6.1 Figurenanalyse Felix Blum
Felix Blum, die Hauptfigur und tragende Gestalt des Romans, ist ein 12 Jahre alter Junge, der die 6. Klasse des Kant-Gymnasiums in der fiktiven Kleinstadt „Schönstadt“ besucht. Er ist ein sehr guter Schüler und wird von seinen Klassenkameraden nicht zuletzt deshalb - sowie auch weil er ein Brille trägt - „Professor“ genannt.
Er überragt seine Klassenkameraden nicht nur in den Schulleistungen, sondern auch in der Größe: Er ist nämlich der größte Schüler der Klasse.
Zudem spielt er noch im Schulorchester Klarinette; ähnlich wie seine Schulleistungen kann die musikalische Qualität als überdurchschnittlich charakterisiert werden, da er im Rahmen des
Weihnachtskonzerts eine sehr anspruchsvolle und lange Solopassage spielt, die die Orchesterleiterin eigens für ihn geschrieben hat.
Trotz dieser außerordentlichen schulischen Leistungen wird Felix vom personalen Erzähler als introvertierter Junge gekennzeichnet, der es hasst, viel reden zu müssen und lieber vor sich hin träumt [vgl. S. 19].
Diese Kennzeichnung deckt sich mit einer von Felix' Lieblingsbeschäftigungen, nämlich am Kanonenofen im Chefzimmer der alten verlassenen Ziegelei zu sitzen und darüber nachzudenken, was das Leben noch so bringen würde [vgl. S. 21].
Es wäre aber falsch, Felix als einen leidenschaftslosen und melancholischen Jungen zu bezeichnen. Besser und richtiger wäre es, Felix als einen Jungen von ausgeglichenem und beherrschtem Gemüt zu charakterisieren.
Möglicherweise ist diese Eigenschaft Felix´ auch darauf zurückzuführen, dass er keine Geschwister hat.
Er lebt nämlich als Einzelkind mit seinen Eltern, einem Akademikerehepaar - die Mutter ist Übersetzerin, der Vater Ressortleiter des Wirtschaftsteils des ortsansässigen Schönstädter General-Anzeigers - in Schönstadt, in einer „klassischen“ Reihenhaussiedlung. Zu Beginn des Romans herrscht im Hause Blums noch das klassische Familienbild vor: Der Vater geht arbeiten und verdient das Geld, während die Mutter zu Hause in ihrer Funktion als Hausfrau für Ehemann und Sohn sorgt.
Doch mit dem Verlust des Arbeitsplatzes des Vaters wandelt sich dieses klassische Familienbild und die geschlechtsspezifischen traditionellen Rollenmuster werden umgekehrt, da die Mutter fortan - zwar nicht als Haupternährerin der Familie - diejenige ist, die arbeiten muss und der Vater zwangsläufig in die Rolle des Hausmannes hineinschlüpft.
Zu Beginn des Romans wird der Erziehungsstil der Eltern als ein zum Teil nachsichtiger und für die „Dummheiten“ von 12-jährigen Jungen verständnisvoller Stil gekennzeichnet. Das wird ersichtlich, als der Vater Felix' und Peters illegalen Forellenfang zwar kritisiert, aber indem er ihm mögliche Konsequenzen aufzeigt und nicht etwa bestraft [vgl. S. 33]. Allerdings wird Felix, als er sich einmal über den Sprachfehler von Adam Schmitz lustig gemacht hatte, von seinem Vater dermaßen verbal gerügt, dass dieser sich nicht noch einmal über andere Menschen lustig machen wird.
Wie bereits angedeutet, verändert sich die wirtschaftliche Situation im Hause Blum, als der Vater seinen Arbeitsplatz verliert. Da die Hypothek für das Reihenhaus gezahlt werden muss und weitere finanzielle Ausgaben, wie die Reparatur des Autos, nicht länger aufgeschoben werden können, belastet diese finanzielle Situation die Familie und das Verhältnis der Familienmitglieder untereinander nachhaltig. Besonders die Situation der Eltern ist durch diese Verhältnisse
durchgehend gestört und nur selten sind die wenigen Vorzüge der Arbeitslosigkeit des Vaters [wie z.B. die Tatsache, dass er nun viel mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen kann] auch für die Mutter attraktiv.
Diese angespannte Situation wirkt sich besonders negativ auf den sensiblen Felix aus. Er leidet sehr darunter und hat große Angst vor dem wirtschaftlichen und möglichen sozialen Abstieg der Eltern.
In dieser Situation zeigt sich, dass Felix noch ein Kind ist, der als Trost sein Stofftier braucht. Aber auch wird aus dieser für Felix sehr beängstigenden Situation deutlich, dass sein bester Freund, Peter Walser, seine Sorgen und Ängste ernst nimmt und dass dieser mit seiner Lebensfreude und seinem beinahe schon naiv wirkenden Optimismus dessen Kummer verdrängen kann. Obwohl Felix und Peter, wie der personale Erzähler bereits im zweiten Kapitel berichtet, grundsätzlich verschieden sind [groß - klein, sportlich - unsportlich, guter Schüler - schlechter Schüler, still - rastlos etc.], teilen sie einen Großteil ihrer Freizeit. In ihrer Freizeit sind die beiden gerne an der frischen Natur und bewegen sich im idyllischen Schönstädter Forst und der dazugehörigen verlassenen alten Ziegelei.
Doch diese Idylle passt nicht so wirklich zu der Seelenverfassung des Protagonisten, denn direkt zu Beginn des Romans erfahren wir durch den personalen Erzähler und eine Rückblende auf den Abend des dritten Mai, dass Felix, obwohl er seine Eltern ganz passabel findet [S. 6], sich nicht als gleichberechtigtes Mitglied der Familie sieht, da ihn seine Eltern, vor allem, wenn es um das Thema Geld geht, vor vollendete Tatsachen stellen. Aus diesem Grunde beschließt er, reich zu werden, um sich so aus seiner Unmündigkeit befreien zu können.
Diese Unmündigkeit empfindet er insbesondere dann, wenn seine Eltern ihn, den 12-jährigen Jungen, als noch nicht erwachsen genug betrachten und ihn nicht mit ihren Problemen belasten wollen und ihn mit den Konsequenzen, in diesem Falle, nicht in den Urlaub fahren zu können, ohne Vorwarnung konfrontieren.
Mit diesem Bestreben zeigt sich erneut, dass Felix ehrgeizig und strebsam an seinem Plan festhält und dass mithilfe von Peter, Gianna und Adam Schmitz dieser Plan nach und nach in die Tat umgesetzt wird.
Die Figur des Felix Blum ist offen konzipiert und erfährt im Laufe des Romans eine grundlegende Wandlung.
Wird die Figur des Felix Blum zu Beginn des Romans vom Erzähler indirekt noch als ein ängstlicher Junge charakterisiert, der sich nicht traut, vom 3-Meter-Brett im Schwimmbad zu springen und im weiteren Verlauf immer wieder - entweder durch die Figur Peter Walsers oder
durch den personalen Erzähler - als „brav“ und ängstlich gekennzeichnet 36 , so haben sich die Charakterzüge zum Ende des Romans grundlegend geändert.
Felix ist nun ein mutiger Junge, der sogar den Anweisungen und Drohungen der bewaffneten Polizisten am Frankfurter Flughafen trotzt und die Analagebetrüger durch sein fast schon heldenhaftes Verhalten, indem er die Absperrungen am Terminal durchbricht, dingfest macht. Auch das Verhältnis zum Thema Geld hat sich grundlegend geändert.
Zu Beginn des Romans besitzt Felix die naive und kindliche Vorstellung, dass man mit Geld alle Probleme aus der Welt schaffen kann. Doch im Verlauf des Romans muss er schmerzhaft erkennen, dass Geld nicht die Lösung aller Probleme darstellt. Dieses wird besonders dann deutlich, als der Mitschüler Kai, dessen Eltern sehr reich sind, sich aber um ihn nicht kümmern, den drei Freunden mitteilt, dass er darunter leidet, von seinen Eltern kaum beachtet zu werden und dass er die drei Freunde um dessen Freundschaft beneidet.
Auch erkennt Felix, dass Geld weitere negative Faktoren mit sich bringt. Die unentwegte mentale Beschäftigung mit dem Geld zermürbt ihn zusehends und besonders die Äußerungen von Sarah Schmitz, in welche er sich im Verlauf des Romans verliebt, die sich mit den Ungleichheiten der Verteilung der Marktergebnisse auseinandersetzen, machen ihm schwer zu schaffen, sodass er unbedingt herausfinden will, wem der Schatz eigentlich gehört, um ihn zurückzugeben. Peter Walser
Peter Walser ist genau wie Felix 12 Jahre alt und besucht mit ihm die 6. Klasse des Kant-Gymnasiums. Die konträren physiognomischen und charakterlichen Eigenschaften der beiden scheinen weniger hemmend als eher fördernd für deren Freundschaft zu sein, denn diese verbringen beinahe ihre gesamte Freizeit miteinander.
Peter wohnt gemeinsam mit seinen beiden älteren Geschwistern im elterlichen Haus auf dem Grundstück, auf welchem sich auch die elterliche Tankstelle befindet. Da die Tankstelle auch vielfältige technisch orientierte Dienstleistungen anbietet und Peter seinen Eltern oftmals zur Hand geht, ist er handwerklich und technisch für sein Alter sehr versiert und begabt. Im Gegensatz zu Felix ist Peter in der Schule ein schlechter Schüler. Auch seine musikalischen Fähigkeiten beschreibt der Erzähler als ungestüm [S. 273].
Würde man deshalb Peter als einen Jungen mit beschränktem Geiste bezeichnen, wäre dieses mehr als verfehlt. Vielmehr sind dessen eher schlechte schulischen Leistungen auf seinen rastlosen und zappeligen Charakter zurückzuführen, der sich unter anderem darin äußert, dass er nicht eine Sekunde still sitzen kann.
Peters Fähigkeiten sind, wie oben dargestellt, eher praktischer Natur, was sich stets dann zeigt, wenn technische Fertigkeiten, wie das Bauen des Hühnerstalls oder das Befüllen des alten Rasenmähers von Felix Nachbarin notwendig sind. Auch mit Computern kennt er sich gut aus. Dabei greift er auf die Erfahrung der älteren Geschwister, vor allem des älteren Bruders Robert zurück. Dieser Bruder scheint eine wichtige Rolle in Peters Leben zu spielen, denn Peter benutzt sehr oft Sprüche, die er sich von...