Frank Heuel
ÜBER GOLD IN BURKINA MÜSSTEN WIR MAL EIN STÜCK MACHEN ODER LEAVE THE ZONE OF COMFORT!
Ein Thema und ein Partner!
Zuerst den Partner und dann ein Thema finden oder anders herum mit dem Thema auf die Suche nach einem Partner gehen? Oder besser gleichzeitig – mit dem Partner auch gleich ein Thema haben oder ist umgekehrt das Thema da und damit auch der Partner? Ein wichtiges Detail am Anfang!
Ich habe Burkina Faso im Frühsommer 2017 zum ersten Mal besucht zwecks Recherchereise für ein mögliches Theaterprojekt zum Thema Boden und Klima. Eingeladen war ich von einem Freund, Martin Baumgart, der als Consultant für ein Projekt der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und verantwortlich für die deutsche Entwicklungsarbeit), die in Burkina Faso in der Region Süd-West gemeinsam mit Gemeinden vor Ort ein Bodenschutzprogramm durchführt. Unter dem Titel La Terre ton Amie (Die Erde – deine Freundin) habe ich einige Monate später im Herbst 2017 ausschließlich mit Burkinabe KünstlerInnen in Ouagadougou am Espace Culturel Gambidi ein Stück inszenieren können.
Bei einem der Besuche in der Region standen wir plötzlich und gänzlich unerwartet in einer gerade entstandenen Plastikzeltstadt, und zwar mitten auf einem Feld, wo vor zwei Monaten eine der GIZ-Maßnahmen – nämlich ein Erosionsschutzwall, von welchem nun nur noch Rudimentäres zu erahnen war – errichtet worden war. Gold! Hier hatte jemand Gold gefunden, und im Nu hatte sich der Fund herumgesprochen, und eine neue wilde Mine (artisanal mine) war unabhängig von den bestehenden Besitzverhältnissen in Windeseile aus dem Boden geschossen.
In anschließenden Gesprächen mit Einheimischen über den Goldabbau in Burkina ist mir klargeworden, dass das, was eigentlich Segen für das Land sein könnte, für viele Menschen eher Fluch ist, und die Gesellschaft – zumindest wie sich der Goldabbau und -handel aktuell darstellt – vor große Probleme stellt.
Ich habe schon bei La Terre ton Amie mit den Slammern des Collectif Qu‘on Sonne & Voix-ailes zusammengearbeitet, die ihre Kunst als explizit politisch verstehen und die zum Teil in der Bürgerbewegung Le Balai Citoyen (Der Bürgerbesen), die maßgeblich an der Revolution 2014 beteiligt war und bis heute für die weitere Demokratisierung der Gesellschaft eintritt, aktiv sind. Sie setzten mir mit dem Hinweis „Über Gold in Burkina müssten wir mal ein Stück machen“ die Idee in den Kopf, die mich unter anderem auch wegen der sehr positiven Erfahrung miteinander nicht mehr losgelassen hat.
Als mir Claude Guingané, der Leiter des Kulturzentrums Espace Culturel Gambidi in Ouagadougou, im abschließenden Gespräch über La Terre ton Amie die Sinnhaftigkeit und Relevanz einer Arbeit über das Gold in und aus Burkina Faso vollends bestätigte und mir eine Partnerschaft für dieses Vorhaben anbot, war mit dem Thema auch der Partner gefunden.
Ein guter Start!
Los Geht’s!
In einer konkreten Partnerschaft zwischen einem deutschen freien Ensemble und einem burkinischen Partner ist schnell klar, wer sich von den beiden Partnern um eine mögliche Finanzierung nur kümmern kann. Es gibt keine Möglichkeit in Burkina Faso, für ein Theaterprojekt eine öffentliche Förderung zu erhalten, und ein Sponsoring existiert nicht. Das Goethe-Institut ist zwar in Burkina mit einem sogenannten Verbindungsbüro vertreten, hat aber nicht die finanziellen Mittel, einzelne Projekte vor Ort zu unterstützen. Die dortige Leiterin, Carolin Christgau, stand uns jedoch in anderen Belangen mit Rat und Tat hilfreich zur Seite.
Ein freies Projekt dieser Größenordnung lässt sich in der bundesdeutschen Förderlandschaft nur mit Mitteln der Kulturstiftung des Bundes (KSB) realisieren. Da jedoch dort das Förderprogramm Turn (für gemeinsame Projekte mit afrikanischen KünstlerInnen), welches ideal für Brillante Saleté (Glänzender Dreck) gewesen wäre, gerade 2017 ausgelaufen war, haben wir es mit der Doppelpass-Förderung bei der KSB versucht. Diese finanziert zwei Projekte eines freien Ensembles an jeweils einem festen Haus; für die erste Produktion hatten wir ja mit dem Espace Culturel Gambidi in Burkina unseren Partner und haben dann in mehreren Gesprächen mit Jens Groß, Schauspieldirektor am Theater Bonn seit der Spielzeit 2018/19, das Bonner Stadttheater als Partner für ein zweites Projekt zum Thema Gold gewinnen können.
Die Konzepte wurden geschrieben, Budgets in Absprache mit den Partnern erstellt und letztendlich der Antrag fristgerecht eingereicht. Schon allein die Antragsstellung ist, um im Bild des Sports zu bleiben, eine echte Bergprüfung, gilt es doch, die Systeme – freies Ensemble, deutsches Stadttheater und selbstverwaltetes westafrikanisches Kulturzentrum –, die allesamt auf einem eigenen kulturellen Selbstverständnis beruhen, so weit in Einklang zu bringen, dass jeder sich klar über Aufgaben und Pflichten wird und sich im Projekt wiederfindet.
Zu guter Letzt konnten wir die Jury überzeugen und erhielten den Förderzuschlag. Die Förderung ist entsprechend der Höhe und Bedeutung der Projekte mit zahlreichen Auflagen verbunden u. a. mit einem Vertrag zwischen den drei Partnern. Dieser reicht von generellen Absprachen bis hin zu einer Anlage, die im Detail Abläufe und Vorgänge festlegt. Diese Anlage zu erstellen, wurde dann zu einer letzten großen Hürde. Ich bin der KSB aber sehr dankbar für diese eingeforderte Leistung, da wir in Ausarbeitung der vielen einzelnen Punkte uns weiter angenähert haben und das Verständnis für die Situation der jeweils anderen immer größer wurde. Wir haben uns kennengelernt. Insbesondere im Verhältnis zum Gambidi ist dabei die Grundlage für ein Arbeiten auf Augenhöhe gelegt worden.
Das Ensemble
Ich kannte ja durch die Arbeit an La Terre ton Amie 2017 sowohl das Collectif Qu’on Sonne & Voix-ailes als auch den Schauspieler Lazare Kabore und war sehr froh, dass wir unsere dort gemachten Erfahrungen nun mit einer weiteren Zusammenarbeit vertiefen sollten. Das Collectif hatte im Mai 2018 einen schweren Verlust hinzunehmen; das Gründungsmitglied Hamidou Valian verstarb völlig unerwartet. Hamidou war neben seiner künstlerischen Arbeit politisch sehr engagiert in der Bürgerbewegung Le Balai Citoyen und in Ouagadougou sowohl in der Kunst- als auch in der Aktivisten-Szene allen bekannt und sehr beliebt. Während unserer Proben im Dezember 2018 wurde auf dem Festival Cine Droit Libre im Rahmen einer großen Hommage nochmals an ihn erinnert. Bei unserer Recherchereise im Juni traf ich also nur noch Tony, B-Rangé und Térence. Sie hatten sich entschieden, das Collectif zu dritt weiterzuführen und auch die existierenden Texte, Songs und Nummern weiter zu performen. „Wir teilen die Texte von Hamidou unter uns dreien neu auf – das sind wir ihm, uns und den Leuten schuldig.“
Das Collectif textet und performt in einem sehr eigenen Stil – poetisch verdichtet, meistens mit Live-Musik und mit hoher Energie auf der Bühne. Lazare Kabore ist ein sehr eigener Schauspieler, auf den ich mich sehr freute. Die deutschen SpielerInnen hatte ich relativ schnell gefunden – ich wusste, mit Laila Nielsen und David Fischer zwei in internationalen Projekten sehr erfahrene, offene und am Austausch interessierte KünstlerInnen mit an Bord zu haben. Wir waren zwei Jahre zuvor bereits mit einem Projekt gemeinsam in Cape Coast, Ghana, gewesen. Dazu wollte ich aufgrund der Männerdominanz bei den Burkinabe unbedingt noch eine weitere Schauspielerin mitnehmen. Philine Bührer und ich kennen uns aus verschiedenen Arbeiten am Theater Bonn und beim fringe ensemble, und als sie mir überzeugend erklärte, wie gerne sie mitkommen würde, fiel mir die Entscheidung leicht. Die Lebenssituation ist in vielerlei Hinsicht (u.a. Klima, Wohnen, Essen, Verkehr) deutlich anders als bei uns, und für eine vierwöchige, intensive Arbeitssituation braucht man Leute, die in der Lage sind, damit klarzukommen. Meine Wahl stellte sich in jeder Beziehung als Volltreffer heraus.
Ich hatte mit dem Collectif im Vorfeld besprochen, dass ich gerne eine musikalische Leitung mitbringen würde. Sie haben einen gewissen musikalischen Stil in ihrer Arbeit entwickelt, den ich gerne mit anderen Einflüssen in Austausch bringen wollte. Ich konnte dazu Ömer Sagıredik, einen in Frankreich lebenden türkischen Musiker und Komponisten, gewinnen, mit dem ich bereits in Istanbul in mehreren Projekten habe arbeiten können und der während drei Wochen der Probenzeit mit uns in Ouaga, wie die Burkinabe ihre Hauptstadt nennen, sein konnte.
Die Bühnen- und Kostümbildnerin und Videokünstlerin Annika Ley, mit der ich seit Langem künstlerisch Projekte verantworte, begleitete mich schon bei der Recherchereise Monate vor dem Probenbeginn.
Das...