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Deutsche Christen in Russland und in der Sowjetunion: Grundzüge des historischen und theologischen Hintergrunds russlanddeutscher Freikirchen

AutorHeinrich Löwen
Verlagdisserta Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783954255610
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
In der Zeit von 1950 bis 2014 sind mehr als 4,5 Millionen Aussiedler nach Deutschland eingewandert, von denen etwa 2,3 Millionen aus der ehemaligen Sowjetunion stammen. Etwa 500.000 Russlanddeutsche, die in den letzten dreißig Jahren nach Deutschland umgesiedelt sind, zählen sich zu den Baptisten, Mennoniten oder anderen freikirchlichen Gruppen. Sie stellen die größte freikirchliche Gruppierung des Landes dar. Wenn man das Wachstum der Zahlen der Gemeindemitglieder und Gottesdienstbesucher in den russlanddeutschen Gemeinden untersucht, so stellt man fest, dass sie zu den am schnellsten wachsenden und größten Gemeinden des Landes gerechnet werden können. Sie tragen dadurch zur Veränderung der freikirchlichen Landschaft in Deutschland bei. Wesentliche Ursachen für die Überlebensfähigkeit dieser Gemeinden trotz der starken Verfolgungen in Russland und in der ehemaligen Sowjetunion, aber auch für das schnelle Wachstum in Deutschland können auf ihren historisch-kulturellen und theologischen Hintergrund zurückgeführt werden. Das Ziel dieser Veröffentlichung ist daher, die Kraftquellen dieser Gemeinden anhand des historisch-kulturellen und theologischen Hintergrunds aufzuspüren.

Dr. Heinrich Löwen wurde 1960 in Asien geboren, ist im Baltikum aufgewachsen und hat in Deutschland, USA, Kanada und Belgien studiert und als Theologe gewirkt. Sein Studium der Evangelischen Theologie schloss er mit einem Diplom in Deutschland, einem Master in den USA und einem Doktor der Theologie (Ph.D.) in Belgien ab. Zuletzt lehrte er als Professor in Kanada und Belgien. Der Schwerpunkt seiner Forschung und publizistischen Tätigkeit gilt der Geschichte, Religion und Kultur russlanddeutscher Christen.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.4, Der deutsche Baptismus: Aufgrund des Wirkens baptistischer Missionare, die von Oncken in das russische Reich geschickt wurden, entstanden seit der Mitte des letzten Jahrhunderts unter katholischen, reformierten und lutherischen Kolonisten baptistische Gemeinden. Interessanterweise waren es die erweckten Mennoniten, die zuerst die baptistische Taufpraxis zu den deutschen Kolonisten brachten. Die erste Glaubenstaufe unter erweckten Lutheranern wurde durch mennonitische Prediger vollzogen. Allgemein herrschte anfänglich eine sehr rege und enge Beziehung zwischen den Mennonitenbrüdern und den deutschen Baptisten. Mit der Zeit entstand jedoch eine Spannung zwischen diesen zwei Gruppen, weil die Mennonitenbrüder nicht bereit waren, mennonitische Prinzipien wie die Wehrlosigkeit, Ablehnung des Eides und die Fußwaschung zugunsten der Baptisten aufzugeben. Die eigentliche Trennung führte dann das Privilegiumsrecht der Wehrlosigkeit herbei. Während der größte Teil der Mennonitenbrüder an der Wehrlosigkeit festhalten wollte, sahen die Baptisten sie nicht biblisch begründet. Johann Pritzkau, der 'Vater' und Geschichtsschreiber des deutschen Baptismus in Russland, schreibt hierzu: 'Wäre nicht das Privilegium der Befreiung vom Militärdienst mit der Bedingung verknüpft, keine anderen in ihre Gemeinschaft aufnehmen zu dürfen als ihre eigene Nachkommenschaft, so wären die Baptisten mit der Mennoniten-Brüdergemeinde noch heute eine Gemeinde.' Als 'Süd-Westrussische und Bulgarische Vereinigung' organisierten sich die deutschen Baptisten in Südrussland im Jahre 1874. Vertreter der Mennonitenbrüder waren bei dieser Gründung auch anwesend. Eine Vereinigung beider Gruppen fand jedoch erst nach den Wirren des zweiten Weltkrieges statt, als die deutschen Baptisten wie schon ein Teil der Mennonitenbrüder in den Reihen des 'Allunionsrates der Evangeliumschristen-Baptisten' ein neues geistliches Zuhause fanden. 3.5, Die Evangeliumschristen: Parallel zur Erweckungsbewegung unter deutschen Kolonisten erlebte ganz Russland ein geistliches Aufwachen. Als Wegbereiter dieser Erweckungsbewegung, die fast gleichzeitig in Petersburg, der Ukraine und im Kaukasus entstand, kann man die Verbreitung der Bibel in ganz Russland sehen. Mit Hilfe der Bibelgesellschaft, die im Jahre 1812 gegründet wurde, und der Verbreitung der Bibel durch eifrige Bibelkollporteure wurde der Boden für eine Erweckung in ganz Russland vorbereitet. Ab 1874 entstand aufgrund des Wirkens von Lord Radstock, der aus dem Kreis der 'Offenen Brüder' in England kam, in Petersburg unter den Aristokraten eine große Erweckung, die unter Iwan Stepanowitsch Prochanow eine feste Form annahm. Im Jahre 1909 wurde von Prochanow der 'Allrussische Bund der Evangeliumschristen' gegründet, der 1928 mehr als eine Million Mitglieder, etwa 1000 Gemeinden und mehr als 600 vollzeitige Missionare und Evangelisten zählte. 3.6, Der russische Baptismus: Aufgrund der Tätigkeit von erweckten Pietisten unter deutschen Kolonisten wurden auch russische Arbeiter und Bauern zum lebendigen Glauben geführt. Diese Erweckungsbewegung in der Ukraine, die sich mit der Zeit zum Baptismus entwickelte, wurde in der Anfangszeit als 'Stundismus' bezeichnet. 'Der Stundismus geht auf die Erbauungsstunden zurück, die protestantische Kolonisten aus Württemberg unter dem Pastor Bonekämper in der Kolonie Rohrbach bei Odessa seit 1824 einführten und die sich rasch in der ganzen Ukraine verbreitete.' Die Wurzeln des russischen Stundismus sind somit auch im deutschen Pietismus zu finden. Die Taufe des Jefim Cymbal, die vom erweckten Mennoniten Abraham Unger am 11. Juni 1869 vollzogen wurde, wird als Geburtsstunde des russischen Baptismus in der Ukraine gesehen. Die Geburtsstunde des russischen Baptismus im Kaukasus ist mit der Taufe von Nikita Woronin anzusetzen. Diese wurde vom deutschen Baptisten Martin Kalweit aus dem Baltikum am 18. August 1867 im Fluss Kura vollzogen. Im Jahre 1884 schlossen sich beide baptistische Gruppen zum 'Bund Russischer Baptistengemeinden' zusammen. Der Initiator und erster Vorsitzender des Bundes war der erweckte Mennonit Johann Wieler. Von Anfang an bestand bei den Evangeliumschristen und Baptisten der Wunsch, einen gemeinsamen Verband zu gründen. Immer wieder wurden seitens beider Gruppen Versuche in diese Richtung unternommen. Doch alle Bemühungen scheiterten an den verschiedenen theologischen Positionen. Die von den 'offenen Brüdern' geprägten Evangeliumschristen waren nicht bereit, die strenge baptistische Gemeindeauffassung zu akzeptieren. Erst im Jahre 1944 wurden auf die Initiative von Stalin hin beide Gruppen zum 'Allunionsrat der Evangeliumschristen-Baptisten' vereinigt. Im Jahre 1961 fand eine Teilung innerhalb des Bundes statt. Ein Teil der Gemeinden war nicht mehr bereit, ihr Gemeindeleben von der Regierung bestimmen und kontrollieren zu lassen. Im Jahre 1965 gründeten sie den 'Rat der Gemeinden der Evangeliumschristen-Baptisten' und gingen in den Untergrund. Es folgten Jahre der Verfolgung für diese Bewegung. Erst die Perestroika und Glasnost brachte wieder Freiheit für die 'Initiatiwniki', wie sie bezeichnet wurden. Viele Gemeindemitglieder und Leiter dieser Bewegung kamen aus den Kreisen der deutschen Baptisten und Mennonitenbrüder. Einer ihrer langjährigen Leiter, Georgi Wiens, ist ein Beispiel dafür; nach seiner Ausweisung aus der Sowjetunion repräsentierte er diese Gemeinderichtung im Westen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Deutsche Christen in Russland und in der Sowjetunion: Grundzüge des historischen und theologischen Hintergrunds russlanddeutscher Freikirchen1
Widmung3
Danksagung3
Vorwort5
Inhaltsverzeichnis9
Abbildungsverzeichnis11
Einleitung13
1 Allgemeiner Überblick: Russlanddeutsche in Deutschland15
1.1 Statistische Angaben zu den Aussiedlerzahlen15
1.2 Konfessionszugehörigkeit der Russlanddeutschen16
1.3 Überregionale Strukturen der russlanddeutschen Freikirchen19
1.3.1 Der mennonitische Flügel19
1.3.2 Der baptistische Flügel22
1.3.3 Der gemischte Flügel25
2 Die Geschichtsperioden27
2.1 Periode des Aufbaus (1763-1860/70)27
2.2 Periode des Höchststandes (1860/70-1914/1928)28
2.3 Periode der Auflösung (1914/1928-1941/45)29
2.4 Periode der Neuorientierung (1945-1970)32
2.5 Periode der Auswanderung (1970-1995)33
3 Die konfessionellen Gruppierungen36
3.1 Römisch-katholische Kirche37
3.2 Evangelische Gemeinden38
3.3 Die Mennoniten39
3.4 Der deutsche Baptismus42
3.5 Die Evangeliumschristen43
3.6 Der russische Baptismus43
4 Das pädagogische Kultursystem46
4.1 Die Familie46
4.2 Das Schulwesen53
5 Das Gemeindeleben nach dem zweiten Weltkrieg70
5.1 Die Frauen als Trägerinnen des Gemeindelebens70
5.2 Die Eingliederung in die neue Kirchenlandschaft72
5.3 Die Entstehung der Untergrundkirche75
6 Die theologischen Prinzipien80
6.1 Die Heilige Schrift als Autorität und Maßstab für Lehre und Leben80
6.2 Selbständigkeit der Ortsgemeinden83
6.3 Das allgemeine Priestertum aller Gläubigen85
6.4 Gewissensfreiheit88
6.5 Trennung von Kirche und Staat90
7 Das Gemeindeverständnis94
7.1 Das Wesen der Gemeinde95
7.2 Die Praxis des Gemeindelebens99
7.3 Heiligung und die Erhaltung der „reinen“ Gemeinde114
7.4 Konsequenzen für die Gemeindepädagogik123
7.5 Sozialpsychologische Funktion der Gemeinde127
8 Missionarische Bemühungen und kirchliche Aktivitäten in Russland und in der ehemaligen Sowjetunion135
8.1 Evangelistisch-missionarische Engagement135
8.1.1 Die Anfänge des evangelistisch-missionarischen Bemühungen135
8.1.2 Die Märtyrermission der Freikirchen139
8.2 Weiterführung im Glauben von Neubekehrten147
8.3 Zurüstung von Gemeindemitgliedern151
8.4 Ausbildung von Mitarbeitern und die Weiterbildung von Leitern156
8.5 Die Publikationstätigkeit166
Literaturverzeichnis177

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