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Die Außenseiterproblematik in Max Frischs 'Andorra'

Ein Unterrichtsentwurf für die Jahrgangsstufe 9

AutorAnonym
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783656419549
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,7, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit verfasst die Autorin im Rahmen des ersten Staatsexamens, im Modul Fachdidaktik Deutsch, zu dem Thema Max Frischs Andorra, im Deutschunterricht der Sekundarstufe I, unter Berücksichtigung der Außenseiterproblematik. Die Schwerpunktsetzung ergibt sich aus dem Aktualitätsbezug des Dramas und dem Interesse der Autorin an der Thematik. Die im Stück behandelten Problemfelder, Außenseiter-sein, Ausgrenzung und Vorurteile spiegeln Konflikte der allgegenwärtigen Lebenswelt wider und sind nah an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler verortet. Max Frisch beschäftigt sich in Andorra mit der Wirkung und den Folgen von Bildnissen, die zu Vorurteilen heranwachsen und somit dem Protagonisten Andri verwehren, seine Identität zu finden. Ein Zitat aus Frischs Tagebuch verweist auf einen zentralen Aspekt des Stücks und verdeutlicht seine Einstellung zur Thematik. 'Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben der Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer-.' Andri ist nicht nur das Opfer einer fiktiven andorranischen Gesellschaft, sondern repräsentiert vielmehr das Opfer eines jeden, der sein Gegenüber in ein Bildnis presst und diesem somit seine Identität verwehrt. Im Sinne Frischs impliziert jedes, sei es auch ein noch so gut gemeintes Bildnis, die Fixierung von außen. Frisch analysiert mit Andorra das Verhalten von Gruppen und prangert es an. Mit seiner Darstellung möchte er das Publikum zu einer Stellungnahme und Kritik bewegen. Das Andorra des Max Frisch betrifft uns alle.

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Leseprobe

1. Perspektive - Einleitung


 

Die vorliegende Arbeit verfasst die Autorin im Rahmen des ersten Staatsexamens, im Modul Fachdidaktik Deutsch, zu dem Thema Max Frischs Andorra, im Deutschunterricht der Sekundarstufe I, unter Berücksichtigung der Außenseiterproblematik. Die Schwerpunktsetzung ergibt sich aus dem Aktualitätsbezug des Dramas und dem Interesse der Autorin an der Thematik. Die im Stück behandelten Problemfelder, Außenseitersein, Ausgrenzung und Vorurteile spiegeln Konflikte der allgegenwärtigen Lebenswelt wider und sind nah an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler[1] verortet. Max Frisch beschäftigt sich in Andorra mit der Wirkung und den Folgen von Bildnissen, die zu Vorurteilen heranwachsen und somit dem Protagonisten Andri verwehren, seine Identität zu finden. Ein Zitat aus Frischs Tagebuch verweist auf einen zentralen Aspekt des Stücks und verdeutlicht seine Einstellung zur Thematik. „Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben der Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer-.“[2] Andri ist nicht nur das Opfer einer fiktiven andorranischen Gesellschaft, sondern repräsentiert vielmehr das Opfer eines jeden, der sein Gegenüber in ein Bildnis presst und diesem somit seine Identität verwehrt. Im Sinne Frischs impliziert jedes, sei es auch ein noch so gut gemeintes Bildnis, die Fixierung von außen.[3] Frisch analysiert mit Andorra das Verhalten von Gruppen und prangert es an. Mit seiner Darstellung möchte er das Publikum zu einer Stellungnahme und Kritik bewegen. „Auch hierin zeigt sich also, wie das Stück letztlich an die moralische Verantwortung des Einzelnen appelliert“[4]. Das Andorra des Max Frisch betrifft uns alle.

 

1.1 Autorenintention


 

„Was in Andorra geschieht, das könnte sich überall ereignen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.“[5] Mit diesem Zitat Max Frischs wird deutlich, dass der Autor mit seinem Drama Andorra, den Leser warnen will und im Rezipienten einen Prozess des Nachdenkens provozieren möchte. Der Zuschauer soll sich selbst fragen, wie es zu diesem tragischen Verlauf des Stückes kommen konnte.[6] Mit dieser Autorenintention reiht sich Frisch in die Riege derjenigen Schriftsteller ein, die in den 50er und 60er Jahren mit Hilfe ihrer Werke die Gesellschaft zu einem Umdenken bewegen wollten. Frisch warnt mit Andorra vor dem Vergessen und Verdrängen des vergangen 2. Weltkrieges. Auch wenn Max Frisch immer wieder betonte, dass Andorra als ein Modell verstanden werden soll, so kann eine Anprangerung des Antisemitismus, bezogen auf den Nationalsozialismus als Themenkomplex, nicht ignoriert werden. Der Modellcharakter, den Frisch anhand des vermeint lichen Juden Andri verwirklicht, „steht exemplarisch für jede Art von sozialem Vorurteil.“[7] „Indem Max Frisch am zeitgeschichtlich signifikanten Beispiel des Antisemitismus die zentrale Problematik des Bildnis-machens in den Mittelpunkt des Dramas rückt, verlagert er die existenzielle Ebene auf eine gesellschaftspolitische.“[8] Es ist entscheidend, dass „Frischs Intention [...] nicht auf eine Darstellung des Antisemitismus im nationalsozialistischen Deutschland [abzielt], sondern auf das Modell einer heutigen Gesellschaft, in der sich bestimmte Vorurteile, wie z. B. antisemitische Tendenzen, entwickeln.“[9] Dennoch mahnt Frisch mit seinem Stück seine Leser vor dem Vergessen der Gräueltaten des Nationalsozialismus und zeigt, dass das Denken in Vorurteilen zu Hass, Gewalt und Vernichtung des Anderen führt.

 

In einem Gespräch äußert sich Frisch hinsichtlich der gewünschten Intention wie folgt:

 

„Auch wenn das [Drama Andorra] in Schulen gelesen wird, ohne daß man sich allzuviel davon verspricht, glaube ich doch, daß einigen Schülern etwas aufgeht, nicht nur im Zusammenhang mit der düsteren Seite der deutschen Geschichte in diesem Jahrhundert; die Schüler verstehen das auch an anderen Modellen: In der Klasse ist einer outcast, der Jude, der Sündenbock - dieser Mechanismus spielt immer.“[10]

 

Anhand dieser Argumentation wird auch eine erste Begründung für die Behandlung im Unterricht sichtbar. Das Kriterium der

 

Außenseiterproblematik wird als Grundlage für den Aufbau des Unterrichtsentwurfs verwendet.

 

1.2 Handlung


 

Der Titel des Stücks Andorra repräsentiert zugleich einen Kleinstaat, dessen Gesellschaft den vermeintlichen Juden Andri zum Außenseiter degradiert. Andri stammt aus einer Beziehung des andorranischen Lehrers Can mit der Senora, einer Frau aus dem Nachbarstaat der Schwarzen. Aus Sorge vor dem Verlust des Ansehens und vor der Reaktion der andorranischen Gesellschaft, gibt er den leiblichen Sohn als jüdisches Pflegekind aus, welches er vor den Schwarzen gerettet haben will. Das Drama Andorra erzählt davon, wie im Verlauf der Handlung die Vorurteile der Andorraner gegenüber Andri immer weiter zunehmen und ihn in die Rolle des Außenseiters drängen. Sein Leben und seine Identität werden immer mehr beeinträchtigt und verändert. „Andri wehrt sich anfänglich gegen die Zuschreibungen als Jude, kommt jedoch nicht dagegen an und identifiziert sich zuletzt mit der Rolle des Juden als des Anderen.“[11] Es kommt schließlich zur Katastrophe, als mit dem Einmarsch der „Schwarzen“ Andri in der „Judenschau“ als vermeintlicher Jude ermordet wird.

 

1.3 Entstehungsprozess


 

Der Schriftsteller Max Frisch schuf insgesamt fünf Fassungen mit unterschiedlichen Titeln, bis er sich dazu entschloss, Andorra als endgültigen Titel anzunehmen. „Kein guter Titel“[12], wie er fand und später in einem Interview betonte: „Der bessere fiel mir nicht ein“.[13] „Der erste Entwurf der Fabel, des späteren Stücks Andorra, erschien im Jahre 1946 als Prosaskizze in dem Aufsatz Du sollst dir kein Bildnis machen; er wurde unter dem Titel Der andorranische Jude in das Tagebuch mit Marion [...] und später in dessen überarbeitete und erweiterte Fassung Tagebuch 19461949 übernommen.“[14] Als das Stück im November 1961 im Schauspielhaus Zürich in der Schweiz, dem Heimatland des Autors uraufgeführt wurde, führte Kurt Hirschfeld Regie. Im Jahr 1961 erschien ebenfalls die Buchausgabe Andorra Stück in zwölf Bildern}[15]

 

Das Theaterstück zählt zu den bedeutendsten Werken der Nachkriegszeit und konnte große Publikumserfolge verzeichnen. Dennoch waren die Reaktionen nicht nur positiv und Max Frisch musste sich auch mit einigen kritischen Rezensionen auseinandersetzen. Die Entstehung des Stücks fiel in die Zeit des Wiederaufbaus. Max Frisch thematisiert den schuldhaften Zusammenhang von Vorurteil, Hass und Gewalt, der im Nazi-Deutschland realexistent war und der in der Nachkriegszeit verdrängt wurde. In einer Zeit, in der sich die Vergangenheitsbewältigung praktisch mit Verdrängung synonym setzen ließ, wollte Frisch das Bewusstsein der Rezipienten für ein kritisches Verstehen sowie moralische Verantwortlichkeit wecken.[16] „In dieser Hinsicht war Frischs Stück ein Neuanfang.“[17]

 

1.4 Modellcharakter


 

Dass, mit dem Andorra des Max Frisch, nicht ein real existierender Ort in den Pyrenäen gemeint ist, unterstreicht der Autor mit dem Modellcharakter des Stücks, der von Frisch in vielen Interviews betont wurde.

 

„Mit dem Begriff des Modells setzt Frisch deutliche stil- und gattungstypologische Akzente. Andorra ist nicht als Stück zu verstehen, das - in einem zeitlichen und räumlichen Sinn - eine naturalistische Abbildung von Wirklichkeit intendiert. Modell bedeutet einerseits verkleinerte Darstellung der Realität, andererseits Gestaltung einer fiktiven Welt, an der sich die Wirklichkeit überprüfen läßt.“[18]

 

Der Autor bezieht die Schrecken der Hitlerdiktatur als Anlass und Muster mit in die modellhafte Darstellung der Gesellschaft und des Einzelnen ein. Es wäre aber falsch, die Intention des Stücks nur in der Darstellung der Judenverfolgung zu suchen. Frisch sieht jedoch selbst ein, dass die Parabelform, die „Ausrichtung der Deutung des Stücks auf die Judenverfolgung der Nazis begünstigt.“[19] „Die moralische Indifferenz einer Gesellschaft gegenüber ihrer jüngsten Geschichte und die bornierte Selbstgerechtigkeit mit der sie sich wieder von Andersdenkenden abgrenzte, ihn zum Sündenbock für eigene Fehlleistungen machte“[20], beeinflussten Frisch vermutlich, als er Andorra verfasste. Die unbewältigte Vergangenheit der Schweiz, die Frischs Heimat war, floss sicherlich auch in die Entstehung des Stückes ein.

 

„Nach Kriegsende glaubte sich die offizielle Schweiz mit ihrer Politik der bewaffneten Neutralität zur Nazi-Zeit im Recht. Damals hatte man zwar Tausenden von Flüchtlingen Zuflucht gewährt, man hatte aber auch Tausende an der Grenze zurückgewiesen und damit in den Tod geschickt. Auf Erstes war man stolz, Letzteres wurde verdrängt.“[21]

 

Mit Hilfe der individuellen Dramatik des Stücks wird beispielhaft vorgeführt, wie der Einzelne, durch die an ihn herangetragenen Bildnisse oder Rollen an seiner Identitätsfindung gehindert wird. Es wird am Beispiel des vermeintlichen Juden Andris ersichtlich, „wie Menschen durch gesellschaftlichen Rollenzwang...

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