In diesem Abschnitt wird der Verbreitungs- und Wiederkaufprozess von häufig gekauften Gütern und Produkten untersucht. Sowohl zur Verbreitung als auch zum Wiederkauf gibt es eine umfangreiche Literatur verschiedenster Modelle (Modis Th, 1992) (Mahajan V., 2000) (Fischer M, 2001) (Rogers EM, 2003) (Maede N., 2006) (Chandrasekaran D, 2007) (Peres R, 2010). Der hier gewählte Ansatz ist jedoch zunächst die Modellierung der charakteristischen mikroökonomischen Prozesse des Reproduktionszyklus in Kapitel 2.1. Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Beschreibung des Reproduktionszyklus ist ein Zwei-Zustandsmodell, das Aktivierungsmodell. Damit lassen sich Aussagen über das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage häufig gekaufte Güter treffen. Es wird insbesondere gezeigt, inwiefern der GLZ/PLZ in der Anfangsphase durch die Angebotsseite limitiert wird. Die Grundzüge des Verbreitungs- und Wiederkaufprozesses der ersten marktdurchdringenden Generation eines Gutes/Produktes wird in Kapitel 2.2 vorgestellt. In Kapitel 2.3 wird die Dynamik für nachfolgender Generationen diskutiert. Im Gegensatz zu homogenen Gütern ziehen heterogene Güter ihren Nutzen aus dem Zusammenspiel mit anderen Gütern oder Netzwerken. Die Auswirkungen dieses kooperativen Effekts auf den GLZ heterogener Güter wird in Kapitel 2.4 untersucht. Schließlich fasst Kapitel 2.5 die Resultate zusammen und vergleicht sie mit empirischen Untersuchungen.
Für eine quantitative Beschreibung des Reproduktionsprozesses eines Gutes/Produktes greifen wir auf ein Zwei-Zustandsmodell zurück, das im Weiteren als Aktivierungsmodell bezeichnet werden soll. Es erlaubt die Absatzdynamik häufig gekaufter Gütern zu quantifizieren (Kaldasch J, 2011) (Kaldasch J, 2015b).
Die nun folgenden Überlegungen basieren auf den in Abb. 1-2 dargestellten mikroökonomischen Prozessen. Beginnen wir mit der Nachfrageseite eines Gütermarktes. Sie besteht aus Nachfragern die, basierend auf unterschiedlichen Kaufmotiven und Konsumgewohnheiten, an dem Besitz von Einheiten des Gutes interessiert sind, weil sie daraus einen Nutzen ziehen können. Die maximale Anzahl Nachfrager bestimmt dabei die Marktgröße in Form des Marktpotentials mp. Nachfrager können sich zum Zeitpunkt t in zwei möglichen Zuständen befinden, die wir als Grundzustand und aktivierten (angeregten) Zustand bezeichnen wollen.[12] Nachfrager im Grundzustand sind nicht an einen Erwerb von Einheiten des Gutes zum Zeitpunkt t interessiert. Nachfrager im aktivierten Zustand sind dagegen aktuell bereit eine oder mehrere Einheiten zu kaufen.[13] Die Gesamtmenge nachgefragter Einheiten über alle Nachfrager im aktivierten Zustand bestimmt die Gesamtnachfrage nach dem Gut. Die Nachfrager bleiben jedoch nicht ewig im angeregten Zustand. Es gibt grundsätzlich zwei Prozesse die dazu führen, dass Nachfrager vom angeregten in den Grundzustand wechseln. Einerseits gehen Nachfrager in den Grundzustand über, sobald sie Einheiten des Gutes kaufen und damit ihr Kaufbedürfnis befriedigen. Andererseits gibt es die Möglichkeit, dass Nachfrager keine passenden Einheiten des Gutes zum gewünschten Preis finden und spontan in den Grundzustand wechseln. Die mittlere Zeit in der Nachfrage im aktivierten (kaufbereiten) Zustand bleiben sei τN.[14]
Das Aktivierungsmodell basiert darauf deterministische Gleichungen für die Nachfragemenge in Form eines sogenannten Erhaltungssatzes aufzustellen. Da es sich bei um eine quantitative Größe handelt, kann man die zeitliche Änderung der Gesamtmenge innerhalb eines kurzen Zeitintervalls dt als Folge von Zu- bzw. Abflüssen (Strömen) von Einheiten im aktivierten Zustand verstehen. Der Zufluss nachgefragter Einheiten des Gutes pro Zeiteinheit wird durch die Generationsrate beschrieben. Sie ist bestimmt durch Prozesse, die Nachfrager in den aktivierten Zustand heben. Dies kann entweder spontan erfolgen oder durch Einwirkung von außen erfolgen, beispielsweise durch Werbung der Anbieter, Preisangebote, Einflüsse des sozialen Umfelds etc. Die Generationsrate ist Folge der Prozesse des Erst- und Wiederkaufs und wird in den folgenden Kapiteln näher betrachtet. Abflüsse aus dem aktivierten Zustand kommen wie oben erwähnt durch zwei Prozesse zustande. Sollten Nachfrager im aktivierten Zustand nicht nach der mittleren Zeitdauer τN mit einem gewünschten Produkt zusammentreffen und kaufen, gehen sie spontan in den Grundzustand über. Der entscheidende Prozess für die Verminderung der Zahl nachgefragter Einheiten ist jedoch der Kaufprozess. Bei Kaufereignissen treffen Nachfrager mit angebotener Einheiten zusammen, kaufen sie und reduzieren damit die Anzahl nachgefragter Einheiten. Der Erhaltungssatz für die zeitliche Änderung der Gesamtzahl nachgefragter Einheiten (Gesamtzahl Einheiten im angeregten Zustand) lässt sich formal schreiben als: [15]
(2.1.1)
Der erste Term auf der rechten Seite charakterisiert die Zunahme der Gesamtmenge nachgefragter Einheiten durch die Generationsrate. Der zweite Term bestimmt die Abnahme der vorhandenen Menge nachgefragter Einheiten durch spontanen Wechsel in den Grundzustand mit der Lebensdauer nachgefragter Einheiten τN. Der letzte Term beinhaltet schließlich die Abnahme der Gesamtmenge nachgefragter Einheiten durch den Kaufprozess mit der Gesamtkaufrate des Gutes . Die zeitliche Änderung der Gesamtnachfragemenge lässt sich auch als Differenz aus einer effektiven Nachfragerate und der Gesamtkaufrate schreiben. Aus Gl.(2.1.1) folgt dann, dass für die Gesamtnachfrage konstant bleibt oder nach genügend langer Zeit gegen Null geht. Für eine Nachfragerate wird die Gesamtnachfragemenge mit der Zeit wachsen.
Auch Einheiten des Gutes die durch die Anbieterseite bereitgestellt werden, lassen sich durch das Aktivierungsmodell beschreiben. Die zwei Zustände werden ebenfalls als Grundzustand bzw. aktivierter (angeregter) Zustand bezeichnet. Im Grundzustand befinden sich Einheiten dann, wenn sie bereits produziert sind, produziert werden sollen oder jemals produziert wurden, aber noch nicht oder nicht mehr zum Kauf angeboten werden. Einheiten, die zum Kauf angeboten werden, befinden sie sich dagegen im aktivierten Zustand.[16] Auch hier gibt es zwei Prozesse, die Einheiten vom aktivierten in den Grundzustand wechseln lassen. Einerseits gehen angebotene Einheiten durch den Kauf durch Nachfrager in den Grundzustand über. Andererseits können sie nach Ablauf der mittleren Angebotsdauer τA in den Grundzustand übergehen.[17] Das Gesamtangebot ist dann definiert durch die Gesamtmenge angebotener Einheiten im aktivierten Zustand. Die zeitliche Änderung der Gesamtzahl angebotener Einheiten innerhalb des Zeitintervalls dt kann wieder als Folge von Zu- und Abflüssen verstanden werden. Der Zufluss an angebotenen Einheiten pro Zeiteinheit wird durch die Outputrate bestimmt. Die Outputrate ist das Resultat des Angebotsprozesses und wird in Kapitel 3.3 näher betrachtet. Die Anzahl angebotenen Einheiten verringert sich einerseits durch dessen Kauf. Andererseits nimmt die Angebotsmenge ab, weil angebotenen Einheiten nach einer gemittelten Angebotsdauer τA vom Markt spontan verschwinden.[18] Der Erhaltungssatz für die Änderung der Gesamtzahl angebotener (aktivierter) Einheiten pro Zeiteinheit lässt sich formal schreiben als:
(2.1.2)
Die Gleichung besagt, dass die Angebotsmenge mit der Outputrate zunimmt und mit der Gesamtkaufrate bzw. mit der Rate abnimmt. Die zeitliche Änderung der Gesamtnachfragemenge lässt sich ebenfalls als Differenz aus einer effektiven Outputrate und der Gesamtkaufrate schreiben. Auch hier gilt, dass für der Output so klein wird, dass ein Zustand mit der Gesamtangebotsmenge eingenommen wird. Für kann der Zustand dauerhaft verlassen werden und die Angebotsseite für einen Gütermarkt hat eine positive Gesamtangebotsmenge .
Für den Kaufprozess relevant sind nur die Gesamtmengen nachgefragter und angebotener Einheiten im aktivierten Zustand und . Das Aktivierungsmodell gestattet formal eine Quantifizierung der Entwicklung der Gesamtmengen angebotener und nachgefragter Einheiten des Gutes allerdings nur, wenn auch die Kaufrate spezifiziert werden kann. Dazu greifen wir auf Annahme ii) zurück, welche nach Gl.(1.2.5) besagt, dass Kaufereignisse als Folge eines zufälligen Zusammentreffens von angebotenen mit nachgefragten Einheiten verstanden werden können. Folglich muss die Gesamtkaufrate verschwinden, wenn es entweder keine angebotenen oder keine nachgefragten Einheiten gibt. Das bedeutet, ist in erster nichtverschwindenden Näherung: [19]
(2.1.3)
Als Proportionalitätsgröße führen wir die Variable η(t) ein, die im Weiteren Präferenzrate genannt wird. Sie gibt an, wie erfolgreich das Zusammentreffen von angebotenen und nachgefragten Einheiten pro Zeiteinheit ist. Die Präferenzrate kann in eine reine Kontaktrate η0(t) und einer Präferenz θ(t) zerlegt werden:
(2.1.4)
Die Kontaktrate η0(t) gibt dabei die Anzahl Kontakte pro Zeiteinheit zwischen nachgefragten und angebotenen Einheiten an.[20] Die Präferenz liegt zwischen 0≤θ(t)≤1 und stellt die Wahrscheinlichkeit dar, dass ein Kontakt auch zum Kauferfolg führt.[21] Wir wollen in diesem Kapitel die mittlere Präferenzrate η>0 als...