Stefan Schmittmann
Plädoyer für ein professionelles Personalmanagement
Die Partnerin oder den Partner fürs Leben zu finden ist zumeist ein Ereignis, das sich mehr oder weniger natürlich ergibt. Ohne ausgefeilte Strategie – so scheint es zumindest auf den ersten Blick – fällt einem das Glück zu. Manchmal weiß man von einem Augenblick zum nächsten: Das ist der richtige Mensch an meiner Seite. Bei kleineren und mittleren Betrieben gestaltet sich die Suche nach Mitarbeitern oft ähnlich: Entscheidend ist der erste Eindruck beim Sortieren der Bewerbungsunterlagen und im Vorstellungsgespräch. Auch hier spielt die Sympathie auf den ersten Blick eine Rolle – die Frage, ob die Chemie stimmt. Selbst erfahrene Entscheider überraschen ihre potenziellen Mitarbeiter bisweilen mit der Aufforderung: »Sagen Sie mir in eineinhalb Minuten, warum wir gerade Ihr Angebot, Ihre Bewerbung annehmen sollen!«
Da stellt sich die Frage: Kann es das wirklich sein? Ist Personalrekrutierung nach Intuition und Augenschein das Maß aller Dinge? Oder sollte eine Bauchentscheidung wie bei der privaten Partnersuche eher nicht auf die Personalrekrutierung von Unternehmen übertragen werden? Ist das Kriterium »Die Chemie muss stimmen« – abgesehen von den nun einmal unverzichtbaren Fachkompetenzen – tatsächlich ausreichend? Und selbst wenn die »Chemie« ein wesentlicher Punkt ist, wäre es nicht trotzdem vorteilhaft, dieses Kriterium der Reflexion und damit der Überprüfbarkeit zugänglich zu machen, ähnlich der Überprüfbarkeit von singulären Fachkompetenzen?
Der vorliegende Sammelband gibt einen kleinen Einblick in die aktuelle Forschung über erfolgreiches Personalmanagement im Mittelstand.
Ich möchte dazu einige spannende Aspekte vertiefen, in der Hoffnung, Sie auf die Lektüre einzustimmen.
Es geht dabei um den Nutzen der aktuellen Forschung für den Mittelstand und um dessen Positionierung im härter werdenden Kampf um Talente vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Außerdem wird ein Blick auf Hindernisse und erfolgreiche Konzepte mittelständischer Personalarbeit geworfen.
Nutzen für den Mittelstand
Ich bin bei der HypoVereinsbank für das Geschäft mit Firmen- und kommerziellen Immobilienkunden verantwortlich. Viele meiner mittelständischen Kunden schwören auf das gute alte Bewerbungsgespräch und haben auch immer wieder in der Tat das »richtige Händchen« bei der Mitarbeiterfindung bewiesen. Ich hätte vor dem in diesem Buch dokumentierten fünften Expertenforum ohne zu zögern mitgeschworen. Prof. Christian Scholz von der Universität des Saarlandes indes beweist mit statistisch eindeutigen Belegen: Die Irrtumswahrscheinlichkeit in Bewerbungsgesprächen ist sehr hoch. Sein Appell während der Podiumsdiskussion lautete daher: Professionalisierung. Das Bewerbungsgespräch solle ein Baustein von mehreren Phasen der Personalauswahl sein.
Auch Prof. Wolfgang Salewski von der Universität Witten/ Herdecke sorgte für Staunen mit seiner These, dass der Mensch viel früher fertig als angenommen sei. Wenn also der Mensch von frühester Kindheit an weitgehend festgelegt ist und sich in seinen Grundzügen nicht mehr ändert, sind viele Schulungen, Seminare und aufwendige Wochenendtrainings sinnlos. Jeder kennt das aus dem eigenen Betrieb. Irgendwann nach dem x-ten Motivationsworkshop ist die Luft einfach raus. Da nützt auch das beste Catering nichts. Statt also alle Mitarbeiter über einen Kamm zu scheren und sie gleichermaßen zu bilden und zu führen, muss die Personalentwicklung künftig viel stärker als bisher maßgeschneiderte, individuelle Entwicklungskonzepte anbieten. Die Persönlichkeit des Einzelnen und die an ihn gestellten beruflichen Anforderungen müssen auf einen Nenner gebracht werden.
Sichere Verfahren
Aus Erfahrung weiß ich, dass es viele tolle Leute gibt, die sich in mittelständischen Unternehmen unglaublich entwickelt haben. Aber das mittelständische Personal sollte noch stärker beraten und die Laufbahnen sollten noch mehr geplant werden. Mittlerweile gibt es zum Beispiel in der Eignungsdiagnostik sichere Verfahren, mit denen die Persönlichkeit und Intelligenz, die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Bewerbers beschrieben werden können.
Die Personalpolitik im Mittelstand ist hochkomplex und im Wandel begriffen. Die neuesten Forschungserkenntnisse zeigen: Der individuelle Personalberatungsbedarf steigt. Und damit auch die Notwendigkeit, das Personalmanagement angemessen zu professionalisieren. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland wird der Verdrängungswettbewerb um Talente härter. Viele Mittelständler erklären daher ihr Personalmanagement zur Chefsache. Aber reicht das aus?
Bis zum Jahr 2015 wird die Zahl der Arbeitskräfte im Alter zwischen 30 und 45 Jahren um mindestens ein Viertel abnehmen. Schon in drei Jahren werden 58 Prozent aller Arbeitskräfte über 40 Jahre alt sein. Immer weniger junge Arbeitnehmer, die qualifiziert und einsatzfreudig sind, stehen den Unternehmen zur Verfügung. Das heißt: Die »Ressource Mensch« wird knapp. Der Wissensgesellschaft droht der »Rohstoff« auszugehen. Das stellt alle in den kommenden Jahren vor ganz neue Herausforderungen. So muss der Mittelstand den zunehmenden Mangel an guten Mitarbeitern und Führungskräften kompensieren.
Da das Bildungsniveau in Deutschland sinkt, wird es immer schwieriger, zum Beispiel qualifizierte Lehrlinge zu finden. Da reicht es nicht, sich auf Initiativbewerbungen zu verlassen. Immer häufiger starten Mittelständler deshalb privatwirtschaftliche Initiativen an Schulen und Hochschulen – wie Info-Tage, Sponsoring und Praktika. Aber rund ein Drittel der Firmen ist beim Nachwuchs-Recruiting immer noch nicht aktiv. Diese Unternehmen verpassen daher die Chance, sich gegenüber potenziellen Leistungsträgern positiv darzustellen. Experten sprechen bereits von einem »Kampf um Talente«.
In den nächsten 15 Jahren wird sich der Arbeitsmarkt zu einem ausgeprägten Arbeitnehmermarkt entwickeln. Einerseits fällt ein Teil der Deutschen durch das Raster und lebt unter prekären Bedingungen. Andererseits werden gute Leute gesucht – derzeit bekanntlich vor allem in der Maschinenbaubranche. Junge tüchtige Ingenieure können sich aussuchen, für wen sie arbeiten. Große Marken treten dabei gegen den Mittelstand an. Daher sollte der Mittelstand unbedingt verstärkt Instrumente des Personalmarketings nutzen. Er kann dabei auf ein gutes Standing in der Bevölkerung setzen, um das ihn sicher manche großen Unternehmen beneiden.
Heterogenes Gebilde
Zum Mittelstand zählen rund 3,3 Millionen unterschiedliche Unternehmen, das sind 99,7 Prozent aller Betriebe in Deutschland. Diese Unternehmen beschäftigen 70 Prozent aller Erwerbstätigen und stellen über 80 Prozent aller Ausbildungsplätze zur Verfügung. Zum Mittelstand gehören Kleinstbetriebe mit einem Umsatz von unter einer Million Euro im Jahr, aber auch Unternehmen mit einem Umsatz bis zu 50 Millionen Euro. Viele noch größere – oftmals familiengeführte – Firmen fühlen sich dem Mittelstand zugehörig. Der häufig in der Region stark verwurzelte Mittelstand ist also ein sehr heterogenes Gebilde mit unterschiedlichen Personalerfordernissen und -strukturen.
Gerade das wird ihm meiner Einschätzung nach im Wettbewerb um Talente zum Vorteil gereichen.
Für viele Mittelständler sind die eigenen guten Mitarbeiter der effizienteste Weg zu neuen guten Mitarbeitern. Sie geben Bewerbern eine Chance, die zu denen passen, die schon da sind. Dies ist eine kostengünstige, unbürokratische Methode der Personalrekrutierung und dem Betriebsklima förderlich. Man kennt und vertraut sich über Hierarchien und Abteilungsgrenzen hinweg. Doch wenn die Firma wächst und möglicherweise im Ausland produziert, gilt es, auch die bewährten Konzepte und neuesten Erkenntnisse der modernen Personalführung für sich zu nutzen. In diesem Zusammenhang kommen die großen Konzerne in ihrer Vorreiterrolle ins Spiel. Ihre Etats für Personalmarketing sind heute bereits so groß wie die für die klassische Werbung. Mit dem Ziel, potenzielle Führungskräfte an sich zu binden, setzen sie auf »Employer Branding« (Arbeitgeberwerbung), dazu gehören etwa »Guerilla-Kampagnen« an den Universitäten. »Guerilla-Marketing« setzt auf unkonventionelle Aktionen, welche die positive Aufmerksamkeit...