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E-Book

Am Ende des Kreisverkehrs links abbiegen

Kurioses aus der Fahrschule

AutorAngela Troni
VerlagBlanvalet
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641126063
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Achtung Humor: Nicht geeignet als Vorbereitung für die Theorieprüfung!
Ist so ein »Stop« auf dem gleichnamigen Schild wirklich verbindlich? Und kann eine Rot-Grün-Schwäche nicht als Ausrede dienen, wenn die Ampel längst schon wieder umgeschaltet hat? Ist es ein Charakterfehler, Vorfahrt grundsätzlich nicht zu gewähren? Achtung, hier kommt der Fahrschüler - und mit ihm mal lachmuskelstrapazierende, mal lebensgefährliche Situationen, die nur einer stoisch meistert, auch wenn er dafür nie ausgebildet wurde: der Fahrlehrer. Was dem so alles im Berufsalltag blüht: Davon erzählen zwei Münchner Fahrlehrer und die Autorin und ehemalige Fahrschülerin der beiden, Angela Troni.

Angela Troni, geboren 1970 in Offenbach am Main, hat vier Jahre in einem großen deutschen Verlag gearbeitet. Heute lebt und arbeitet sie als freie Lektorin und Autorin in München. Neben mehreren unterhaltsamen Sachbüchern wie Gebrauchsanweisung für Männer und Frauen, Die döfsten Deutschfehler sowie Männer/Frauen verstehen in 60 Minuten folgte 2011 ihr erfolgreiches Romandebüt Risotto mit Otto. Auf der Buchmesse 2011 wurde Frauen verstehen in 60 Minuten zum 'Kuriosesten Buchtitel 2011' gekürt.

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Leseprobe

Rechts ist da, wo der Daumen … wo ist?

Markus

»Oh Mann, ich schaff das nie!« Sandy schlägt mit beiden Händen auf das Lenkrad und tritt derart fest auf die Bremse, dass ihr dunkelbrauner Pferdeschwanz heftig auf und ab wippt.

Das Ganze passiert so schnell und unverhofft, dass ich nicht mehr rechtzeitig die Kupplung treten kann und der Motor absäuft. Der Fahrer in dem SUV hinter uns, der ohnehin schon die ganze Zeit zu dicht aufgefahren ist, drückt genervt auf die Hupe. Zum Glück kommt er trotz des Schneematschs auf der Straße noch zum Stehen. Ein Auffahrunfall hätte mir gerade noch gefehlt.

Ich frage mich, ob er nicht lesen kann, schließlich prangt nicht nur auf dem Dach, sondern auch auf dem Heck unseres blauen Golfs ein weißes Schild mit der roten Aufschrift »Fahrschule«. Der gelbe Schriftzug mit dem Namen meines Arbeitgebers auf sämtlichen Türen inklusive Kofferraum ist ebenfalls unübersehbar. Aber gut, der genervte Herr hinter uns ist nicht der Einzige, dem ich wahlweise eine neue Brille oder einen Alphabetisierungskurs empfehlen würde, denn er ist mit seiner Rücksichtslosigkeit durchaus in guter Gesellschaft.

»Nicht stressen lassen, Sandy. Der Typ kann warten«, sage ich, als ich merke, dass der ungeduldige Verkehrsteilnehmer, der dringend etwas gegen seinen zu hohen Blutdruck unternehmen sollte, sie komplett aus der Bahn wirft. »Kupplung treten, ersten Gang einlegen, Motor starten. Blick in den Rückspiegel, Gas geben und dabei die Kupplung vorsichtig kommen lassen«, erkläre ich ihr noch mal die nötigen Schritte zum Anfahren, als wären wir in der allerersten Fahrstunde. Dann füge ich hinzu: »Wir fahren doch besser geradeaus.«

Von der ersten Fahrstunde ist Sandy in etwa so weit entfernt wie DSDS vom Grimme-Preis oder Nordkorea von freien Wahlen. Noch dazu ist dies unsere letzte Übungseinheit vor der praktischen Prüfung, die morgen Vormittag stattfinden soll. Die Theorie hat die Tierarzthelferin vor knapp zehn Tagen im ersten Anlauf mit null Fehlern bestanden, und dank eines kleinen Tricks ist die Achtzehnjährige eigentlich auch für die Praxis prüfungsreif. Eigentlich …

Uneigentlich stehen wir gerade an einer Kreuzung in dem Wohngebiet, in dem sich die Truderinger Filiale der Fahrschule befindet, und schaffen es nicht mal, einfach nur rechts abzubiegen. Einfach nur rechts – das klingt nicht allzu schwer, und normalerweise ist das auch eine durchaus lösbare Aufgabe. Aber was ist schon normal? Erst recht(s) bei Sandy.

Sie stellt sich insgesamt nicht ungeschickt an, und von einer verminderten Auffassungsgabe kann man bei ihr – im Gegensatz zu manch anderem – auch nicht reden. Doch dieser Blackout ist nicht ihr erster und wird vermutlich auch nicht der letzte sein, denn die Tierarzthelferin hat ein nicht ganz unbedeutendes Problem, das ihr morgen bei der gefürchteten Prüfung durchaus einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Während ich Sandy noch eine ganze Weile geradeaus fahren lasse, bis sie sich wieder gefangen hat, muss ich an unsere dritte oder vierte gemeinsame Fahrstunde vor etwa zehn Wochen zurückdenken.

Es sollte eine Premiere werden. Zum ersten Mal wollte nicht ich an der Fahrschule losfahren, um den Wagen auf den Parkplatz zu steuern, wo wir Halten und Anfahren übten, sondern sie. Da unsere Bürokraft mich auf dem Weg zum Wagen noch mal kurz zurückrief, um eine Frage wegen eines abgesagten Termins zu klären, drückte ich Sandy den Schlüssel in die Hand und sagte zu ihr: »Geh schon mal vor und setz dich ins Auto. Ich komme dann gleich nach.« Und mit einem Zwinkern fügte ich hinzu: »Heute aber gleich auf die linke Seite, okay?«

Als ich drei Minuten später die Tür auf der Beifahrerseite aufriss, um einzusteigen, hätte ich Sandy fast meinen heißen Kaffee, den ich mir schnell noch aus der Maschine gelassen hatte, über den Schoß geschüttet. Sie saß nämlich nicht etwa, wie erwartet, hinterm Lenkrad, sondern auf meiner Seite.

»Was machst du da?«, fragte ich völlig perplex.

Sie sah mich irritiert an. »Äh … auf dich warten?«

»Ach so.« Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen. »Ich meinte, was machst du auf meinem Platz?«

Sandy verstand die Welt nicht mehr. »Aber …«

»Üblicherweise sitzt der Schüler auf der Fahrerseite und der Lehrer auf dem Beifahrersitz. So lernt es sich besser Auto fahren«, erklärte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

»Wieso? Du hast doch gesagt, dass ich mich auf der linken Seite ins Auto setzen soll. Oder etwa nicht?«

»Stimmt, das habe ich.«

»Na also!« Sandy schien zufrieden.

Ich nicht, daher startete ich einen weiteren Versuch. »Wieso sitzt du dann rechts?«, fragte ich und sah sie an, ehrlich gespannt auf ihre Antwort.

Statt etwas darauf zu sagen, lief meine Fahrschülerin knallrot an und stieg hektisch aus, wobei sie mich beinahe umgerannt hätte, so eilig hatte sie es, aus dem Wagen zu kommen. Noch immer ohne ein Wort ließ sie sich auf den Fahrersitz fallen und wartete, bis ich eingestiegen war.

»Geht’s jetzt endlich los, Markus?«, sagte sie dann.

»Klar!« Offensichtlich war ihr der Fauxpas so peinlich, dass sie nicht weiter darüber reden wollte. Also tat ich es auch nicht, sondern legte mit der Fahrstunde los.

Nachdem Sitz und die Spiegel eingestellt waren und ich ihr noch einmal in Ruhe erklärt hatte, wie man auf rutschiger, leicht schneebedeckter Fahrbahn anfährt, startete sie den Motor, und wir zuckelten durch die Anwohnerstraße, in der die Fahrschule liegt. Wir übten ein paarmal Anfahren und Bremsen, bis sie es auch ohne meine Hilfe ebenso sicher beherrschte wie zuvor auf dem Parkplatz, dann ließ ich sie ein längeres Stück geradeaus fahren. Sandy stellte sich richtig gut an und manövrierte den Golf souverän an den abwechselnd rechts und links geparkten Autos vorbei. Sogar der Kaffee landete trotz einiger abrupter Bremsversuche in meinem Magen und nicht auf der Hose.

Alles lief bestens – jedenfalls für die nächsten sechshundert Meter. Genau genommen, exakt so lange, bis ich sagte: »An der nächsten Kreuzung biegen wir dann nach rechts ab.« Ich erklärte ihr, worauf sie zu achten und was sie zu tun habe, vom Runterschalten über den Blick in Innen- und Außenspiegel, das Blinkersetzen und den Schulterblick bis hin zur Beobachtung des fließenden Verkehrs auf der Vorfahrtsstraße, auf die wir abbiegen wollten. Mitten im Redefluss fiel mein Blick auf das Blinkersymbol im Armaturenbrett, und ich stutzte. »Was machst du da?« Offensichtlich war das heute mein Standardsatz.

»Ich blinke«, lautete die Antwort.

Damit hatte sie nicht unrecht. Doch es war nicht genau das, was ich hören wollte, daher wurde ich etwas konkreter. »In welche Richtung blinkst du denn?«

Erst ein unsicheres Zögern, dann sagte Sandy mit Nachdruck: »Nach rechts!«

Meine Augen wanderten noch einmal zum Armaturenbrett. Es bestand kein Zweifel: Das linke Blinkersymbol leuchtete rhythmisch auf.

Inzwischen waren wir kurz vor der Kreuzung angekommen, und Sandy hatte allem Anschein nach komplett den Überblick verloren. Sie tastete sich im Schritttempo vorwärts, dabei sah sie panisch nach rechts und nach links, fuhr sich mit einer zitternden Hand durch den dunklen Pony und bekam komische rote Flecken am Hals. Gefahr in Verzug! Ich musste die Taktik ändern.

Mit einem Blick in den Spiegel versicherte ich mich, dass niemand hinter uns war, und trat auf Kupplung und Bremse. Gemeinsam fuhren wir wieder an und überquerten die Vorfahrtsstraße, statt abzubiegen. Danach ließ ich sie rechts ranfahren (das immerhin funktionierte problemlos) und den Motor ausschalten. Zum Glück gibt es in dieser Seitenstraße tagsüber jede Menge freie Parkplätze, sodass wir nicht rangieren mussten.

»Sandy«, sagte ich gedehnt und drehte mich zu ihr um, »du weißt schon, wo rechts und links ist?«

Sie nickte erst zögerlich, um dann heftig den Kopf zu schütteln. »Na ja, nicht immer«, gab sie kleinlaut zu. Noch ehe ich etwas darauf sagen konnte, blaffte sie: »Und jetzt komm mir bloß nicht mit blöden Sprüchen wie ›Rechts ist da, wo der Daumen links ist‹ und so. Dann steige ich gleich aus.«

»Hiergeblieben!«, sagte ich mit gespieltem Ernst. »Bei mir springt keiner während der Fahrstunde aus dem Auto, schon gar nicht bei minus fünf Grad. Aber jetzt noch mal von vorn und zum Mitschreiben: Du kannst dir das echt nicht merken? Auch nicht mit Tricks wie einem Bändchen um das Handgelenk oder einem bunt angemalten Daumen und so?«

Sie zuckte die Schultern. »Leider nein. Das hab ich alles schon probiert. Nach einer Weile komme ich trotzdem wieder durcheinander.«

»Du meinst, wenn ich rechts sage, fährst du nach links, und umgekehrt?«, hakte ich nach und glaubte, das Problem erfasst zu haben.

»Dann wär’s ja einfach!«, rief sie und holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. »Aber so ist es nicht. Manchmal verwechsele ich die Richtungen, dann wieder nicht. Ein andermal weiß ich überhaupt nicht mehr, was wo ist, und stehe da wie bestellt und nicht abgeholt. Am schlimmsten ist es, wenn ich nervös oder aufgeregt bin, dann klappt gar nichts mehr.«

Dass ich an Sandys letzten Satz noch öfter erinnert werden würde, als mir lieb war, konnte ich an jenem trüben Wintertag noch nicht wissen. In dieser sowie den nächsten Fahrstunden lösten wir das Problem, indem ich bei jedem Abbiegevorgang mit dem Zeigefinger in die Richtung deutete, in die Sandy fahren sollte. Damit war sie zwar jedes Mal kurz abgelenkt und musste von...

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