2. Welcher Trader-Typ bin ich?
Auf dem Weg vom Flughafen unterhielten die beiden sich angeregt über ihre bisherigen Erfahrungen an der Börse.
»Ich finde Daytrading spannend, schnelle Entscheidungen, kein Rumgehampel, Positionen nur während eines Tages halten. Das will ich lernen.«
»Daniel, es gibt hier auf der Insel ein Sprichwort: Je länger man hier wohnt, desto weiter entfernt ist Palma.«
»Palma? Das sind doch nur 30 Kilometer, da ist man doch in 20 Minuten in der Stadt.«
»Genau, es ist nicht die Entfernung, es ist die Zeit, die man schon auf der Insel lebt. Was ich damit sagen will ist: Je länger du an den Märkten handelst, desto wahrscheinlicher wirst du dich vom Daytrading verabschieden wollen. Nicht weil du es nicht kannst, sondern, weil es dir schlicht zu anstrengend ist. Aber trotzdem gehören die Kenntnisse zum Daytrading in deinen ›Werkzeugkoffer‹.
Die eigentliche Frage ist doch: ›Warum willst du traden lernen und nicht Eisverkäufer in der Sahara werden?‹ Traden ist doch nur Mittel zum Zweck.«
Daniel hörte aufmerksam zu. Diese Frage hatte er sich noch gar nicht gestellt. Für ihn ging es immer darum, das Handwerk des Börsenhandels zu erlernen.
So weit hatte er gedanklich noch gar nicht ausgeholt. Geht es in Wahrheit darum festzustellen, welcher Trader-Typ ich bin und welche Ziele ich habe? Würde ich diese Frage umfassend beantworten, wäre das der Grundstein für meine Ausbildung!
Während der weiteren Autofahrt sprachen Manfred und Daniel über die Lebensqualität auf Mallorca und dass man jeden Tag genießen sollte. »Wer weiß schon, was der morgige Tag bringen wird«, hatte Manfred in einem Nebensatz gesagt. Nach einer guten halben Stunde bogen die beiden in einen unscheinbaren Feldweg ein.
Nicht schlecht für ein Haus, dachte sich Daniel. Das Haus, wohl eher ein Anwesen, war das, was man in Deutschland eine Finca nennt. Ein mallorquinischer alter Bauernhof mit Orangenbäumen, Olivenhainen und – um das Klischee perfekt zu machen – selbstredend mit einem Pool mit römischem, rundem Einstieg. Der Eingang zur Finca war durch ein großes gusseisernes Tor gesichert. Manfred betätigte den Knopf auf der Fernbedienung und das Tor glitt lautlos zur rechten Seite.
»Willkommen auf der ›Bolsa de Mallorca‹, Daniel«, was so viel heißt wie ›Die Börse Mallorca‹.
Ich zeige dir jetzt dein Zimmer und du kannst deine Sachen auspacken. Danach können wir einen leckeren Mandelkuchen essen und das weitere Vorgehen für deine Ausbildung in diesem Sommer besprechen.« »Klingt, gut, freu mich schon.«
Die Finca war in L-Form gebaut und bestand aus einem Haupthaus sowie einem Nebengebäude. Das Haupthaus besaß im vorderen Teil einen großen Koch- und Essbereich und nach hinten jeweils ein Badezimmer und die Schlafräume. Ein klassisches Wohnzimmer gab es nicht. Im oberen Bereich gab es zwei weitere Schlafräume.
Im Nebengebäude befand sich im unteren Bereich ein sonnendurchflutetes Büro mit bodentiefen Fenstern und zwei Schreibtischen und jeweils drei Bildschirmen und PCs. Der obere Teil diente als Gästezimmer.
Manfred zeigte Daniel sein Zimmer im Gästehaus. »Wir treffen uns dann in einer halben Stunde unten auf der Terrasse.« Beim Auspacken seines Koffers ließ Daniel ein Gedanke, mehr eine Frage, nicht mehr los: »Warum will ich Trader werden? Was für ein Trader-Typ bin ich?«
»Das fängt ja gut an, ich will traden lernen und werde gleich mit einer Frage nach dem Sinn des Lebens konfrontiert.« Er musste schmunzeln und machte sich auf den Weg hinunter zur Terrasse, wo Manfred schon an einem rustikalen Tisch aus Olivenholz saß. Auf dem Tisch stand Mandelkuchen und für jeden ein Café con leche. Ein anregendes Gespräch rund um das Thema Lebensqualität und persönliche Ziele begann.
*
Die Frage »Welcher Trader Typ bin ich« ist, so trivial sie zu sein scheint, nicht ganz einfach zu beantworten.
Zunächst geht es darum festzuhalten, mit welchen Zielen der Trader an den Börsenhandel herangeht. Es erscheint sinnvoll, sich mit diesem Gedanken etwas länger zu befassen, da hierdurch letztendlich nicht nur die Handelsweise, sondern auch die zu handelnden Märkte und Börseninstrumente festgelegt werden.
Der Einfachheit halber wird dieser Zielfindungsprozess in mehrere Abschnitte unterteilt.
Auch ein Marathon fängt mit dem ersten Schritt an. Trading ist kein 100-Meter-Sprint, sondern immer ein Marathon.
Der erste Schritt, um ernsthaft mit Trading anzufangen, besteht wie in allen anderen Dingen, die Sie sich vornehmen, darin sich über seine eigenen Ziele im Klaren zu sein.
- •Was treibt mich an?
- •Warum will ich ausgerechnet mit Trading mein Geld verdienen?
- •Wo will ich in Bezug auf das Trading in einem Jahr stehen?
Dies sind die Kernfragen, die in Ihre Überlegungen mit einfließen sollten. Um dies zu konkretisieren, gehen Sie am besten stufenweise vor.
Entwickeln Sie Ihre eigenen Ziele
Zuerst nehmen Sie sich ein paar ruhige Minuten oder Stunden und lassen Ihre Gedanken völlig ohne Begrenzungen umherstreifen. Denken Sie darüber nach, was Sie im Trading erreichen möchten – und warum. Notieren Sie die so gefundenen Punkte auf einer Liste.
Wenn Sie jetzt eine Liste mit Ideen haben, definieren Sie, ob diese Ziele überhaupt realistisch sind. Wenn also jemand mit starkem Asthma im Alter von 70 Jahren Marathon-Weltmeister werden will, ist das eher unrealistisch. Alles, was in den Bereich der Märchen fällt, streichen Sie heraus. Ihre Liste enthält nun nur noch Themen, die auch objektiv gesehen realisierbar sind.
Nun sollten nur noch einige wenige Ziele übrig geblieben sein. Können Sie sich zu 100 Prozent für diese Zielsetzungen verbürgen? Was, wenn Ihr privates Umfeld Sie auslacht, kritisiert, Sie einen Dummkopf nennt? Sind Sie dann immer noch standhaft und glauben daran? Welche Argumente haben Sie in der Diskussion mit Ihren Mitmenschen parat, um Ihre Ziele zu verteidigen?
Diese nicht unerhebliche Auseinandersetzung mit Ihren Bedürfnissen und Zielen bereitet Sie intensiv darauf vor, dass Sie zu Ihren Zielen stehen. Es geht darum, Argumente zu finden, die es Ihren Mitmenschen plausibel machen, warum Sie sich gerade diesem Thema widmen.
Formulieren Sie konkrete Ziele
Hilfreich ist es, sich diesen Themen aus den zuvor betrachteten Punkten nun konkret zu widmen. Möglichst in positiver Art und Weise. Diese Art der Denkweise nennt man Hin-zu-Formulierungen. Sie möchten sich auf ein Ziel zubewegen, nicht von etwas wegbewegen. Der Unterschied liegt in der Denkhaltung.
Hin-zu-Formulierungen sind positiv, Weg-von-Formulierungen wollen immer etwas vermeiden. Die Ziele sollten Sie so konkret wie möglich formulieren.
Ein Beispiel für eine Hin-zu-Formulierung: »Ich möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre mit meiner Familie in einem eigenen schönen Haus mit Garten in Stuttgart wohnen.«
Diese Art der Ansprache formuliert Ihr Ziel in positiver Weise.
Als Nächstes ein Beispiel einer Weg-von-Formulierung: »Ich will versuchen, mein Kapital in den nächsten Jahren an der Börse nicht zu verlieren.«
Die Grundaussage dieser Formulierung ist die Befürchtung, sein Kapital an der Börse zu verlieren. Nicht gerade rosige Aussichten, oder?
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist, dass Sie sich auch für den Fall Gedanken machen sollten, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben. Gerade zielorientierte Menschen fallen regelrecht in ein mentales Loch, wenn ihre Vorgaben und Wünsche erfüllt sind.
Um bei dem oben formulierten Beispiel zu bleiben:
Was passiert, wenn die fünf Jahre vergangen sind und Sie nun glücklich mit Ihrer Familie im trauten Eigenheim wohnen?
Welche Wünsche, welche Herausforderungen stehen dann auf Ihrer Liste?
Übernehmen Sie Verantwortung
Welche Ziele auch immer Sie aufgeschrieben haben, übernehmen Sie die volle Verantwortung dafür. Ein berühmter Investor hat einmal gesagt: »Erfolg ist ganz einfach: Bestimme deine Ziele und bezahle den Preis dafür.« Dies ist ein Schlüsselpunkt Ihres Handelns. Nur wenn Sie bereit sind, für Ihr Tun und Handeln die Verantwortung zu übernehmen, werden Sie zu Ihren Zielen stehen und mögliche Maßnahmen daraus ableiten. Ansonsten bleiben sie nur Worthülsen.
Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken
Finden Sie heraus, welche persönlichen Eigenschaften Sie bei Ihren Zielen unterstützen können. Welche besonderen Merkmale und Fähigkeiten haben Sie, die Ihnen auf Ihrer Reise helfen werden? Wenn Sie zum Beispiel ein Mensch sind, der analytisch und strukturiert arbeitet, aber für Entscheidungen eher länger braucht, weil das Für und Wider erst besprochen werden muss, dann ist dies im Daytrading, wo Entscheidungen innerhalb kurzer Zeit getroffen werden müssen, eher kontraproduktiv.
In längerfristigen Trading-Varianten wie im Aktientrading oder im Rohstofftrading jedoch, bei denen Positionen über Nacht gehalten werden, haben Sie genug Zeit, um die Argumente und Trading-Ideen zu analysieren.
Entscheidend ist, dass Sie sich dieser persönlichen Stärken bewusst sind und Ihren Handelsstil an der Börse daran ausrichten.
Welche offensichtlichen Stolpersteine werden Ihnen auf dem Weg zum Ziel begegnen?
Machen Sie sich schon jetzt Gedanken darüber, was Ihnen auf dem Weg zu Ihrem Ziel an Schwierigkeiten entstehen könnte. Überlegen...