hamburg oder Straßburg, beide neutral, waren von Flüchtlingen aus dem Umland überfüllt und boten einen idealen Nährboden für Seuchen.
Es dauerte bis ins 18. Jahrhundert hinein, ehe die Bevölkerungsverluste ausgeglichen und der Stand der Vorkriegszeit wieder erreicht wurde. Auch die wirtschaftliche Erholung ging nur langsam vonstatten,...