2.1 | Umsetzung der in der Norm neuen, zusätzlichen Anforderungen in der Organisation |
Wolfgang Pölz
Bei Alice im Wunderland antwortet die Katze auf Alices Frage, wie es von hier aus weitergeht, mit: „Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest.“ Die Umsetzung der neuen bzw. geänderten Normforderungen findet in konkreten Organisationen und nicht in einem Märchen statt und dennoch verdeutlicht diese kurze Sequenz, dass es keinen Königsweg für die Umsetzung gibt! Es steht eine Vielzahl an Werkzeugen und erprobten Vorgangsweisen zur Verfügung, eine Erfolgsgarantie gibt es jedoch nicht. Zu unterschiedlich sind die Variablen einer jeden Organisation.
Zur Verdeutlichung: Organisationen können aus unterschiedlichen Blickwinkeln bzw. Seiten wie beispielsweise der Aufbauorganisation, der Ablauf-/Prozessorganisation, der betriebswirtschaftlichen Sichtweise; der Führung bzw. Kommunikation, der ständigen Verbesserung und auch der Managementsystemebene ‒ also vergleichbar einem sechsseitigen Würfel ‒ betrachtet werden (vgl. Bild 2.1).
In jedem Fall sollten dabei die Wechselwirkungen zwischen den Seiten berücksichtigt werden. Wann immer an einer Seite eine Veränderung erfolgt, wird diese auch auf die anderen Seiten einwirken.
Bild 2.1 Wichtigste Gestaltungselemente in einem Managementsystem
Generisch betrachtet, kann trotz der angesprochenen Individualität der in Bild 2.2 dargestellter Lösungsansatz verfolgt werden.
Bezugnehmend auf die sechs Seiten einer Organisation liegt es auf der Hand, dass auf ein ausgeglichenes Verhältnis dieser Seiten bei jeder Veränderung zu achten ist. Wenn der Würfel als Symbolbild für eine Organisation verwendet wird, ergibt sich unter Berücksichtigung der ersten Anforderung der ISO 9001:2015 (siehe Kapitel 1.1) auch schon der erste Schritt zur Umsetzung: Betrachten des Unternehmenszwecks und der strategischen Richtung der Organisation und die Bestimmung des relevantes Umfelds (vgl. Bild 2.3)
Das Gestalten der Organisation, also die bewusste Veränderung, ruft in der Regel innere Widerstände bei den Mitarbeitenden hervor. Diesem Aspekt, wie auch anderen, die mit dem Thema Veränderungen des Qualitätsmanagements in Verbindung stehen, widmet die ISO 9001:2015 mit dem Normpunkt 6.3 ein eigenes Kapitel. Aus diesem Grund wird hier nicht näher darauf eingegangen.
Bild 2.2 Übersicht zentraler Schritte zur Integration der neuen Normforderungen
Bild 2.3 Einbettung der Organisation in das Systemumfeld
In Schritt 2 ist, ausgehend vom Kontext und den strategischen Schwerpunkten, eine Ist-Analyse‒ beispielsweise in Form eines internen Audits auf Basis der Anforderungen der ISO 9001:2015 ‒ durchzuführen. Anstelle eines Audits bietet sich auch eine interne Workshopreihe oder auch andere Methoden zur Feststellung der Diskrepanzen zwischen dem bestehenden System und den neuen Anforderungen der ISO 9001:2015 an.
Abgeleitet von den identifizierten Änderungsbedarfen werden diese beispielsweise in Form eines Projekts oder von Arbeitspaketen erarbeitet und implementiert (= Schritt 3).
Den Abschluss und somit 4. Schritt bildet ein (neuerlich) durchgeführtes internes Audit, in dem die Wirksamkeit bzw. der Nachjustierungsbedarf festgestellt wird.
Die einzelnen Projektmanagementphasen und -werkzeuge sind an dieser Stelle nur angedeutet, finden jedoch in der Umsetzung der ISO 9001 an vielen Stellen Anwendungsmöglichkeit. Beispielhaft wird hier nur auf das Kapitel 6.3 Veränderungsmanagement verwiesen.
Abgesehen davon wird immer wieder gefragt, inwiefern diese Norm das Thema Projektmanagement enthalte.
In den Anforderungsabschnitten der Norm wird Projektmanagement zwar nicht explizit angesprochen, jedoch beispielsweise im Anhang A der ISO 10006 (Guidelines for quality management in projects) allen Abschnitten der ISO 9001 zugeordnet. Wenngleich in dieser Darstellung der Projektprozesse noch auf die ISO 9001:2000 Bezug genommen wird, zeigt sie dennoch sehr deutlich, dass (nahezu) alle Normforderungen auch beim Projektmanagement gut angewandt werden können bzw. mittels Projektmanagement erfüllt werden können (beispielsweise Entwicklung).
Je nach Branche wird Projektmanagement eine mehr oder weniger große Rolle in unterschiedlichen Phasen einnehmen. Im Zuge von Audits bietet der „Kontext der Organisation“ einen guten Hinweis, welche Rolle Projektmanagement einnimmt bzw. einnehmen sollte. So kann beispielsweise im Anlagenbau oder auch im Schienenfahrzeugbau bereits in der Angebotsphase Projektmanagement (Angebotsprojekt) zutreffend sein. Anregungen für die Gestaltung des Zusammenspiels zwischen Strategie bzw. Wertschöpfung und Projektmanagement sowie weiterführende Wechselwirkungen und Projektmanagementprozesse finden sich auch in der ISO 21500 (Leitlinien Projektmanagement).
In Tabelle 2.1 sind einige exemplarische Beispiele für die Verbindung von Projektmanagement und den Anforderungen der ISO 9001:2015 als Anregung angeführt.
Tabelle 2.1 ISO 9001:2015 in Verbindung mit Projektmanagement
Normabschnitt der ISO 9001:2015 | Hinweis in Richtung Projektmanagement |
5.1: „Leadership and Commitment“ | In der Anmerkung wird darauf hingewiesen, dass mit dem Wort „Geschäft (Business)“ auch die weitere Bedeutung dieses Terms zu verstehen ist und damit zentrale, für den Zweck der Organisation entscheidende Tätigkeiten gemeint sind. Dies kann, beispielsweise im Falle von Schienenfahrzeugbauern oder auch Bau- oder IT-Organisationen, auch Projektmanagement sein. |
6.3: „Planning of changes“ | Um die Anforderung der planvollen Umsetzung von Änderungen des QM-Systems zu erfüllen, bietet Projektmanagement ein fundiertes und systematisches Vorgehen. |
2.2 | ISO 9001:2015 auditieren |
Joseph B. Garscha
Der grundlegende Ansatz der ISO 9001:2015 ist es, dass das Qualitätsmanagementsystem für die Organisation maßgeschneidert sein muss. Entsprechend sind viele der Anforderungen auch so formuliert, dass der konkrete Anwendungsfall mit betrachtet werden muss. Die Organisation muss ihr Managementsystem geeignet, angemessen und wirksam gestalten. Was für eine Organisation genau richtig sein kann, kann bei einer anderen Organisation viel zu wenig oder sogar das Falsche sein.
Damit ergibt sich auch für das Audit, dass ein Auditor in der Lage sein muss, genau diesen spezifischen Bezugsrahmen zu verstehen, um die Eigenschaften des Systems zu beurteilen. Stellt das System sicher, dass fortlaufend Produkte hergestellt und Dienstleistungen erbracht werden, welche den Anforderungen entsprechen?
Neben einer tiefen Kenntnis von Qualitätsmanagementgrundsätzen und der Anwendung von Methoden erfordert diese gestellte Aufgabe zweifelsfrei auch, über ein Verständnis der Branche und deren Anforderungen zu verfügen. Ein Auditor muss auch den Kontext, in dem die Organisation agiert, verstehen können, damit er die entsprechenden Planungen und Aktivitäten im Rahmen des QM-Systems verstehen und deren Effektivität beurteilen kann. Das heißt, der Vorbereitung auf ein Audit ist noch größere Bedeutung beizumessen. Nur wenn Auditoren den Kontext der Organisation und dessen strategische Ausrichtung einordnen können, sind sie auch in der Lage, die Angemessenheit des Managementsystems zur Umsetzung dieser Aufgaben zu beurteilen.
Viele der Anforderungen können kaum „direkt“ auditiert werden. Nehmen wir zum Beispiel die Anforderungen an die oberste Leitung: „Diese muss sicherstellen, dass … [Hier folgen wesentliche Elemente und Aktivitäten eines Qualitätsmanagementsystems.] Ob diese Anforderungen erfüllt sind, kann man nicht erkennen, indem man die oberste Leitung fragt: „Wie haben Sie sichergestellt …?“, sondern man kann das erst dann erkennen, wenn man Nachweise gesehen hat, dass diese Aktivitäten wirklich durchgeführt wurden. Das heißt, in vielen Fällen wird sich die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Anforderungen durch das Nichtfunktionieren von Prozessen, durch Probleme bei Schnittstellen oder eventuell sogar durch nicht erfüllte Kundenanforderungen oder Reklamationen erkennen lassen. Das Sammeln von ausreichend und aussagekräftiger Auditinformation und das Selektionieren der signifikanten und objektiven Nachweise ist deshalb beim Auditieren wesentlich, um die geeigneten, zutreffenden und hilfreichen Schlussfolgerungen zu treffen.
Gleichzeitig müssen Auditoren die gestellten Mindestanforderungen sehr genau kennen und verinnerlicht haben. Da auch im Audit Wirkzusammenhänge betrachtet werden und dadurch auch Verbesserungen aufgezeigt werden...