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Europäisierung des Verbandsklagerechts

Auswirkungen europäischer Integration auf die Klagebefugnis im Umweltrecht

AutorFelix Bruckert
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl116 Seiten
ISBN9783741260957
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Etablierung der Umweltverbandsklage und der Auswirkungen auf die Klagebefugnis im nationalen Umweltrecht unter Berücksichtigung des supranationalen Kontexts. Ziel soll es dabei sein, die Auswirkungen des europäischen Rechtes auf das deutsche Verbandsklagerecht zu untersuchen, Probleme zu identifizieren, Lösungen vorzuschlagen und Prognosen und Bewertungen zu erstellen. Insbesondere werden dabei die Auswirkungen auf den subjektiven Rechtsschutz und die Schutznormlehre untersucht.

Der Autor ist Student der Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Er verfasste die vorliegende Arbeit im Sommersemester 2014, sie ist zugleich Bachelorarbeit im Rahmen seines vorherigen Public-Management-Studiums an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl.

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Leseprobe

2 SUPRANATIONALE GRUNDLAGEN DER UMWELTVERBANDSKLAGE


Zunächst wird die aktuelle supranationale Rechtslage dargestellt, die wesentlichen Einfluss auf das auf der Verletzung subjektiver Rechte aufbauende System des (Individual)Rechtsschutzes in Deutschland sowie das im UmwRG normierte39 Verbandsklagerecht hat. Fraglich ist diesbezüglich welche mittelbare und unmittelbare Wirkung die einzelnen Rechtsquellen auf das deutsche Rechtssystem bzw. dessen Auslegung haben.

Ursprünglich entstammt die Verbandsklage in Deutschland nicht supranationalem Recht, sondern war bereits in vergangenen Fassungen einzelner Landesnaturschutzgesetze vorgesehen. 40 Sie war zunächst nicht im Bundesrecht verankert,41 die Zulässigkeit einer Klage kann sich jedoch gem. § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO auch auf Grund eines (Landes-)Gesetzes aus der Verletzung objektiven Rechtes ergeben.42 Seit der Novelle des BNatSchG 2002 wurde dann auch in § 61 BNatSchG 2002 die Möglichkeit einer Verbandsklage – beschränkt auf gewisse Entscheidungen des Naturschutzrechts – eingeführt.43 Die Ausweitung der Verbandsklage auf das allgemeine Umweltrecht durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) resultiert jedoch letztlich in der sog. Aarhus-Konvention.44

2.1 Völkerrechtliche Grundlagen der Umweltverbandsklage

Aus einer Reihe von mittlerweile sieben Ministerialkonferenzen des „Environment for Europe“ Prozesses der United Nation Economic Commission for Europe (UNECE) ging am 25 Juni 1998 die sog. Aarhus-Konvention hervor. Unter der Titel „Environment for Europe“ finden seit 1991 Konferenzen statt, die den 56 Mitgliedsstaaten der UNECE sowie diversen Stakeholdern die Möglichkeit eröffnen, umweltbezogenen Prioritäten zu diskutieren und Entscheidungen zu fällen.45

Als „Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“ soll die Aarhus-Konvention insbesondere die Transparenz und Rechtmäßigkeit nationaler Umweltverfahren gewährleisten. Unter Berücksichtigung oftmals grenzüberschreitender Auswirkungen umweltbelastender Vorhaben, soll auch der Rechtsschutz von (natürlichen und juristischen) Personen anderer Nationen sowie die Homogenität der Verfahren erreicht werden. Ziel ist es auch, den Bürger durch intensive Beteiligung in die nationale Umweltpolitik zu integrieren um eine kritische und umweltbewusste Öffentlichkeit zu bilden.46

2.1.1 Die drei Säulen der Aarhus-Konvention


Wie bereits der vollständige Name der Aarhus-Konvention suggeriert, betrifft der Geltungsbereich dieses Völkerrechtsvertrages mehrere Bereich, die sog. drei Säulen:47

  • Zugang zu Umweltinformationen
  • Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltschutz
  • Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten

Art. 1 Aarhus-Konvention nennt den „Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt“ als Ziel in den drei Säulen.

Insbesondere enthält die dritte Säule – der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten – wichtige Vorgaben zur Umweltverbandsklage, welche die Signartarstaaten in nationales Recht umsetzen müssen. Für die vorliegende Arbeit wird daher insb. die dritte Säule und deren Umsetzung und Auswirkungen auf das nationale Recht untersucht.

2.1.2 Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten nach der Aarhus-Konvention


Aus Art. 9 der Aarhus-Konvention ergibt sich, welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes die Vertragsparteien im innerstaatlichen Recht garantiert werden müssen. Demnach sind drei Aspekte der dritten Säule der Aarhus-Konvention relevant:48

  • Nach Art. 9 Abs. 1 Aarhus-Konvention muss der Rechtsweg gegen Verletzungen des Anspruchs auf Zugang zu Umweltinformationen aus Art. 4 Aarhus-Konvention eröffnet werden.
  • Nach Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention muss die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen nach der Aarhus-Konvention für Jedermann der
  • ein ausreichendes Interesse hat oder
  • eine Rechtsverletzung geltend machen kann (sofern das nationale Recht dies als Zulassungsvoraussetzung vorsieht).
  • Nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention muss auch die Überprüfung jeglicher innerstaatlicher Umweltrechtsverletzung durch Mitglieder der Öffentlichkeit gewährleistet werden.

Die Verpflichtung zur Einführung einer Verbandsklage ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention. Die dort genannte „betroffene Öffentlichkeit“ schließt gemäß der allgemeinen Definition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 Aarhus-Konvention nach nationalem Recht anerkannte Umweltverbände ein. Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention regeln ferner, dass ein ausreichendes Interesse anerkannter Umweltverbände gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a Aarhus-Konvention fingiert wird und diese ebenfalls als Träger von Rechten im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. b Aarhus-Konvention gelten.49

2.1.3 Aarhus-Konvention Arbeitsgruppen und Gremien


Die eingerichteten Arbeitsgruppen und Gremien sorgen für eine Art „dynamischen Prozess“ der Aarhus-Konvention, der u. a. dabei hilft, die Normen korrekt und einheitlich auszulegen. Auch wird die korrekte Umsetzung der Aarhus-Konvention durch die Mitgliedsstaaten überprüft, woran sich die nationale Umsetzung messen lassen muss.50

Hauptgremium der Aarhus-Konvention ist die Vertragskonferenz. Es fanden bis einschließlich 2014 fünf dieser Konferenzen statt. Zur Unterstützung der Vertragskonferenz wurden unter anderem das Büro der Vertragskonferenz und die Working Group of the Parties eingerichtet. Letztere hat die Aufgabe, die Umsetzung des Arbeitsprogramms der Vertragskonferenz zu überwachen und die Vertragskonferenzen vorzubereiten. Sie ist gem. Art. 10 Abs. 2 Hs. 2 lit. d Aarhus-Konvention ein Nebengremium zu den drei Säulen der Aarhus-Konvention neben den drei Arbeitsgruppen.51

Daneben wurde gem. Art. 15 Aarhus-Konvention das Compliance Commitee eingerichtet, das die rechtmäßige Umsetzung und Einhaltung der Konvention durch die Vertragsparteien überwacht. Solchen Compliance Verfahren kommt in völkerrechtlichen Angelegenheiten eine immer größere Bedeutung zu. 52 Dem Compliance Commitee stehen zwar keinerlei verbindliche Kompetenzen zu, dennoch spielt es eine große Rolle, da bisweilen alle Untersuchungsergebnisse bezüglich der Nichtkonformität mit der Aarhus-Konvention von der Vertragskonferenz gebilligt wurden.53

2.1.4 Verbindlichkeit von Völkerrecht und Umsetzung der Aarhus-Konvention in Unionsrecht


Unmittelbar gelten völkerrechtliche Normen nur insoweit wie sie „self-executing“ Charakter aufweisen. 54 Dafür muss die jeweilige Norm des völkerrechtlichen Vertrags nach Zweck, Inhalt und Form dafür geeignet sein, direkt auf den Einzelnen anwendbar zu sein, was die Ausnahme darstellt. 55 Die Aarhus-Konvention enthält Regelungen, die diesen Voraussetzungen gerecht werden, bspw. in Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention.56 Für andere Normen wie bspw. Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention wird diese unmittelbare Gültigkeit allerdings nicht angenommen, es scheitert an der klaren und ausreichenden inhaltlichen Bestimmung.57

Die Aarhus-Konvention wurde jedoch als sog. gemischtes Abkommen sowohl von der Europäischen Union als auch von mehreren der Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland zählt auch zu den Signatarstaaten. Daher kann nicht nur die Aarhus-Konvention an sich unmittelbar anwendbar sein und damit Rechte Einzelner begründen, dies kann auch durch ihre Unionsrechtliche Umsetzung58 geschehen.

Die Aarhus-Konvention beeinflusst das nationale Recht daher zum einen über deren Umsetzung im Unionsrecht innerhalb der unionsrechtlichen Kompetenzen. Zum anderen auch als von der Bundesrepublik unterzeichnetes und anerkanntes 59 Abkommen, gemäß allgemeiner Grundsätze völkerrechtlicher Verträge.

Sie wurde in mehrfacher Weise auf Ebene der Europäischen Union umgesetzt. Zum einen durch eine Verordnung60, die für die Organe und Einrichtungen der EU selbst gilt. Zum anderen durch verschiedene Richtlinien, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen bzw. bereits umgesetzt wurden.61

2.2 Die Umweltverbandsklage im Unionsrecht

2.2.1 Europäische Kompetenz und Rechtsetzung im Umweltrecht


Auf das nationale Umweltrecht nehmen die unionsrechtlichen Regelungen zunehmenden Einfluss.62 Es finden sich im primären Unionsrecht neben den umweltpolitischen Zielen und Grundsätzen für die Gestaltung der Umweltpolitik auch die...

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