3. Seelische und körperliche Wirkungsweisen von Drogen
3.1 Das Thema Alkohol
Das Thema Alkohol steht auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts weiterhin im Fokus der Aufmerksamkeit der Suchtselbsthilfegruppen. Wie unsere Studie zeigt, befinden sich unter der jüngeren und mittleren Generation der Gruppenmitglieder zunehmend Betroffene, die auch von anderen psychoaktiven Substanzen abhängig waren. Unsere Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass dieses Thema noch zu wenig in den Gruppen diskutiert wird, obwohl auf gesellschaftlicher Ebene eine Zunahme der Mehrfachabhängigkeit von Alkohol, Drogen und Medikamenten zu verzeichnen ist (vgl. Scherbaum/Thoms 2016, S. 226ff.).
Bevor wir im Folgenden auf die Wirkungen und Risiken des Drogen- und Medikamentenkonsums eingehen, wollen wir vorab die akuten und langfristigen Folgen des exzessiven Alkoholkonsums ein wenig näher beleuchten. Wir gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Alkohol auf gesellschaftlicher Ebene auch in den nächsten Jahren weiterhin die Droge Nr. 1 bleiben wird. Dabei gilt es zu erkennen, welche sozialen, psychischen und gesundheitlichen Risiken mit seinem Konsum verbunden sind. Im Vergleich mit anderen psychoaktiven Substanzen sollten die Risiken daher nicht herunterspielt werden, denn Alkohol gehört neben Heroin und Crack zu den weltweit gefährlichsten Drogen überhaupt (vgl. Lachenmeier/Rehm 2015). Zwar gehen auch mit dem Konsum der erwähnten beiden anderen Drogen etliche Gesundheitsrisiken einher, zieht man aber neben den gesundheitlichen noch die sozialen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs mit ein, führt er auf globaler Ebene die Rangliste der gefährlichsten Suchtmittel an.
So kann ein exzessiver Alkoholkonsum zum Beispiel mit extremen Stimmungsschwankungen, Ängsten und Niedergeschlagenheit verbunden sein (vgl. Mehrkühler 1999; Soyka et al. 2008, S. 233ff.). Bei einem längerfristigen Missbrauch kann es zu Magengeschwüren und Bauchspeicheldrüsenentzündungen kommen (vgl. Schneider et al. 2005, 217ff.). In Kombination mit dem Konsum von Tabak können sich Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Probleme entwickeln. Soweit es infolgedessen zu einer Schwächung des Herzmuskels kommt, können Herzrhythmusstörungen in Erscheinung treten, die das Risiko eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls erhöhen (vgl. Soyka et al. 2008, S. 162ff.).
Abbildung 13: Drugs - Harm to users / Harm to others (aus: Nutt/King/Philips 2010, Seite 1561)
Auch wenn es sich beim Alkohol um eine legale Droge handelt, so kann sie bezüglich der gesundheitlichen Akut- und Langzeitfolgen problemlos mit anderen Drogen mithalten, denn es stirbt heute weltweit alle zehn Sekunden ein Mensch an den Folgen des Alkoholmissbrauchs. In Deutschland geschieht dies immerhin alle sieben Minuten. 10 Millionen Menschen betreiben in unserem Land einen gesundheitsriskanten Alkoholkonsum, wobei knapp 2 Millionen Alkoholabhängige dringend behandlungsbedürftig sind (vgl. DHS 2014).
Experten halten Alkohol für so gefährlich, da der Missbrauch dieser Droge weit verbreitet ist und sich eben nicht nur auf die Konsumenten, sondern auch auf ihr soziales Umfeld auswirkt. Alkohol steht demnach nicht nur in einem engen Zusammenhang mit höheren Todesraten, sondern er spielt auch bei vielen Gesetzesverstößen eine bedeutendere Rolle als die meisten anderen Drogen.
3.2 Drogenkonsum und Drogenmissbrauch: eine Gratwanderung zwischen
Genuss und Abhängigkeit
Auch wenn Alkohol weiterhin das beliebteste und am weitesten verbreitete Rauschmittel ist, so macht es keinen Sinn, die Augen vor dem zunehmenden Konsum anderer psychoaktiver Substanzen zu verschließen.
Dazu kommt noch die zunehmende Pharmakologisierung des Alltags, die bereits in den 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann. Ab diesem Zeitpunkt kamen Produkte auf den Markt, „deren Wirksubstanzen auf das Zentralnervensystem zielen: Valium, Librium, Nobrium. Ihre Markteroberung vollzog sich schleichend und ohne die gebührende öffentliche Aufmerksamkeit. Die war ganz und gar auf die illegalisierten sogenannten Jugenddrogen fixiert: Opium, Heroin, Kokain, Haschisch und LSD. Ihnen wurde der Drogenkrieg erklärt, in dessen Schatten die Pharmaindustrie ihre eigenen Produktentwicklungen vorantrieb, bis hin zu jenen Substanzen, die heute am Markt sind, und von denen es heißt, sie steigerten das Leistungsvermögen und verbesserten das Wohlbefinden ihrer Konsumenten“ (Amendt 2010). In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass der Mischkonsum von Drogen aller Art, seien sie gesetzlich erlaubt oder verboten, in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Was aber meint der Begriff Droge überhaupt? Und wo kommt er im sprachwissenschaftlichen Sinne eigentlich her?
Mit dem Wort Droge werden in der deutschen Umgangssprache vor allem Rauschdrogen, Rauschgifte oder Suchtmittel bezeichnet, bei denen es sich um psychotrope Substanzen handelt, deren Konsum im zentralen Nervensystem eine bewusstseins- und wahrnehmungsverändernde Wirkung hervorrufen kann. Der Begriff stammt von dem niederländischen Wort drog ab und bedeutet trocken. Das ursprüngliche Verständnis des Begriffs bezeichnete getrocknete Pflanzen oder Kräuter, die als Gewürz, Parfüm oder Medizin genutzt wurden. Heute gebrauchen wir die Bezeichnung aber weniger für Heil- oder Arzneimittel, sondern vor allem für Stoffe, die den Menschen körperlich und seelisch abhängig machen können und eher mit einem Missbrauch in Verbindung gebracht werden. Kommt es zu einer Abhängigkeit von solchen Substanzen, so gilt der Betroffene als drogenabhängig.
Unsere Auseinandersetzung mit den Wirkungsweisen und den gesundheitlichen Risiken des Drogenkonsums erfolgt im Folgenden keineswegs moralisierend. Auch wollen wir die einzelnen Substanzen nicht gegeneinander ausspielen. Wir wollen vielmehr zeigen, wie sie wirken und was sie auf seelischer und gesundheitlicher Ebene auslösen können. Wir plädieren daher für eine sachliche Auseinandersetzung, um möglichen Vorurteilen zu begegnen, die mit dem Denken bezüglich solcher Substanzen verbunden sind.
Wie beim Konsum von Alkohol, so gibt es auch beim Konsum von Drogen ein bekanntes Grundbedürfnis des Menschen, seine Befindlichkeit von Zeit zu Zeit zu verändern. Dadurch sollen Entspannung, Angstlösung und Enthemmung bis hin zu gesteigertem Selbstvertrauen erreicht werden, wobei es zu einer Euphorisierung der Gefühle bis hin zur Ekstase kommen kann.
Das Bedürfnis der Menschen nach rauschhaftem Erleben lässt sich jedoch nicht mit Erfolg verbieten, da die meisten Versuche, sie daran zu hindern, bisher kläglich gescheitert sind (vgl. Quensel 2010, S. 106ff.). Mit repressiven Mitteln erreicht man gar nichts, was die Prohibition zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA gezeigt hat. Wir plädieren daher für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema, bei der auch die Ursachen und Risiken des Drogenkonsums mit einzubeziehen sind (vgl. Gebauer 2012).
Dabei gilt es zu erkennen, welche Persönlichkeitseigenschaften im Rahmen des Substanzkonsums eine Rolle spielen, womit Stärken und Schwächen sowie der Umgang mit Gefühlen gemeint sind. Von Bedeutung ist auch die soziale Umwelt, denn sie beschreibt die Lebenssituation und die Belastungen der Konsumenten im Spiegel ihrer Lebensumstände. Eine weitere Rolle spielen die Beschaffenheit und Dosis der Droge sowie die individuellen Erfahrungen, die mit ihrem Konsum gemacht wurden bzw. werden.
Bevor wir uns nun einzelnen Rauschmitteln zuwenden, beginnen wir mit einer Beschreibung dessen, was unter einem multiplen Substanzkonsum zu verstehen ist. Im Anschluss daran gehen wir auf das Wirkungsspektrum unterschiedlicher Substanzen und die gesundheitliche Risiken ihres Konsums ein.
3.3 Multipler Substanzgebrauch
Der Begriff multipler Substanzkonsum bezeichnet eine Form des Drogengebrauchs, bei dem zwei oder mehr Substanzen zeitgleich konsumiert werden (vgl. Barsch et al. 2004, S. 49ff.). Dabei kommt es zu einer Überlappung unterschiedlicher Wirkungsspektren, wobei sich einzelne Substanzen entweder gegenseitig verstärken oder abschwächen können (vgl. Poehlke/Stöver 2016, S. 114). Ein solcher Drogengebrauch zeigt viele Facetten, die vom gewohnheitsmäßigen Konsum bis hin zur Substanzabhängigkeit reichen können (vgl. (vgl. EMCDDA 2017). Wichtig ist es, einen solchen Konsum differenziert zu betrachten, da er nicht generell zur Abhängigkeit führt. (Kemmesies 2004, S. 24).
So wurden im Rahmen des Global Drug Survey weit über 100.000 Menschen nach den Gründen und Formen ihres Drogenkonsums befragt. Die Studie zeigt deutlich, dass die meisten der Befragten psychoaktive Substanzen eher zum Vergnügen und Genuss konsumieren und daher nicht drogenabhängig sind (vgl. Global Drug Survey 2017). Auch wird in dem Bericht darauf hingewiesen, dass Menschen, die gelegentlich Cannabis oder andere psychoaktive Substanzen nehmen, aus allen Schichten der Gesellschaft stammen.
Was aber steckt hinter dem Mehrfachkonsum von Drogen? Warum reicht der Gebraucht einer Substanz für immer mehr Menschen nicht aus? „Gründe, Drogen zu kombinieren, liefern heute vielfach das Bedürfnis...