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E-Book

Rund um die Erde

AutorKurt Faber
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl269 Seiten
ISBN9783849653040
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Rund um die Erde ist eine Sammlung der besten Erlebnisse des deutschen Weltenwanderers Faber. Er erzählt von den Irrfahrten und Abenteuer eines Greenhorns. Inhalt: Vom Wandern... Allein in Paris Von Kühen, Pferden und anderen Dingen Nach Texas Der Kettengang Als 'Hobo' nach Westen Durch Arizona nach Westen Rivierafahrten Auf, über und unter der Eisenbahn In San Franzisko Nach dem Erdbeben Auf dem Pacific Heimwärts im Heizraum

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Leseprobe

 


Auf der Lauer. – Der Hunger wird immer stärker. – Die Kuchen der Landsmännin. – Ein schwarzer Gentleman nimmt sich meiner an. – Er weiht mich in die Geheimnisse des »Schwarzfahrens« ein. – Ich bekomme es mit der Angst zu tun. – Die Fahrt auf dem Wagendach. – Sekretär beim Chinesenkoch. – Ein Dollar und das »Tschau«. – Ein Kapitel über die Tramps. – Allerlei Gelichter. – Die Heilsarmee als Rettungsanker. – Ankunft in El Paso. – Unter den Dollarjägern. – Die Lady und der Struwelpeter. – Mord in der Spielhölle. – Ein sonderbares Stück Arbeit. – Viva Mejicol – Das Stiergefecht. – Beim Eisenbahnbau. – Ich werde Boß. – Eine kurze Karriere.

 

Das ist indes kein echter Glücksritter, der sich durch ein paar trübe Tage die Unternehmungslust rauben läßt. Hunger, Not, Polizeigefängnis – das alles hat nichts Tragisches für den Mann auf der Landstraße. Es kommt über ihn wie ein Hagelwetter. Er duckt sich, solange es dauert. Er schüttelt es ab, wenn es vorüber ist, wie ein Hund das Wasser, wenn er aus dem Bade kommt. Und doch ist es ein böses Erlebnis, wenn man bei Nacht und Nebel mit knurrendem Magen und zerrissenen Schuhen zur Stadt hinausmarschiert.

 

Langsam wanderte ich westwärts den Schienenstrang entlang, auf einer breiten, sandigen Straße. Nach einer Weile begann dicht neben der Bahn der große Schlachthof von San Antonio aufzutauchen. Die schattenhaften Umrisse großer Gebäude wuchsen aus der Dunkelheit heraus, riesige Schornsteine hoben sich scharf und bestimmt vom helleren Nachthimmel ab. In dem Viehhof scharrten und stampften die Kühe und muhten in die Nacht hinein, um den Nachtfrost abzuschütteln, der sich allmählich von dem klaren, winterlichen Sternenhimmel herabzusenken begann. Ein schwerer, beißender Geruch von Dung und Fäulnis und Verwesung lag in der Luft.

 

Das also war die Stelle! Hier, an der Kreuzung der beiden Bahnlinien, wo auf das Signal vom Stellwerk die Züge ihre Fahrt auf geringe Geschwindigkeit herabmindern mußten, da war der Platz, wo die schwarzfahrenden Fahrgäste gewöhnlich den Zug bestiegen. Man brauchte nur am Abhang des Bahndamms auf der Lauer zu liegen und dann in einem unbewachten Augenblick auf einen der vorüberrollenden Wagen aufzuspringen. So hatten sie es mir auseinandergesetzt, die Fachleute im Gefängnis. Nun lag ich schon eine Weile im Graben und horchte gespannt auf die Melodien der Nacht. Auf das Summen des Windes in den Telegraphendrähten, auf das Zirpen der Grillen im Grase, auf das Muhen der Kühe, das Stampfen der Pferde und auf das Klirren und Poltern der rangierenden Züge weit draußen im Güterbahnhof. Plötzlich blitzten rote und grüne Lichter vor dem Stellwerk auf. Der Boden zitterte leise, und wie eine funkelnde, leuchtende Schlange jagte ein Schnellzug über die Schienen. Er kam heran wie ein Ungewitter. Der Bahndamm zitterte wie bei einem Erdbeben, und es sauste, schnaubte, brüllte und donnerte in der Luft. Schon war es vorüber. Nein, nur ein Wahnsinniger hätte es versuchen können, sich hier einen Freipaß zu verschaffen!

 

Eine halbe Stunde später kam ein Güterzug herangekeucht. Langsam, schwerfällig und gewichtig. Kurz vor der Kreuzung verminderte er seine Fahrt zu einem Schneckentempo, so daß selbst ein Kind beim Aufspringen keine Gefahr gelaufen wäre. – Aber wo? und wie? Die ganze endlose Reihe bestand nur aus verschlossenen und versiegelten Packwagen, die selbst bei größter Phantasie keine Fahrgelegenheit boten, es sei denn, daß man mit dem Dach vorlieb nehme. Schnell war der Spuk vorüber, und nur noch die beiden Endlichter grinsten wie zwei höhnische grüne Augen in der Ferne, bis auch sie von der Nacht verschlungen wurden.

 

Wieder wartete ich lange Stunden, ohne daß ein neuer Zug in Richtung Kalifornien aufgetaucht wäre. Ein grauer, trüber, tropfender Morgen fand mich immer noch in San Antonio. Ein häßlicher Morgen. Mich erfaßte das graue, ungewaschene Gefühl, das beim Grauen des Morgens den zu erfassen pflegt, der die Nacht bei Mutter Grün zugebracht hat. Ich hatte einen häßlichen Geschmack im Munde. Ein schneidender Wind durchschauerte mich bis aufs Mark, und der Magen, der schon seit Tagen sich mit dumpfem Knurren begnügt hatte, fing nun an zu bellen nach allen Regeln der Kunst. Es war ein Glück, daß in einem nahen Garten ein Feigenbaum stand, an dem noch einige runzlige, vertrocknete Früchte hingen, die man bei der Ernte vergessen hatte. So stieg ich denn wie einst Zebedäus auf den Baum, und noch nie haben mir Feigen so gut geschmeckt wie damals.

 

Mißmutig und vorsichtig um mich schauend wanderte ich zurück nach der Stadt, von der ich am Abend zuvor für immer Abschied genommen hatte. Es wurde Mittag, die Sonne brannte, und der Staub der Straßen wirbelte in der trockenen Luft. Es mag wohl sein, daß mein ganzes Äußere nach Almosen schrie, denn als ich an einem deutschen Bäckerladen vorbeiging, wo allerlei wunderbare Kuchen im Schaufenster standen, da fragte die Bäckerfrau, die gerade vor der Tür stand, ob ich etwas davon haben möchte. Ich sagte natürlich nicht nein, und sie führte mich in die handfest möblierte Wohnstube, wo sie mich mit Kaffee und Kuchen traktierte. Die Tasse füllte sie immer wieder von neuem, und der Teller mit dem Kuchen wurde niemals leer. Indessen erzählte sie mir ihre ganze Lebensgeschichte mitsamt einer Angabe des Stammbaums der Familie bis ins dritte und vierte Glied. – Ah, Deutschland!

 

Sie sei in der Gegend von Koblenz zu Hause und erst vor sieben Jahren übers große Wasser gekommen. Vor einem Jahr sei ihr Mann unter ein Fuhrwerk geraten und tödlich verunglückt. Ihre drei Töchter seien verheiratet. Die zwei ältesten Söhne führten das Geschäft. Nur der jüngste, der sei ein Dickkopf und ein Tunichtgut. Er treibe sich überall in der Welt herum, ohne daß man zumeist wüßte wo. Eine Weile habe er in Milwaukee gearbeitet. Dann sei er in Dakota bei der Ernte beschäftigt gewesen und zuletzt wollte er nach Kalifornien, wahrscheinlich weil einem dort die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. – Ja, es sei ein Kreuz mit den unruhigen Geistern, die in die Jugend von heutzutage gefahren wären. – Ob ich nicht noch ein Stück von dem Streuselkuchen essen wollte? – Ich wollte schon, und wenn ich mich auch ein bißchen zierte, so aß ich doch ein Stück Kuchen ums andere, und als ich mich zum Fortgehen anschickte, gab sie mir ein Paket mit, in dem Kuchen genug waren, um ein ganzes Mädchenpensionat damit für vierzehn Tage zu versorgen.

 

Als ich am dämmernden Abend mit meinen Schätzen zurück zu meinem alten Versteck an der Bahnkreuzung beim Schlachthaus kam, da hatte sich dort inzwischen ein anderer blinder Fahrgast eingefunden; ein großer, herkulisch gebauter Neger mit nußbraunem Gesicht und lackglänzenden Augen. Er trug einen langen, speckigen, grünverschossenen Schwalbenschwanzrock, niedrige Oxfordschuhe mit koketten Schleifen und zerrissenen Lackkappen. Dazu einen steifen, staubigen, an der Spitze etwas eingedrückten Hut, einen hohen, schmutzigen Kragen und eine fettglänzende Krawatte, die in besseren Tagen wohl einmal knallrot gewesen sein mochte. Er saß über einem kümmerlichen Feuer und kochte Tee in einer Tomatenbüchse. Alles an ihm erinnerte an vergangene Größe in einem Zirkus oder einer Schmiere.

 

»Hallo, Jack!« rief er mir zu, »wo machst du hin?«

 

»Nach Westen.«

 

»Dann wird's aber höchste Zeit. Eben stellen sie drunten den Zug zusammen. In einer halben Stunde wird er hier sein. Aber was – was hat das Baby denn da? Kuchen, bei Gott! 's ist ein Monat von Sonntagen her, seit ich keinen Kuchen mehr gesehen habe. Ha! Ha! Ein Hobo und Kuchen!«

 

Und dann, als ob ihm jetzt erst der Sinn für das Komische an der Sache aufgegangen wäre, fing er an zu lachen, wie nur ein Nigger lachen kann. »Kuchen! Ha! Ha!« Zuerst lachte er langsam und gewichtig mit einem tiefen Brummbaß. Dann ging es über alle Stufen der Tonleiter hinauf bis zum höchsten C der Primadonna auf dem Theater, um dann plötzlich und unvermittelt mit einem Salto mortale wieder hinunterzufallen zur düsteren Grabesstimme.

 

»Wenn du Kuchen fechten kannst«, sagte er mit Tränen in den Augen, »so verstehst du dich besser aufs Handwerk als ich, und ich bin schon auf der Walze gewesen, als du noch nicht geboren warst. Nun hör mal zu. Ich hab' eine feine Idee! Wir beide – ich und du –, wir wollen zusammen ein Kompagniegeschäft machen. Du wirst die Kuchen fechten, und ich werde auf den Hinterhöfen nach Eiern, Hühnern und Wassermelonen Umschau halten. Droben in El Paso kenne ich eine farbige Dame, die uns durchfüttern wird, bis das Frühjahr kommt. Dann werden wir langsam weiter machen nach Kalifornien. Wir werden uns viel Zeit nehmen unterwegs, denn wenn man immer wieder drauf losfährt, wie manche von den Jungens, so wird man mit der Zeit müde werden, und das ist das Dümmste, was einem passieren kann. Was liegt denn daran, ob du da oder dort bist?«

 

Solche Philosophie war nun allerdings gar nicht nach meinem Geschmack, aber da der farbige Gentleman offenbar ein Mann war, der sich auskannte, suchte ich möglichst viele Kenntnisse auf dem Gebiet des Schwarzfahrens und anderer Schwarzkünste aus ihm herauszulocken. Er lachte mitleidig, als ich ihm von meinen mißglückten Versuchen berichtete.

 

»Du bist ein großes Grünhorn«, meinte er, »wenn im Zug kein Platz ist, so fährt man eben darunter auf den Stangen zwischen den Rädern – die Jungens nennen das...

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