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E-Book

Dunkle Materie und Dinosaurier

Die erstaunlichen Zusammenhänge des Universums

AutorLisa Randall
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783104030258
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Natur der Dunklen Materie gehört zu den spannendsten Fragen der Kosmologie. Die Bestseller-Autorin und Harvard-Professorin Lisa Randall nimmt uns in ihrem neuen Buch ?Dunkle Materie und Dinosaurier. Die erstaunlichen Zusammenhänge des Universums? mit auf eine Reise in die Welt der Physik und hilft uns zu verstehen, welche Rolle die Dunkle Materie bei der Entstehung unserer Galaxie, unseres Sonnensystems und sogar des Lebens selbst gespielt hat. Eindrucksvoll zeigt sie, wie die Wissenschaft neue Konzepte und Erklärungen für dieses weithin unbekannte Phänomen entwickelt und verwebt geschickt die Geschichte des Kosmos mit unserer eigenen. Ein Buch, das ein völlig neues Licht auf die tiefen Verbindungen wirft, die unsere Welt so maßgeblich mitgeprägt haben, und uns die außerordentliche Schönheit zeigt, die selbst den alltäglichsten Dingen innewohnt.

Lisa Randall ist führende theoretische Physikerin und Expertin für Teilchenphysik, Stringtheorie und Kosmologie. Sie arbeitet an einem der zwei konkurrierenden Modelle der Stringtheorie und versucht, damit das Gefüge der Realität zu erklären. Sie war die erste Frau in der Fakultät für Physik von Princeton und die erste theoretische Physikerin am MIT sowie in Harvard. Ihre Arbeiten finden enorme Beachtung und zählen in ihrem Fachgebiet weltweit zu den am meisten zitierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

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Leseprobe

Einleitung


»Dunkle Materie« und »Dinosaurier« – diese Wörter hört man kaum einmal in einem Atemzug, außer vielleicht auf dem Spielplatz, in einem Club für Fantasyspiele oder in einem noch nicht erschienenen Spielberg-Film. Dunkle Materie ist ein schwer fassbarer Stoff im Universum, der wie gewöhnliche Materie durch Gravitation interagiert, aber Licht weder aussendet noch absorbiert. Astronomen können den Einfluss ihrer Schwerkraft nachweisen, aber sehen können sie sie nicht. Dinosaurier dagegen … Ich glaube nicht, dass ich die Dinosaurier erklären muss. Sie waren in der Zeit vor 231 bis 66 Millionen Jahren die Herrscher unter den landlebenden Wirbeltieren.

Zwar sind sowohl dunkle Materie als auch Dinosaurier unabhängig voneinander faszinierend, aber man könnte mit Fug und Recht annehmen, dass die noch nie gesehene physikalische Substanz und das beliebte biologische Sinnbild nicht das Geringste miteinander zu tun haben. Das wäre auch durchaus denkbar. Aber das Universum ist definitionsgemäß ein Ganzes, und im Prinzip stehen alle seine Bestandteile untereinander in Wechselbeziehung. Das vorliegende Buch untersucht ein spekulatives Szenario: Meine Mitarbeiter und ich vermuten, dass die dunkle Materie letztlich (und indirekt) die Ursache für das Aussterben der Dinosaurier war.

Paläontologen, Geologen und Physiker konnten nachweisen, dass vor 66 Millionen Jahren ein Himmelskörper mit einem Durchmesser von mindestens zehn Kilometern aus dem Weltraum auf die Erde stürzte und sowohl die landlebenden Dinosaurier als auch drei Viertel aller anderen biologischen Arten auslöschte. Bei dem Himmelskörper dürfte es sich um einen Kometen aus den Außenbezirken des Sonnensystems gehandelt haben, aber warum er von seiner nur schwach an die Sonne gebundenen und dennoch stabilen Umlaufbahn abwich, weiß niemand.

Irgendwann durchlief die Sonne die mittlere Ebene der Milchstraße, jenes Streifens aus Sternen und hellem Staub, den man in klaren Nächten am Himmel beobachten kann. Dabei traf das Sonnensystem nach unserer Vermutung auf eine Scheibe aus dunkler Materie, die einen weit entfernten Himmelskörper aus seiner Bahn warf und damit den katastrophalen Einschlag in Gang setzte. In unserer galaktischen Nachbarschaft umgibt uns eine Riesenmenge an dunkler Materie als riesige, glatte, diffuse Wolke.

Die dunkle Materie des Typs, der den Untergang der Dinosaurier einleitete, wäre dann ganz anders verteilt gewesen als der größte Teil der schwer fassbaren dunklen Materie im Universum. Diese besondere dunkle Materie hätte die Wolke unversehrt gelassen, aber ihre ganz andersartigen Interaktionen hätten dazu geführt, dass sie zu einer Scheibe kondensierte – und zwar genau in der Mittelebene der Milchstraße. Diese schmale Region könnte so dicht sein, dass sie einen ungewöhnlich starken Gravitationseffekt ausübt, wenn die Sonne auf ihrer Umlaufbahn in der Galaxis auf und ab schwankt, während sie die Region durchquert. Ihre Gravitation könnte so stark sein, dass sie Kometen an den Rändern des Sonnensystem aus der Bahn wirft; die konkurrierende Schwerkraft der Sonne würde dann nicht ausreichen, um sie zurückzuholen. Solche vagabundierenden Kometen werden aus dem Sonnensystem ausgestoßen oder – folgenschwerer – in die inneren Bereiche des Sonnensystems umgeleitet. Dort besteht die Möglichkeit, dass sie die Erde treffen.

Eines möchte ich von vornherein klarstellen: Ich weiß nicht, ob die Idee stimmt. Nur dunkle Materie eines unerwarteten Typs könnte einen messbaren Einfluss auf Lebewesen ausüben (die, hm, genau genommen nicht mehr am Leben sind). Das vorliegende Buch erzählt die Geschichte unserer unkonventionellen Vermutungen über genau eine solche überraschend einflussreiche dunkle Materie.

Aber so provokativ unsere spekulativen Gedanken auch sein mögen, sie stehen nicht allein im Mittelpunkt des Buches. Mindestens ebenso wichtig wie die Geschichte des dinosauriertötenden Kometen sind die Zusammenhänge und wissenschaftlichen Befunde, zu denen sie gehört. Das schließt auch den weit besser gefestigten kosmologischen Rahmen und die Erforschung des Sonnensystems ein. Ich empfinde es als großes Glück, dass die Themen, mit denen ich mich beschäftige, meine Gedanken häufig in Richtung der großen Fragen lenken: Woraus besteht die Materie? Was ist das Wesen von Raum und Zeit? Und wie hat sich alles im Universum zu der Welt entwickelt, die wir heute sehen? Auch darüber möchte ich in diesem Buch eine Menge mitteilen.

Der Weg, auf den mich die hier beschriebenen Forschungsarbeiten führten, wurde für mich zum Anlass, umfassender über Kosmologie, Astrophysik, Geologie und sogar Biologie nachzudenken. Das Schwergewicht lag immer noch auf den Grundlagen der Physik. Aber nachdem ich mich während meines ganzen Lebens mit eher konventioneller Teilchenphysik beschäftigt hatte – das heißt mit der Erforschung der Bausteine vertrauter Materie, beispielsweise des Papiers oder Bildschirms, auf dem man dies lesen kann –, war es eine willkommene Abwechslung, zu dem vorzustoßen, was man über die dunkle Welt weiß – oder bald wissen wird; außerdem interessierte mich, welche Folgerungen sich aus den grundlegenden physikalischen Prozessen für das Sonnensystem und die Erde ergeben.

Dunkle Materie und Dinosaurier: Die erstaunlichen Zusammenhänge des Universums beschreibt, was wir heute über das Universum, die Milchstraße und das Sonnensystem wissen, und welche Voraussetzungen für eine bewohnbare Zone und das Leben auf der Erde gegeben sein müssen. Ich werde nicht nur die dunkle Materie und den Kosmos erklären, sondern mich auch mit Kometen, Asteroiden und dem Leben – seiner Entstehung und seinem Verschwinden – beschäftigen. Besonders werde ich mich dabei auf den Himmelskörper konzentrieren, der auf die Erde stürzte und die landlebenden Dinosaurier auslöschte – und auch eine Menge anderer Lebensformen. Ich will etwas über die vielen unglaublichen Zusammenhänge mitteilen, die uns überhaupt erst so weit gebracht haben, dass wir begreifen können, was sich heute abspielt. Wenn wir über unseren Planeten nachdenken, möchten wir auch besser verstehen, in welchem Zusammenhang er sich entwickelt hat.

Als ich mich erstmals näher mit den Konzepten beschäftigte, die den Gedanken in diesem Buch zugrunde liegen, war ich von Ehrfurcht ergriffen und bezaubert – und zwar nicht nur wegen unserer derzeitigen Kenntnisse über unsere lokale, solare, galaktische und universelle Umwelt, sondern weil wir von unserem zufälligen kleinen Ausguck hier auf der Erde aus noch so viel mehr verstehen wollen. Ebenso war ich überwältigt von den vielen Zusammenhängen zwischen Phänomenen, die letztlich unser Dasein möglich machen. Damit kein Missverständnis aufkommt: Ich vertrete keine religiöse Sichtweise. Ich empfinde keine Notwendigkeit, all dem Sinn oder Bedeutung beizulegen. Aber wenn wir allmählich die ungeheure Weite des Universums und die Vergangenheit verstehen und letztlich begreifen, wie alles zusammenpasst, kann ich mich dennoch nicht eines Gefühls erwehren, das man oft als religiös bezeichnet. Das bietet uns allen eine gewisse Perspektive, wenn wir es mit den Torheiten des Alltagslebens zu tun haben.

Diese neueren Forschungsarbeiten haben sogar dazu geführt, dass ich die Welt und die vielen Teile des Universums, die die Erde einschließlich unserer selbst hervorgebracht haben, mit anderen Augen sehe. Ich bin in Queens aufgewachsen und habe die beeindruckenden Bauten von New York gesehen, aber über die Natur wusste ich nicht viel. Das wenige, was ich von ihr zu sehen bekam, waren angelegte Parks und Rasenflächen; von der Form, die sie hatte, bevor die Menschen kamen, war kaum noch etwas erhalten. Wenn man aber an einem Strand entlanggeht, spaziert man über kleingemahlene Lebewesen – oder zumindest über ihre Schutzgehäuse. Auch die Bestandteile der Kalksteinklippen, die man am Meer oder in ländlichen Gebieten vielleicht sieht, waren einstmals – vor Jahrmillionen – lebende Organismen. Berge steigen durch die Kollision tektonischer Platten in die Höhe, und das geschmolzene Magma, das ihre Bewegungen antreibt, entsteht durch radioaktives Material, das in der Nähe des Erdkerns begraben liegt. Unsere Energie stammt aus den nuklearen Prozessen in der Sonne – aber seit diese urtümlichen Kernreaktionen stattgefunden haben, wurde sie umgewandelt und auf andere Weise gespeichert. Viele Ressourcen, die wir nutzen, sind schwere Elemente; sie kamen aus dem Weltraum und wurden von Asteroiden oder Kometen auf der Erdoberfläche abgelagert. Auch manche Aminosäuren stammen von Meteoroiden, die damit vielleicht das Leben – oder den Keim des Lebens – auf die Erde brachten. Und bevor all das geschah, stürzte die dunkle Materie zusammen und bildete Klumpen, deren Gravitation immer mehr Materie anzog, bis sie sich am Ende in Galaxien, Galaxienhaufen und Sterne wie unsere Sonne verwandelte. Die gewöhnliche Materie, so wichtig sie für uns auch ist, erzählt uns nicht die ganze Geschichte.

Wir erleben zwar vielleicht die Illusion einer in sich geschlossenen Umwelt, aber jeden Tag bei Sonnenaufgang und jede Nacht, wenn der Mond und die viel weiter entfernten Sterne ins Blickfeld rücken, werden wir daran erinnert, dass unser Planet nicht allein ist. Sterne und Sternennebel sind ein weiterer Beleg dafür, dass wir in einer Galaxis zu Hause sind, die sich in einem noch weitaus größeren Universum befindet. Wir kreisen in einem Sonnensystem, und auch hier erinnern uns die Jahreszeiten an unsere Orientierung und unseren Ort darin. Schon unsere Zeitmessung in Tagen...

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