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E-Book

Mir fällt Einstein vom Herzen

Die Welt verstehen. Physik für alle

AutorHelen Czerski
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783104036625
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Warum bekommen Enten keine kalten Füße? - Physikalische Alltagsphänomene genial und spannend erklärt Ob Wärmelehre, Schwerkraft oder Beschleunigung, unser Alltag wird von physikalischen Gesetzmäßigkeiten bestimmt: Was haben Skorpione und Textmarker gemeinsam? Was hat ein Toaster mit dem Universum zu tun? Wieso dreht sich ein hartes Ei schneller als ein weiches? Wie macht man aus billiger Limonade und Rosinen eine Lavalampe? Wie funktioniert eigentlich ein Fahrstuhl? Und kennen Sie den Kaffeerandeffekt? Mit viel Humor und für jeden verständlich erklärt die legendäre Physikerin Helen Czerski, wie und warum die Welt um uns herum eigentlich funktioniert. Physik, die Spaß und schlauer macht!

Helen Czerski, Jahrgang 1978, ist eine britische Physikerin und Ozeanografin. Ihre BBC-Dokumentationen und Zeitschriftenartikel, in denen sie Wetterphänomene, Wellengänge und Klimaveränderungen verständlich erklärt, sind legendär. Zudem unterrichtet sie am University College in London, der Stadt, in der sie auch lebt

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Leseprobe

Einleitung


Wir leben am äußersten Rand des Planeten Erde, am Übergang zwischen ihm und dem Rest des Universums. In klaren Nächten können wir Abertausende leuchtende Sterne bewundern, vertraut und beständig, einzigartige Orientierungspunkte für unsere Position im Kosmos. Jede menschliche Zivilisation hat die Sterne betrachtet, doch niemand hat sie je berührt. Unser Leben auf der Erde ist das Gegenteil: Chaotisch, unstet, ständig neu, und es wimmelt von Dingen, die wir jeden Tag in den Händen halten und benutzen. Darauf müssen wir den Blick richten, wenn wir die Funktionsweise des Universums verstehen möchten. Die Welt um uns herum ist erstaunlich abwechslungsreich, eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten und verschiedene Kombinationen immer gleicher Atome bringen ganz unterschiedliche Ergebnisse hervor. Doch diese Vielfalt ist nicht beliebig. Unsere Welt ist von Mustern geprägt.

Wenn Sie Milch in Ihren Tee geben und umrühren, sehen Sie einen Strudel, eine Spirale von zwei Flüssigkeiten, die einander getrennt umkreisen. In der Tasse existiert diese Spirale nur wenige Sekunden, bevor sich die Flüssigkeiten vollständig vermischen. Doch diese Zeitspanne reicht, um sie wahrzunehmen, sie erinnert uns daran, dass Flüssigkeiten beim Zusammenfließen wunderschöne Muster bilden, statt direkt ineinander aufzugehen. Das gleiche Muster findet sich auch an anderen Stellen, aus dem gleichen Grund. Wenn man die Erde vom Weltraum aus betrachtet, sieht man solche Verwirbelungen oft in den Wolken, dort, wo warme und kalte Luft einander umtanzen, bevor sie sich vermischen. Solche Wirbel schieben sich regelmäßig von Westen über den Atlantik auf Großbritannien zu und erzeugen so unser notorisch unbeständiges Wetter. Sie entstehen an der Grenze zwischen kalter Polarluft im Norden und warmer tropischer Luft im Süden. Die kalte und warme Luft jagen einander im Kreis, wie man auf Satellitenbildern klar erkennen kann. Wir kennen diese Verwirbelungen als Tiefdruckgebiete oder Zyklonen, deren Ausläufer uns abrupte Wechsel zwischen Wind, Regen und Sonnenschein bescheren.

Ein solcher rotierender Sturm scheint wenig mit einer umgerührten Tasse Tee zu tun zu haben, doch die Ähnlichkeit der Muster ist kein Zufall. Sie weist auf etwas Grundlegenderes hin, eine systematische Struktur, die über Generationen hinweg von Menschen erforscht und in präzisen Experimenten überprüft wurde. Dieser Prozess – das kontinuierliche Erforschen und Überprüfen von vorhandenem Wissen sowie das Ergründen und Verstehen von neuen Zuständen – nennt sich Wissenschaft.

Manchmal ist es ganz leicht, ein Muster an verschiedenen Stellen zu entdecken. Doch gelegentlich liegt die Verbindung tiefer; dann ist es umso befriedigender, sie zu finden. Ein Beispiel: Es ist schwer vorstellbar, dass Skorpione und Radfahrer viel gemeinsam haben. Doch beide setzen auf den gleichen naturwissenschaftlichen Trick, um zu überleben, wenn auch auf entgegengesetzte Weise.

Eine mondlose Nacht in der nordamerikanischen Wüste ist eine kalte und stille Erfahrung. Es scheint nahezu unmöglich, hier draußen irgendetwas zu finden, da der Boden nur vom schwachen Licht der Sterne beleuchtet wird. Doch wer etwas ganz Besonderes sehen will, schnappt sich eine Spezialtaschenlampe und marschiert in die Dunkelheit hinaus. Die Taschenlampe muss in der Lage sein, für uns nicht wahrnehmbares Licht auszusenden: ultraviolettes Licht, auch »Schwarzlicht« genannt. Wenn ihr Strahl über den Boden gleitet, erkennt man nicht, worauf er gerichtet ist, da das Licht unsichtbar ist. Doch plötzlich blitzt etwas auf, und die Finsternis der Wüste wird durch einen überrascht umherkrabbelnden, seltsam blaugrün gefärbten Fleck durchbrochen. Ein Skorpion.

So suchen Enthusiasten nach Skorpionen. Der Panzer dieser schwarzen Arachniden enthält Pigmente, die das für uns unsichtbare ultraviolette Licht absorbieren und für uns sichtbares Licht abstrahlen. Das ist clever eingerichtet, auch wenn sich die Begeisterung aller, die Angst vor Skorpionen haben, vielleicht in Grenzen hält. Dieser Lichttrick trägt die Bezeichnung »Fluoreszenz«, und das blaugrüne Leuchten der Skorpione ist wohl eine Anpassung, die ihnen hilft, in der Abenddämmerung die besten Verstecke zu finden. Ultraviolette Strahlung umgibt uns immer, doch in der Dämmerung, wenn die Sonne gerade hinter dem Horizont abgetaucht ist, ist ein Großteil des sichtbaren Lichts verschwunden und nur das ultraviolette noch da. Jeder Skorpion, der sich nun im Freien aufhält, leuchtet und kann leicht entdeckt werden, weil es um ihn herum kaum blaues oder grünes Licht gibt. Wenn er nur ein kleines bisschen ungeschützt ist, bemerkt er sein eigenes Leuchten und erkennt daran, dass er sich besser verstecken muss. Es ist ein elegantes und effektives Warnsystem – zumindest war es das, bis die Menschen mit den Schwarzlicht-Taschenlampen auftauchten.

Glück für Arachnophobiker: Man muss nicht unbedingt nachts durch eine Wüste mit Skorpionen laufen, um etwas Fluoreszierendes zu sehen – auch an einem trüben Morgen in der Stadt ist es weit verbreitet. Schauen Sie sich die sicherheitsbewussten Radfahrer einmal genau an: Ihre Signalwesten erscheinen im Vergleich zur Umgebung auffällig farbenkräftig. Es sieht aus, als leuchteten sie – und das tun sie auch. An bewölkten Tagen blockieren die Wolken das sichtbare Licht, doch die ultravioletten Strahlen dringen trotzdem durch. Die Pigmente in der Signalkleidung nehmen sie auf und geben sichtbares Licht ab. Es ist das gleiche Verfahren wie bei den Skorpionen, doch aus dem entgegengesetzten Grund. Die Radfahrer wollen leuchten, dank dieses zusätzlichen Lichts sind sie leichter zu sehen und somit geschützter. Für Menschen ist diese Art der Fluoreszenz ein toller Tausch: Mit dem ultravioletten Licht verlieren wir etwas, das wir ohnehin nicht sehen, und gewinnen dafür etwas, das wir nutzen können.

Dieser Vorgang ist an sich schon faszinierend genug, doch besonders toll finde ich, dass eine physikalische Erkenntnis wie diese nicht nur grundsätzlich interessant ist, sondern auch an vielen Stellen als Werkzeug eingesetzt werden kann. In diesem Fall schützt das gleiche physikalische Prinzip Skorpione und Radfahrer. Außerdem sorgt es dafür, dass Tonic Water im Schwarzlicht aufleuchtet, weil das enthaltene Chinin fluoresziert. Und auch Textmarker und optische Aufheller in Waschmitteln funktionieren auf diese Weise. Wenn Sie das nächste Mal eine angestrichene Passage sehen, denken Sie daran, dass die Textmarkerfarbe auch als Indikator für ultraviolette Strahlung dient; obwohl man sie nicht sehen kann, verrät das Leuchten der Farbe, dass sie da ist.

Ich habe Physik studiert, da in diesem Fach Dinge erklärt werden, die mich interessieren. Die Physik gestattet mir einen Blick auf die Mechanismen, die unserem Alltag zugrunde liegen. Und das Beste ist: Ich kann einige von ihnen selbst erforschen. Auch heute, da ich hauptberufliche Physikerin bin, entspringen die meisten meiner Erkenntnisse nicht langen Laboraufenthalten, komplizierten Softwareprogrammen und teuren Experimenten. Die befriedigendsten Entdeckungen finden statt, wenn ich zufällig mit irgendetwas herumspiele und eigentlich gar nicht aktiv forsche. Wer ein paar Grundlagen der Physik kennt, für den ist die Welt eine Spielzeugkiste.

Oft werden die wissenschaftlichen Vorgänge, die sich in der Küche, im Garten oder auf der Straße beobachten lassen, ein bisschen herablassend betrachtet, als handle es sich um Kinderkram, triviale Ablenkungen, die den Kleinen viel bedeuten, für Erwachsene jedoch im Grunde nutzlos sind. Erwachsene kaufen sich lieber Bücher über den Aufbau des Universums; das ist ein angemessenes Thema für sie. Doch diese Einstellung missachtet eine sehr wichtige Tatsache: Überall wirken die gleichen physikalischen Gesetze. Jeder Toaster kann uns einige Grundgesetze der Physik nahebringen, und der Vorteil an einem Toaster ist, dass die meisten Leute einen zu Hause stehen haben und selbst untersuchen können, wie er funktioniert. Physik ist so spannend, gerade weil überall die gleichen Muster zu entdecken sind – sowohl in der Küche als auch in den entlegensten Teilen des Universums. Der Vorteil daran, sich zunächst den Toaster vorzunehmen, ist, dass man hinterher weiß, warum das Brot darin geröstet wird, auch wenn sich die Frage nach der Temperatur des Universums nie stellt. Sobald wir mit einem Muster vertraut sind, fällt es uns auch an anderen Stellen auf, sogar bei den beeindruckendsten Errungenschaften der Menschheit. Das Verständnis alltäglicher wissenschaftlicher Vorgänge verschafft uns ein Hintergrundwissen über die Welt, das jeder Bürger braucht, um voll und ganz am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

Haben Sie jemals ein rohes von einem gekochten Ei unterscheiden müssen, ohne die Schale zu knacken? Es gibt einen einfachen Trick. Legen Sie das Ei auf eine glatte, harte Oberfläche und drehen Sie es im Kreis. Legen Sie nach wenigen Sekunden kurz einen Finger auf die Schale, so dass die Drehung gestoppt wird. Nun liegt das Ei unbewegt da. Doch nach ein oder zwei Sekunden nimmt es möglicherweise wieder Schwung auf. Von außen betrachtet sehen rohe und gekochte Eier gleich aus, doch ihr Inneres unterscheidet sich – und das ist die Erklärung dieses Tricks. Wenn Sie ein gekochtes Ei stoppen, bremsen Sie damit einen kompletten Festkörper. Doch wenn Sie ein rohes Ei anhalten, wirkt sich das nur auf die Schale aus. Die Flüssigkeit im Inneren dreht sich weiter und zieht die Schale nach ein oder zwei Sekunden wieder mit sich, so dass das Ei erneut zu kreisen beginnt. Wenn Sie mir nicht glauben, nehmen Sie ein Ei und probieren Sie es aus. Dahinter steckt das physikalische Prinzip, dass Objekte eine Bewegung...

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