Einleitung
Vom richtigen Zeitpunkt
Wäre es nicht schön, einfach sein Leben zu führen und dabei den Eindruck zu haben, dass einem Glück und Erfolg in den Schoß fallen? Die Aussichten darauf scheinen schlecht zu stehen. Oder doch nicht?
Bestimmt kennen Sie viele Tricks und Tipps zu mehr Erfolg bei Themen wie:
Wie klappt das Abnehmen?
Wie sorge ich für mehr Lust im Bett?
Wie setze ich die Gehaltserhöhung durch?
Wie erziehe ich meine Kinder?
Was soll ich essen?
Wie halte ich mich fit?
Wofür sollte ich vorsorgen?
Wie beeinflusse ich meine Träume?
Solche typischen W-Fragen sind wichtig und notwendig. Für schnelle, zielstrebige und nachhaltige Verbesserungen der Lebensqualität sorgt jedoch eine weitere Frage.
Diese Frage lautet »Wann?«.
Der richtige Zeitpunkt bestimmt unseren Erfolg und ist der Schlüssel zu einem schnelleren, klügeren, besseren und stärkeren Selbst. Wer den optimalen Zeitpunkt für sein Vorhaben kennt, kann die besten Ergebnisse erzielen. Sie brauchen nichts daran zu ändern, was Sie tun und wie Sie es tun – allein durch kleine Verschiebungen, wann Sie etwas tun, können Sie ab sofort gesünder, glücklicher und produktiver werden.
Die Frage nach dem Wann ist sehr einfach und sehr durchschlagend.
Mit kleinen Veränderungen des eigenen Tagesablaufs – dem Zeitpunkt der ersten Tasse Kaffee, der Beantwortung von E-Mails oder Erholungspausen – kann man den Tagesrhythmus mit dem persönlichen Biorhythmus abgleichen, und schon erscheint alles viel einfacher und läuft wie von selbst.
Was verstehe ich unter dem »persönlichen Biorhythmus«?
Es gibt tatsächlich einen perfekten Zeitpunkt für die unterschiedlichsten Aktivitäten, auch wenn manche bei diesem Thema abwinken. Doch gutes Timing ist kein Buch mit sieben Siegeln. Unsere Gene sind den ganzen Tag auf die richtigen Abläufe gepolt, von der Minute unseres Erwachens bis zum Einschlafen. Ab dem Alter von drei Monaten tickt im Gehirn des Menschen eine innere Uhr, die darauf achtet, dass alles zur rechten Zeit geschieht.
Diese biologisch verankerte Uhr ist ein ausgeklügelter und sehr präziser Schrittmacher, der auf zirkadianen Rhythmen beruht. Er besteht aus einer Nervengruppe im Hypothalamus, dem sogenannten Nucleus suprachiasmaticus (SCN), der unmittelbar über der Hypophyse sitzt.
Morgens dringt das Sonnenlicht über die Augäpfel ein und aktiviert über den Sehnerv den SCN, um den zirkadianen Rhythmus anzustoßen. »Zirkadian« ist ein Begriff aus dem Lateinischen und bedeutet »rund um einen Tag«. Der SCN gilt als die zentrale innere Uhr (»Master Clock«), die diverse andere innere Uhren im Körper steuert. Körpertemperatur, Blutdruck, kognitives Denken, Hormonausschüttung, Aufmerksamkeit, Energie, Verdauung, Hunger, Stoffwechsel, Kreativität, Geselligkeit, sportliche Leistungsfähigkeit, aber auch Selbstheilungskräfte, Erinnerungsvermögen, Schlaf und viele andere Funktionen unterliegen im Tagesverlauf Schwankungen, die diesen inneren Uhren unterstehen. Alles, was wir tun oder tun wollen, wird von physiologischen Rhythmen gelenkt, auch wenn uns dies häufig nicht bewusst ist.
Stunden
Ein Beispiel für verschiedene zirkadiane Rhythmen, die gerade jetzt in Ihrem Körper aktiv sind.
50 000 Jahre lang haben unsere Vorfahren ihren Tagesablauf nach der inneren Uhr ausgerichtet. Wann sie aßen, jagten, zusammenkamen, feierten, aufstanden, schliefen, sich entspannten oder heilen konnten, bestimmten die entsprechenden biologischen Rhythmen. Ich will nicht behaupten, dass das Leben in der Steinzeit, in biblischen Zeiten oder im Mittelalter ein Zuckerschlecken war. Aber grundsätzlich tat es der Menschheit gut, bei Sonnenaufgang aufzustehen, einen Großteil des Tages im Freien zu verbringen und in völliger Dunkelheit zu schlafen. Wir haben Zivilisationen und Gesellschaften erschaffen und unglaubliche Fortschritte gemacht, die heute ironischerweise dazu führen, dass unsere fein entwickelten inneren Uhren gründlich aus dem Takt geraten.
Das einschneidenste Ereignis für die Biozeit fand am 31. Dezember 1879 statt, als Thomas Edison in seinem Labor in Menlo Park, New Jersey, die erste haltbare elektrische Glühlampe kreierte. Sein berühmter Satz dazu: »Wir werden Elektrizität so günstig machen, dass nur noch die Reichen Kerzen anzünden.« Innerhalb von zehn Jahren konnte man das Einsetzen der Nacht selbst bestimmen. Wir stehen schon lange nicht mehr bei Tagesanbruch auf und schlafen in stockfinsterer Nacht. Früher arbeiteten wir von morgens bis abends und nahmen die letzte Mahlzeit im Dämmerlicht ein. Inzwischen haben sich Arbeitszeit und Abendessen immer weiter nach hinten verlagert. Wir verbringen mehr Zeit bei Kunstlicht in geschlossenen Räumen und weniger Zeit bei Sonnenschein im Freien.
In einem Interview des Scientific American sagte Edison 1889: »Ich schlafe selten mehr als vier Stunden am Tag, und das könnte ich ein Jahr durchhalten.«[1] Zum 25. Jahrestag der Erfindung der Glühlampe bezeichnete Edison im Jahr 1914 Schlaf als »schlechte Angewohnheit«. Er prognostizierte, dass alle Amerikaner auf die Dauer viel weniger Schlaf bräuchten, und sagte eine schlaflose Zukunft voraus. »Alles, was die Gesamtmenge des menschlichen Schlafs mindert, erhöht die Gesamtmenge der menschlichen Fähigkeiten«, so Edison. »Es gibt keinen Grund, weshalb Menschen überhaupt noch ins Bett gehen sollten, und der Mensch der Zukunft wird weit weniger Zeit im Bett verbringen.«[2]
Den zweiten großen Einschnitt für die biologische Zeit brachten Fortschritte im Transportwesen. Autos und Flugzeuge gestatteten die rasche Überwindung großer Strecken. Die Anpassung an eine Zeitverschiebung von einer Stunde nimmt einen vollen Tag in Anspruch, und zu Pferd oder in einer Kutsche hatte es entsprechend lange gedauert, diese Distanz zurückzulegen. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts konnte man jedoch – evolutionär gesehen von jetzt auf gleich – in nur wenigen Stunden viele Zeitzonen durchqueren, ohne dass die biologischen Uhren mitzuhalten vermochten.
Heute sind wir dank Computertechnik, Smartphone und Internet permanent erreichbar und leben bei Arbeit, Spiel und beim Essen in anhaltendem Dämmerlicht.
In nur 125 Jahren haben wir Biorhythmen aufgelöst, die sich 50 000 Jahre lang entwickelt haben. Dass unsere physiologische Entwicklung dem technischen Fortschritt hinterherhinkt, ist die Untertreibung des Jahrtausends. Unser Gefühl für den richtigen Zeitpunkt ist dabei gänzlich auf der Strecke geblieben.
Die mangelnde Synchronisierung mit der Biozeit ist für das individuelle Wohlergehen körperlich, geistig und psychisch eine Katastrophe. Hier liegt eine Fehljustierung der inneren Uhr vor. In den letzten 15 Jahren konnte die Wissenschaft zahlreiche angebliche Zivilisationskrankheiten (affektive Störungen, Herzerkrankungen, Diabetes, Krebs und Übergewicht) mit Fehljustierungen der inneren Uhr verknüpfen. Zu den Symptomen zählen Schlafstörungen und Schlafmangel, die das Auftreten von Depressionen, Angst und Unfällen begünstigen, ganz zu schweigen davon, wie sich Überforderung und Erschöpfung auf Beziehungen, Beruf und Gesundheit auswirken. Jeder, der nicht abends um sechs alle Bildschirme und Lichtquellen abstellt, dürfte von gewissen Problemen mit der inneren Uhr betroffen sein, zum Beispiel Konzentrationsstörungen am Morgen, Übergewicht, Stress oder dem Gefühl, nie zu voller Form aufzulaufen. (Natürlich ist es unrealistisch, abends gleich das Licht auszuknipsen. Aber man kann seine Bildschirme durchaus früher abschalten und mit zunehmender Dunkelheit das Licht dimmen.)
Ein Spatz versucht nicht, sich unter dem ersten Koffeinkick durch den morgendlichen Berufsverkehr zu kämpfen. Ein Lachs besucht um Mitternacht kein Konzert mehr. Ein Reh sieht nicht an einem Wochenende alle Folgen von House of Cards. Richtet sich eine Hauskatze beim Schlafen, Spielen oder Putzen nach gesellschaftlichen Regeln? Im Leben nicht! Tiere folgen ihrer inneren Uhr. Der Mensch mit seinem überlegenen, großen Gehirn hingegen ignoriert seine eigene Uhr und verwirft den zirkadianen Rhythmus zugunsten »sozialer Rhythmen«, die häufig im krassen Gegensatz zu dem stehen, was der Körper um diese Zeit tun...