Es gibt Tage, die vergisst man einfach nie! Sicher, das mag sich wie eine abgedroschene Phrase anhören und wie oft sagt man genau diesen Satz nach einem schönen oder angenehmen Erlebnis und hat schon kurze Zeit darauf genau den Tag vergessen, den man vorher noch so großspurig in die geistigen heiligen Hallen der ewigen Erinnerung platziert hat. Aber ich habe wirklich einen solchen Tag erlebt. Einen Tag, den ich vermutlich bis an mein Lebensende nie vergessen und die Erinnerung daran wie einen ganz heimlichen Schatz immer für mich bewahren werde...
ICH WAR GERADE 19 JAHRE und hatte erst vor wenigen Wochen meine erste eigene Wohnung bezogen. Sie lag mitten in der Stadt, war nicht groß, aber reichte vollkommen aus. Eben wie eine typische Junggesellenwohnung zu sein hat: Mit dem notwendigsten ausgestattet und vor allem eine Tür, die man von innen verschließen kann und in diesem Moment weiß, dass keine Mutter rufen, kein kleiner Bruder klopfen oder gar rein stürmen und nerven kann. Die erste eigene Bude braucht nicht viel, nur eine Tür, die sich von innen verschließen lässt.
ES WAR DER ERSTE SAMSTAG im April, als ich am frühen Morgen von einem lauten Poltern aus dem Schlaf gerissen wurde. Es war ein Knall, als würden Türen zugeschlagen oder so etwas in der Art. Dann kurz Stille, sodass ich gerade wieder dabei war, zurück ins Reich der Träume zu gleiten und dann wieder: Lautes Krachen, Poltern und Knallen. Ich rieb mir die Augen und bereute es für einen kurzen Moment, erst so spät von meiner Kneipentour heim gekommen zu sein. Aber als ich auf die Uhr blickte und sah, dass es gerade mal kurz nach neun Uhr war, da fluchte ich innerlich. Wochenende und dann so früh Lärm im Haus! Doch schon im nächsten Moment erinnerte ich mich daran, dass die Wohnung gegenüber leer stand und wurde neugierig, ob die Geräusche von dort kamen. Ich sprang aus dem Bett und ging barfuß zur Tür, um einen Blick durch den kleinen Spion zu werfen. Eigentlich war ich keiner von denen, die neugierig hinter ihren Türen ins Treppenhaus lauschen oder spähen, aber irgend etwas in mir löste diesen Drang aus, unbedingt wissen zu wollen, was da draußen vor sich ging.
ICH SPÄHTE DURCH DAS kleine Loch hinaus und erkannte, dass die Tür zur gegenüberliegenden Wohnung offen stand. In diesem Moment kam ein junger Mann die Treppe hoch. Er hielt einen großen Karton in seinen Händen und trug ihn in die Wohnung, nur um wenige Augenblicke später erneut aus der Wohnung zu kommen und wieder die Treppe herunter zu laufen. Der kurze Blick, den ich auf den Mann erhaschen konnte gefiel mir. Er war etwa in meinem Alter, vielleicht zwei, drei Jahre älter höchstens und hatte einen guten, kräftigen Körperbau. Wow, dachte ich, ein knackiger junger Nachbar, na wenn das kein Glückstreffer ist. Ein Kerl genau nach meinem Geschmack. Ich wartete hinter dem Spion und wollte noch einmal sicher gehen, ob es wirklich ein derart sexy Boy sein konnte. Er musste ja jeden Moment wieder kommen, denn die Tür zur Wohnung stand noch immer weit offen. Und ich wurde für mein Warten schnell belohnt. Denn kurz darauf erschien der Kerl erneut mit einer großen Umzugskiste in seinen Händen. Die Last spannte seine Oberarmmuskeln an, sodass diese die gesamten kurzen Ärmel des T-Shirts ausfüllten und zudem noch die kräftige Brust durch das enge Shirt zu sehen war. Ein wirklich geiler Anblick, der sofort Wirkung zwischen meinen Beinen zeigte. Ich merkte, wie das Blut zwischen meine Beine gepumpt wurde und in meiner Unterhose das Leben erwachte.
WAR ICH EBEN NOCH VERSCHLAFEN und wütend darüber, so unsanft geweckt worden zu sein, war ich jetzt hellwach und in freudiger Erregung. Ein Kind von Traurigkeit war ich ohnehin nie, also beschloss ich, die Chance zu ergreifen und beim Schopf zu packen. Ich ging ins Bad, zog meine Jeans und mein Shirt an und warf noch einmal einen Blick in den Spiegel: Ja, so konnte ich mich sehen lassen!
ICH GING WIEDER ZUR Tür und wartete ab, dass der junge Typ erneut mit einem Karton hoch kommen würde und musste nicht lange darauf warten. Kaum erblickte ich ihn, holte ich noch einmal tief Luft und öffnete die Tür, ging ins Treppenhaus und sagte mit einem optimistischen Lächeln auf meinen Lippen: „Guten Morgen. Brauchst du vielleicht Hilfe?“
DER JUNGE KERL STELLTE den Karton ab und sah mich ganz entsetzt an, als hätte er nie damit gerechnet, derart angesprochen zu werden. Erst jetzt sah ich, dass er strahlend blaue Augen hatte, die wie ein klarer Gebirgssee in der Sonne leuchteten. Er zögerte kurz, stellte dann den Karton ab und sagte: „Danke, gern.“ Er reichte mir die Hand und sagte weiter: „Ich bin übrigens Thorsten und ziehe hier ein.“
„KLINGT JA SUPER, THORSTEN. Ich bin der Andy.“
„NETT DICH KENNEN ZU lernen und gleich so nett begrüßt zu werden.“
„IST DOCH EIN FREUNDLICHES Haus hier“, gab ich lächelnd zurück, „Hier kümmert man sich doch noch um das Wohlergehen seiner Nachbarn.“
THORSTEN MUSSTE GRINSEN als ich das sagte und entblößte dabei seine perfekten, weißen Zähne, die das Gesamtbild nur noch einmal verstärkten. Oh ja, er war wirklich der Traumtyp, der einen schwach werden lassen konnte....
„SO, SO, MAN KÜMMERT sich also um das Wohlergehen... klingt ja interessant und verlockend“, antwortete Thorsten lächelnd und griff wieder nach seinem Karton, den er eben abgestellt hatte. Wieder spannten sich seine Muskeln an und ließen das T-Shirt augenblicklich hauteng auf seinem Körper kleben. Ein Körper wie gemalt, perfekt definiert und dazu in seiner Jeans noch ein knackiger, runder Po, wie ich unzweifelhaft erkennen konnte, als er in die Wohnung ging, um den Karton abzustellen. Er kam nach wenigen Augenblicken wieder hinaus und klopfte mir auf die Schulter: „Na dann wollen wir mal, oder?“
„ABER GERN!“ ICH FOLGTE ihm hinunter und sah, dass draußen ein Kleintransporter mit geöffneter Heckklappe stand. Neben zahlreichen weiteren Kartons fanden sich darin noch Einzelteile von auseinander gebauten Schränken und einem Bett. Das zu sehen machte mir klar, dass hier noch ein gutes Stück Arbeit warten würde....
WÄHREND THORSTEN UND ich nach und nach die Sachen nach oben in seine Wohnung brachten, erzählte er mir, dass dies seine erste eigene Wohnung ist. Eigentlich wollte er in eine Studenten-WG einziehen, aber als sein Vater das wohl hörte, besorgte er ihm die Wohnung und bezahlte gleich die Miete für das erste Jahr. Wobei Thorsten nicht wusste, ob das aus Freundlichkeit war oder um sicher zu gehen, dass er nicht schon wieder in wenigen Wochen zu Hause auf der Türschwelle stehen würde. Er kam aus einer Kleinstadt hoch im Norden und war froh, endlich hier in der Stadt ein neues Leben beginnen zu können. Das Studium war zwar nicht seine erste Wahl, schien ihm aber der geeignete Weg, um so weit wie möglich von zu Hause weg zu kommen. Es klang alles nach einem sehr angespannten Verhältnis, das er mit seinem Elternhaus haben musste und ich fragte mich, wo das wohl her kam. Als wir schließlich eine weitere Fuhre Kartons nach oben geschleppt hatten, fragte ich Thorsten, ob er nicht Lust auf ein kühles Bierchen hätte und eine kleine Pause. „Gern“ gab er zurück und ich ging schnell in meine Wohnung, um zwei Flaschen aus dem Kühlschrank zu holen.
WIEDER IN SEINER WOHNUNG setzten wir uns jeder auf einen der Kartons und prosteten uns zu. Es tat gut, das kühle Bier den Hals herunter fließen zu fühlen. Der Schweiß lief an meinen Schläfen herunter und ich fühlte, das mein T-Shirt schon gut durch geschwitzt sein musste. Jetzt rächte es sich, dass ich mit dem Training aufgehört hatte. Denn bei Thorsten war deutlich weniger Schweiß zu sehen und sein T-Shirt hatte nur kleine Flecken unter den Armen, während ich bei mir auch auf der Vorderseite einen langen, feuchten Fleck sehen konnte. Ein paar Mal Treppen steigen und schon das....
DIE PAUSE TAT GUT UND wir plauderten weiter. Schließlich übermannte mich die Neugier und ich fragte Thorsten frei heraus: „Sag mal, das Verhältnis mit deinen Alten klingt aber alles andere als gut.“
„GUT GERATEN.“
„EHER GUT HINGEHÖRT.“
„SO, SO. EIN GUTER Zuhörer ist er also auch noch.“
„SAGT MAN MIR SO NACH.“
„DAS MIT MEINEN ALTEN ist kompliziert. Wie es eben so ist, wenn man in einem kleinen Dorf aufwächst und dann nicht der...