1 Berechnungsgrundlagen für Brückenbauwerke
1.1 Bauten im Bereich öffentlicher Nutzung
1.1.1 Genehmigungspflicht und Zulassungsverfahren
Baurecht und öffentliche Sicherheit
Im allgemeinen Baurecht obliegt den Ländern die Ausgestaltung des formellen Baurechtes und des Bauordnungsrechtes in Gestalt von Baugenehmigungen; für die Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes dient es nur als Anhalt. In den einzelnen Landesbauordnungen und nachgeordneten Verordnungen sind neben den Regelungen zu den allgemeinen baulichen Anforderungen auch die Pflichten und Verantwortungen der Bauaufsichtsbehörden und der am Bau Beteiligten wie Bauherr, Entwurfsverfasser, Bauleiter und Unternehmer und die Arten der Genehmigungsverfahren beschrieben.
Über Artikel 73 Nr. 6 a GG ist für den Bund die Option für ein Bauordnungsrecht des Bundes eingeräumt. Danach wurde im Eisenbahnneuregelungsgesetz nach Artikel 5, Allgemeines Eisenbahngesetz, § 4, dem Bund, vertreten durch das Eisenbahn-Bundesamt, die Ausübung der Bauaufsicht über die Eisenbahnbetriebsanlagen übertragen. Damit ist das Eisenbahn-Bundesamt Bauaufsichtsbehörde für alle Anlagen der Eisenbahnen des Bundes.
Jeder Bauherr oder Unternehmer darf einen Bau, für den eine bauaufsichtliche Genehmigung erforderlich ist, nur nach den von der Bauaufsichtsbehörde genehmigten Bauplänen ausführen. Die Genehmigungspflicht erwächst vorrangig aus den Anforderungen, die an die Standsicherheit eines Bauwerkes zu stellen sind. Nach den Bauordnungen der Länder müssen bauliche Anlagen hinsichtlich dieser Anforderungen so angeordnet, errichtet oder instandgehalten werden, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben oder Gesundheit, nicht gefährdet werden.
Um Bauten der öffentlichen Auftraggeber ausführen zu können, muss das Baurecht geschaffen werden, dieses tun zu dürfen. Dies geschieht durch die öffentliche Auslegung der Baupläne mit anschließender Feststellung durch die zuständigen Landesbehörden und das Eisenbahn-Bundesamt.
Anerkannte Regeln der Technik
Nach den Landesbauordnungen und der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO, § 2, Abs. 1) sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Als anerkannte Regeln der Technik sind solche Regeln anzusehen, die sich aus der Summe aller Erfahrungen der Bautechnik, insbesondere aus Normen und gesetzlichen Vorschriften, ergeben haben, sich in der Praxis bewährt haben und von deren Richtigkeit die Fachleute überzeugt sind. Es genügt nach dieser Definition nicht, dass eine Regel allein im Fachschrifttum vertreten oder von der Wissenschaft anerkannt wird; die Regel muss darüber hinaus auch von den am Bau Beteiligten anerkannt und angewendet werden. Als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten in erster Linie die von den obersten Bauaufsichtsbehörden eingeführten Technischen Baubestimmungen. Hierzu gehören die von den Arbeitsausschüssen des Normenausschusses Bauwesen (NABau) im Deutschen Institut für Normung (DIN) erarbeiteten Vorschriften, die sogenannten DIN-Normen, mit den von den obersten Bauaufsichtsbehörden eingeführten ergänzenden Bestimmungen.
Technische Baubestimmungen sind keine Rechtsvorschriften und werden es auch nicht durch ihre bauaufsichtliche Einführung. Nach ihrer Einführung besteht jedoch die widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass sie zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören. Das bedeutet, dass derjenige, der bauaufsichtlich eingeführte Technische Baubestimmungen beachtet, keinen Nachweis darüber zu erbringen hat, dass er nach allgemein anerkannten Regeln verfährt.
Anwendung neuer Bauprodukte
Zulassungen
Die ständig variierenden Aufgabenstellungen im Brückenbau, hervorgerufen durch kurze Bauzeiten, erfordern die Anwendung neuer Bauprodukte und Bauarten. Die Entwicklungszeiträume dieser neuen Bauprodukte sind im Allgemeinen wegen des wirtschaftlichen Drucks so kurz, dass nicht gewartet werden kann, bis die neuen Erkenntnisse Eingang in die Normen oder sonstigen technischen Regelwerke gefunden haben. Es wird eine besondere Zulassung erforderlich. Neue Baustoffe, Bauteile oder Bauarten dürfen nur verwendet werden, wenn ihre Brauchbarkeit nachgewiesen werden kann durch
– eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung,
– ein Prüfzeichen,
– eine Zustimmung der obersten Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall,
– eine Typzulassung.
Ein Nachweis der Brauchbarkeit ist nicht erforderlich, wenn die neuen Baustoffe, Bauteile oder Bauarten den bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmungen entsprechen.
Allgemeine / europäische bauaufsichtliche Zulassung
Nach den Regelungen des europäischen Binnenmarktes wird durch das Bauproduktengesetz das „Inverkehrbringen“ europäisch gehandelter Bauprodukte geregelt. Die Anwendung von Bauprodukten im Bauwesen regeln die Landesbauordnungen der Länder, wobei nach allgemein gültigen und eisenbahnspezifischen Produkten unterschieden werden muss. Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für erstere wird einheitlich durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin erteilt. Die Zulassungsbescheide gelten im ganzen Bundesgebiet. Sie sind nicht auf einzelne Bauvorhaben beschränkt, werden aber unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs nur für eine bestimmte Frist von höchstens fünf Jahren erteilt. Einem Standsicherheitsnachweis für ein Bauvorhaben, bei dem neue Baustoffe, Bauarten oder Bauteile verwendet werden sollen, sind dann die besonderen Bestimmungen des Zulassungsbescheides zugrunde zu legen, in denen die Auflagen des Institutes für Bautechnik oder anderer auf europäischer Ebene zugelassener Institutionen enthalten sind.
Im Bereich der eisenbahnspezifischen Bauprodukte, wie z. B. Oberbaustoffe (Schwellen, Schienen und Befestigungsmittel) und Oberbauarten (Schotteroberbau, Feste Fahrbahn) erteilt nur das Eisenbahn-Bundesamt die erforderlichen Zulassungen, soweit es sich um den nationalen Anwendungsbereich handelt. Bezüglich europäischer Technischer Zulassungen – auch für Verkehrsbauten – gilt, dass diese vom DIBt erteilt werden, wobei dann das Eisenbahn-Bundesamt die eisenbahnspezifischen Zulassungen vorbereitet.
Mit der Erteilung vorstehend beschriebener Zulassungen ist keine Aussage über die Dauerhaftigkeit und Bewährung des Zulassungsgegenstandes verbunden, da längere Erfahrungen noch nicht vorliegen. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Bauausführungen nach allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen und solchen nach eingeführten technischen Baubestimmungen. Die Verwendung von neuen zugelassenen Baustoffen, Bauarten und Bauteilen ist mit einem größeren Risiko verbunden.
Prüfzeichen
Die oberste Bauaufsichtsbehörde kann durch eine Rechtsverordnung vorschreiben, dass bestimmte neue Bauprodukte, die werksmäßig hergestellt werden, eines Prüfzeichens bedürfen. Es handelt sich hierbei um Produkte, bei denen wegen ihrer Eigenart oder Zweckbestimmung die Erfüllung der bauaufsichtlichen Anforderungen von ihrer einwandfreien Beschaffenheit abhängt.
Auf dem Gebiet der Standsicherheit sind unmittelbar nur die Prüfzeichen für bestimmte Gerüstbauteile von Bedeutung. Mittelbar werden Standsicherheitsfragen noch durch Prüfzeichen für Betonzusätze berührt.
Zustimmung im Einzelfall
Wird der Nachweis der Brauchbarkeit weder durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung noch durch ein Prüfzeichen geführt, so bedarf die Anwendung neuer Bauprodukte der Zustimmung im Einzelfall durch die obersten Bauaufsichtsbehörden oder das Eisenbahn-Bundesamt. Diese Zustimmung ist für Sonderfälle, insbesondere im Erprobungsstadium neuer Baustoffe, Bauarten oder Bauteile, gedacht. Sie wird nach den für allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen geltenden Grundsätzen erteilt und gilt nur für eine einzelne Baugenehmigung.
Typzulassung
Für bauliche Anlagen des Eisenbahnbaus, die in derselben Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden sollen, erteilt das Eisenbahn-Bundesamt eine Typzulassung. Wenn diese Anlagen in unterschiedlicher Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden sollen, im System und in den Bauteilen aber festgelegt sind, legt das Eisenbahn-Bundesamt die zulässige Veränderbarkeit fest.
1.1.2 Bauten im Bereich der Straßenbauverwaltung des Bundes und der Länder
Bauaufgaben im Zuge von Bundesfernstraßen werden nach Artikel 85 GG von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt, da der Bund keine für die Straßenbauverwaltung nachgeordnete Verwaltungsstruktur besitzt. Das Wort „Verwalten“ steht hierbei für eine Vielzahl von Tätigkeiten wie Planen, Rechtfertigen der Planung, planrechtliches Durchsetzen, Vorbereiten des Baus, Bauen, Abrechnen, Betreiben und Unter- / Erhalten. Der Bund, vertreten durch die Abteilung Straßenbau des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), übt die Rechts- und Fachaufsicht über...