Bilingual education is a simple label for a complex phenomenon[41]
Das komplexe Phänomen des BU soll in den folgenden Kapiteln näher betrachtet werden. In diesem Kapitel wird zunächst dargestellt, was im Allgemeinen unter Bilingualismus verstanden wird, bevor die Konzeption der bilingualen Erziehung und des BU genauer erklärt werden. Daran anschließend werden drei verschiedene Konzepte des BU vorgestellt. Diese drei Konzepte sind der Immersionsunterricht nach dem kanadischen Vorbild, der deutsche biliSFU sowie das österreichische Konzept der Fremdsprache als Arbeitssprache. Diese Darstellungen bilden die Grundlage für die weitere Diskussion des biliSFU im Rahmen dieser Arbeit.
3.1 Bilingualismus und Bilingualer Unterricht
Der Begriff des Bilingualismus wird in unterschiedlichen Kontexten gebraucht und hat unterschiedliche Bedeutungsspielräume.
Im Allgemeinen wird unter Bilingualismus oder Zweisprachigkeit die Tatsache verstanden, dass ein Mensch dazu fähig ist, mehr als eine Sprache zu verwenden und diese in kommunikativen Situationen beherrscht.[42] Der Grad der Beherrschung einer Sprache kann hierbei stark variieren und reicht von maximal bilingualism, was als nahezu perfekte Beherrschung zweier oder mehrer Sprachen verstanden wird, bis zu minimal bilingualism, was lediglich die Beherrschung von wenigen Wörtern/ Sätzen in einer zweiten Sprache bezeichnet.[43]
Zudem bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen individuellem und sozialem Bilingualismus. Individueller Bilingualismus, der auch als bilinguality, bezeichnet wird, wird von Blanc und Hamers als „state of an individual who has access to more than one code as a means of social communication“[44] beschrieben. Den sozialen Bilingualismus beschreiben sie als “the state of a linguistic community in which two languages are in contact with the result that two codes can be used in the same interaction”[45].
Die Sprachen eines bilingualen Individuums unterscheiden sich besonders im sozialen Bilingualismus i.d.R. dadurch, dass sie in unterschiedlichen Domänen eingesetzt werden. Als Domänen werden hierbei soziale Bereiche wie z.B. Familie, Freunde, Schule oder Beruf usw. bezeichnet.
Der individuelle Bilingualismus ergibt sich in vielen Ländern wie z.B. in Afrika dadurch, dass dort eine Vielzahl von Sprachen nebeneinander existiert.
Diese werden zur Kommunikation zwischen ethnischen Gruppen genutzt werden. Zudem existieren in diesen Ländern oft so genannte Amtssprachen, die in Politik, Erziehung usw. eingesetzt werden. Es lässt sich also generell sagen, dass diese Form des Bilingualismus oft dort auftaucht, wo „innerhalb einer Einheit sprachliche Minderheiten leben“[46]. Eine weitere mögliche Situation, in der sich Bilingualismus ausbildet, ist die der mehrsprachigen Familien, in denen die Eltern unterschiedliche Muttersprachen haben und den Kindern beide Sprachen vermitteln. Diese Form des Bilingualismus wird i.d.R. als natürlicher Bilingualismus bezeichnet, und wird so von der in Rahmen der Schulbildung erworbenen Zwei- / Mehrsprachigkeit abgegrenzt.[47]
Von diesem Verständnis des Bilingualismus ist der BU zu unterscheiden. Als BU wird eine Unterrichtsorganisation bezeichnet, in der mehr als eine Sprache als Unterrichtsmedium eingesetzt wird.[48] Dies kann zum Beispiel eine Minderheitssprache, wie z.B. Griechisch in Deutschland, oder eine Fremdsprache wie Englisch, Französisch oder Spanisch sein. Unter BU / bilingualer Erziehung wird in Amerika folgendes verstanden:
Bilinguale Erziehung […] ist der Gebrauch zweier Sprachen von denen eine English ist, für dieselbe Schülerpopulation in einem durchorganisierten Programm, das den ganzen Lehrplan oder einen Teil davon umfasst, einschließlich des Unterrichtes in Geschichte und Kultur der Herkunftssprache. [49]
Der BU wird in unterschiedlichen Kulturkreisen individuell ausgestaltet. Drei Versionen der Ausgestaltung werden in diesem Kapitel (siehe 3.2.) noch ausführlicher vorgestellt.
Zudem wird der BU in unterschiedlichen Modellen mit verschiedenartigen Zielsetzungen durchgeführt. Hier sind zu nennen die Bereicherungsprogramme, die Übergangsprogramme sowie die Spracherhaltungsprogramme. Bei den Bereicherungsprogrammen handelt es sich i.d.R. um ein freiwilliges Zusatzangebot, das sich an Kinder aus gehobenen Schichten richtet. Die Zielsprache wird dabei als Unterrichtssprache genutzt, was zu einem intensiveren und effektiveren Erlernen der Sprache führt. Als Beispiele der Bereicherungsprogramme können die Verwendung des Französischen in Kanada oder die Verwendung des Deutschen an bilingualen Schulen in Ungarn genannt werden.[50]
Die Übergangsprogramme, die in den USA weit verbreitet sind, sind auch unter dem Begriff der transitional bilingual education bekannt. Diese Form des BU richtet sich an Kinder, die Minderheiten angehören.
Im Rahmen des Unterrichtes wird zu Beginn der Schullaufbahn in einem bestimmten Ausmaß die Herkunftssprache eingesetzt. Der Rest des Unterrichtes wird in der Mehrheits- / Zweitsprache erteilt. Dieses Konzept wandelt sich im Laufe der Zeit so, dass die Kinder am Ende in der Lage sind, am Regelunterricht in der Mehrheitssprache teilzunehmen. Als Ziel dieses Ansatzes kann die sprachliche Assimilation der Minderheiten an die Mehrheit gesehen werden.[51]
Als drittes Modell sind hier die Spracherhaltungsprogramme zu nennen. Im Rahmen dieses Ansatzes werden sowohl Kinder aus Minderheiten als auch Kinder die dominanten Sprachgruppen angehören unterrichtet. Das Ziel dieser Programme liegt in der Wiederbelebung und Erhaltung von Kulturen von ethnischen Zuwanderungsminderheiten sowie von bedrohten Minderheitssprachen. Die Durchführung gestaltet sich folgendermaßen: Bereits im Bereich der Elementarbildung werden Klassen eingeführt, in denen die Mehrheitssprache zu Beginn als untergeordnet angesehen wird. Hierdurch wird der Minderheitensprache die Möglichkeit zu geben, das Mittel zur gesellschaftlichen Sozialisation zu bilden.[52] Ein gemäßigtes Beispiel für diese Angebote findet sich in Neuseeland, wo an einigen Schulen der Anfangsunterricht in Maori stattfindet. Diese Angebot wurde ins Leben gerufen um die Sprach und die Kultur der Ureinwohner Neuseeland zu erhalten und weiterzugeben.[53]
Die Angebote des BU, die in dieser Arbeit näher betrachtet werden, sind nach diesen Definitionen den Bereicherungsprogrammen zuzuordnen. In allen drei Programmen geht es weder darum, eine Minderheitssprache zu erhalten, noch darum einer sprachlichen Minderheit das erlernen der Mehrheitssprache zu ermöglichen, sonder unter anderem darum, die Zielsprache effektiver zu erlernen.
Vom BU zu trennen ist die so genannte bilinguale Methode, die eine besondere Form des FSU darstellt. Hierbei wird der Muttersprache beim Erlernen der Fremdsprache eine hohe Bedeutung zugemessen, so dass diese bei der Präsentation des Materials stets zusätzlich zur Zielsprache eingesetzt wird.[54] Diese Methode wird im weiteren Verlauf der Arbeit keine Rolle spielen, sei jedoch aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt.
3.2 Konzepte für Bilingualen Unterricht
There is no blueprint for bilingual education. No model however is successful for export.[55]
Im Folgenden werden drei Konzepte des BU näher beschrieben. Hierbei handelt es sich um das Immersionskonzept aus Kanada, den biliSFU aus Deutschland sowie das Konzept ‚Englisch als Arbeitssprache’ (EAA) aus Österreich. Dies stellt nur eine Auswahl aus dem großen Repertoire an Möglichkeiten zur Gestaltung des BU dar. Es gibt weltweit eine große Anzahl von Konzepten die sich, wie oben bereits dargestellt wurde, durch ihre Zielsetzung (assimilation, maintenance, enrichment) sowie durch ihre Zielgruppen (nationale, internationale oder migrierte Minderheiten oder dominante Mehrheiten)[56] unterscheiden.
Nach Baker[57] werden 10 Formen der bilingualen Erziehung unterschieden, in die sich auch die nachfolgend dargestellten Konzepte einordnen lassen. Die Klassifizierung nach Baker unterscheidet grundlegend zwischen den „weak and strong forms of education for bilingualism“[58]. Alle drei nachfolgend dargestellten Konzepte würden nach dieser Klassifizierung zu den strong forms gehören. Wobei die Konzepte des biliSFU und EAA unter die Kategorie mainstream bilingualism fallen würden, während das kanadische Konzept als immersion bezeichnet werden würde. Der Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien liegt darin, dass die Sprache bei den europäischen Konzepten im Gegensatz zu dem kanadischen Ansatz zu Beginn als eigenständiges Fach unterrichtet wird, bevor sie zum Medium für den Sachunterricht wird. Zudem wird i.d.R. der Sprachunterricht...