Hawai’i – Südseeparadies und
Kaleidoskop der Natur
»... die lieblichste Inselflotte, die je
in einem Ozean vor Anker ging.«
(Mark Twain, 1866)
Ah, Waikiki! Traumstrand und heimliches Wunschziel an tristen Novembertagen im kalten Europa. Die typische, geschwungene Silhouette des Diamond-Head-Kraters kennt man aus Filmen, den schimmernden, sichelförmigen Strand von Postkarten. Der schmale Sandstreifen mit den darüber aufragenden Hoteltürmen ist vielleicht der bekannteste Strand der Welt, berühmter noch als Rios Copacabana oder St.-Tropez.
Waikiki ist Hawai’i, zumindest in den Augen der meisten Lehnstuhlreisenden, die noch nie auf den Inseln waren. Doch Waikiki ist wie Ananas aus der Dose, gesüßt und nett verpackt, aber eben nicht das ursprüngliche Naturprodukt. Fast die Hälfte aller Hotelbetten der Inseln – immerhin gut 70 000 – steht hier auf engstem Raum. Waikiki ist eine gigantische, perfekt organisierte Urlaubsfabrik für die Pauschaltouristen aus Kalifornien und Kanada, aus Ohio und Japan. Hawai’i aber ist viel mehr als Waikiki – und bietet viel mehr Sehenswertes –, als dieser von Sonnenöl durchtränkte, kaum drei Kilometer lange Strand.
Es ist vor allem die Vielfalt der Natur, die die Reise nach Hawai’i lohnt. Nirgendwo sonst auf der Welt findet man auf derart kleinem Raum so viele Kontraste: tiefschwarze Lavastrände und schneeweiße Buchten, mehrere hundert Meter hohe Steilklippen und liebliche Weiden, schäumende Wasserfälle und stille Teiche, schwefel-dampfende Vulkanschlünde, Kakteenwüsten und saftiggrünen Dschungel. Nur wenige Kilometer von einem der niederschlagsreichsten Punkte der Erde fällt im Windschatten der Berge kaum mehr ein Tropfen Regen; im Winter glitzert der Gipfel des Mauna Kea weißverschneit, während unten im Tal die Bananen reifen.
Doch der Schnee am Mauna Kea ist eine Laune der Natur: Auf Meereshöhe, also im besiedelten Küstensaum der Inseln, wartet Hawai’i mit einem idealen Klima auf, einem Klima, in dem sich der Mensch so wohlfühlt wie kaum sonstwo auf dieser Erde. Nicht zu heiß und nicht zu kalt, das ganze Jahr über gleichmäßig. Dazu genau die richtige Luftfeuchtigkeit und die ewig sanfte Brise des Passatwindes. Die Küsten sind sonnig, die Niederschläge fallen in den Bergen der Inseln – und sorgen für spektakuläre Regenbögen. Schlichtweg perfekt also.
Kaum 200 Jahre ist es her, dass die ersten weißen Entdecker vor den Küsten Hawai’is auftauchten. Sie fanden eine glückselige Welt vor: eine blühende polynesische Stammeskultur, in der anmutige Insulaner unter ewiger Sonne im Überfluss lebten, tanzten und spielten – und deren Frauen sich willig und mit nach westlichen Begriffen höchst lockerer Moral den Seeleuten hingaben. Ein Paradies fern von den Zwängen, Hungersnöten und Krankheiten Europas. Dazu eine exotische Natur mit herrlichen Stränden und vielerlei Tieren und Pflanzen, die es nur auf diesen Inseln gab. Kein Wunder, dass viele der Seeleute nicht mehr wegwollten. Ihre schwärmerischen Berichte lösten in Europa eine romantische Verklärung der Südsee aus, die bis heute ihren Reiz nicht verloren hat. Die Faszination, die von Hawai’i ausgeht, rührt nicht zuletzt von seiner Lage. Die Vulkaninseln sind der abgelegenste Archipel der Weltmeere – fast 4000 Kilometer vom nordamerikanischen Kontinent entfernt, nach Asien sind es sogar noch 2000 Kilometer mehr. Das andere Ende der Welt also, was sich auch im zwölfstündigen Zeitunterschied ausdrückt: Wenn es in Europa Mitternacht ist, gehen die Hawaiianer zum Lunch.
Gerade wegen der gewaltigen Entfernung von Europa ist Hawai’i für einen reinen Badeurlaub eigentlich zu schade. Es gibt vieles zu entdecken, jede der sechs größeren Inseln wartet auf mit einzigartigen Verlockungen: Auf Hawai’i, der größten und jüngsten Insel des Archipels, strömt rotglühende Lava von der Flanke des Kilauea-Vulkans und lässt den Staat jedes Jahr um einige Hektar jungfräulichen Landes wachsen. Die Insel besitzt darüber hinaus den höchsten Berg der Gruppe, den über 4 200 Meter hohen Mauna Kea, bizarre pechschwarze Strände aus schimmerndem Lavasand, riesige Ranches, Orchideengärten und Kaffeeplantagen sowie – an der Westküste – großartige Golfresorts und imposante Ferienhotels.
Hier gilt es übrigens, gleich ein häufiges Missverständnis der Namen auszuräumen: Hawai’i ist sowohl der Name des gesamten Staates wie auch der größten Insel, die deshalb – und um Verwechslungen zu vermeiden – meist »Big Island« genannt wird. Honolulu und Waikiki liegen nicht auf Big Island Hawai’i, sondern auf der drittgrößten Insel, O’ahu. Hier, im Großraum der Hauptstadt Honolulu, leben knapp drei Viertel der 1,4 Millionen Einwohner Hawai’is – ein schillerndes Mosaik von Polynesiern und den Nachfahren der Einwanderer aus Ost und West. Dazu gleich noch eines: O’ahu ist mehr als nur Waikiki und durchaus einen Stadtbummel in Honolulu und eine Inselrundfahrt wert. An der Südküste von O’ahu liegt der berühmte Flottenhafen Pearl Harbor, im Landesinneren dehnen sich endlose Ananasfelder, und im Norden donnern im Winter gewaltige Brecher an die Küste – bis zu 15 Meter hoch. Die Riesenwellen locken die weltbesten Surfer an, die hier im Geburtsland des Surfsports ihre Meisterschaften austragen.
Was macht Luise auf Hawai’i?
Von der korrekten Aussprache des Hawaiischen
Hawaiisch ist eine sehr melodische polynesische Sprache, die fünf Vokale besitzt, a, e, i, o, u, sowie die sieben Konsonanten h, k, l, m, n, p und w. Eine Sonderstellung nimmt ein weiterer Konsonant ein, der Glottal (’), der wie eine kurze Pause im Wort gesprochen wird. Ein Laut, der im Deutschen durchaus vorkommt, aber meist gar nicht wahrgenommen wird. Etwa zwischen den Vokalen im Vornamen »Luise« oder in Worten wie »Trauung« und »europäisch«. Im Hawaiischen ist der Glottal dagegen ein vollwertiger Buchstabe. So spricht man den Staatsnamen Hawai’i zum Beispiel nicht eingedeutscht »Hawaii« mit langem i, sondern mit einer Pause, etwa »Hawa-i«. Ebenso im Namen der Inseln Kaua’i oder Moloka’i.
Als die Missionare im letzten Jahrhundert eine Schrift für die hawaiische Sprache entwickelten, übersahen sie den Glottal – gesprochen wurde und wird er jedoch immer. Seit einigen Jahren geht man nun – auch als Geste gegenüber den lange vernachlässigten Ureinwohnern und ihrer Kultur – offiziell dazu über, den Buchstaben in Namen und Worten korrekt zu schreiben. Zwar noch nicht durchgängig, aber immer öfter. (Weitere Erläuterungen zur Sprache und wichtige hawaiische Wörter finden Sie im Sprachführer, S. 263 ff.)
Blüten der Südsee – Leis, die traditionellen Blumenkränze, werden auch heute oft getragen
Maui, die zweitgrößte Insel, ist nach O’ahu auch die zweitbeliebteste – mit guten Hotels, ausgezeichneten Sportmöglichkeiten und dem hübschen historischen Walfängerort Lahaina. Aber auch die Natur kann sich sehen lassen: Die Insel bietet herrliche weiße Sandstrände, eine tropisch überwucherte Dschungelküste im Nordosten, die berühmte Hana Coast, und den gewaltigen Krater des 3055 Meter hohen Haleakala im gleichnamigen Nationalpark. Im Winter lassen sich an Mauis Westküste Buckelwale beobachten, die hier ihre Jungen gebären.
Die vierte im Bunde ist Kaua’i, die älteste und westlichste der großen Inseln. Seit fünf Millionen Jahren nagt der Zahn der Zeit an dem Inselmassiv aus erstarrter Lava. Die Erosion hat spektakuläre Schluchten und Klippen geformt wie etwa die Steilabbrüche der Na Pali Coast oder den Waimea Canyon, den Grand Canyon des Pazifiks. Zwar ziehen hier alle zwanzig oder dreißig Jahre verheerende Taifune aus der Südsee herauf und wirbeln die Insel durcheinander – der üppigen Vegetation und den idyllischen weißen Sandstränden aber schaden diese Stürme kaum, dafür bremsen sie den Bauboom der Ferienhäuser.
Es bleiben die kleineren Inseln des Archipels, die Eilande für spezielle Interessen: Lana’i, die ehemalige Ananasinsel, ist heute ein Refugium für betuchte Golfer und publicityscheue Stars. Das verträumte Moloka’i, das einst durch seine Leprakolonie an der unzugänglichen Nordküste bekannt wurde, bewahrt den Charme des alten, ländlichen Hawai’i am besten. Rund die Hälfte der Bevölkerung ist hawaiischer Abstammung, es gibt nur ein paar kleinere Hotels und keinerlei große Attraktionen. Dafür aber herrlich ruhige Wanderwege, einsame Strandbuchten – und das garantierte Gefühl der Zeitlosigkeit.
Freilich ist auch Hawai’i nicht sorgenfrei, auch das Paradies hat seine Probleme: Bausünden und Bodenspekulation haben mancherorts die Strände verschandelt, besonders in Waikiki und an der Südküste Mauis bei Kihei. Die Wasserversorgung mancher Regionen steht auf wackeligen Beinen, einige Strandbuchten, wie etwa die Hanauma Bay auf O’ahu, werden von den Besuchern buchstäblich fast zu Tode geliebt. Die Wirtschaft, vorwiegend die Landwirtschaft, ist heute im Umbruch, denn der Anbau von Zuckerrohr und Ananas ist längst nicht mehr so rentabel wie noch vor 20 Jahren. Sogar auf den Tourismus ist nicht immer unbedingt Verlass – der dramatische Einbruch der Besucherzahlen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat es gezeigt.
Hawai’i ist nicht mehr das unberührte Südseeparadies nostalgischer Schlager, aber die Idylle wurde auch noch nicht zerstört von der modernen Welt. Der 50. Bundesstaat der USA ist ein abwechslungsreiches Urlaubsziel mit herrlichen Stränden, fabelhaften...