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E-Book

Sozialwirtschaft

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl232 Seiten
ISBN9783741212024
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
An vielen Hochschulen werden mittlerweile Studiengänge in "Sozialwirtschaft" angeboten. Absolventen dieser Studiengänge arbeiten in sozialen Bereichen und verfügen sowohl über betriebswirtschaftliches, rechtliches als auch über psychologisches Wissen. Vor allem aber soziologische Kompetenzbereiche werden durch derartige Studiengänge angesprochen. Welches praxisrelevante Wissen kann und muss von der Soziologie vermittelt werden und welche Methodenkenntnisse sind im Bereich der Sozialwirtschaft wichtig? Diese und weitere Fragen werden in diesem Sammelband thematisiert.

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Leseprobe

Innehalten auf dem Weg der Professionalisierung der Sozialwirtschaft. Soziale Dienstleistungen an geänderte Bedürfnisse anpassen


Paul Brandl


1 Versuch einer Standortbestimmung


Es ist der Versuch nach Jahren der Expansion der Sozialwirtschaft eine Standortbestimmung auf dem Weg der Professionalisierung zum vierten Sektor vorzunehmen. Ziel soll es sein, anschließend Strukturen, Prozesse und Dienstleistungen in der Sozialwirtschaft an sich verändernde Rahmenbedingungen und Klientenbedürfnisse anzupassen. Das Sozialsystem wurde in den letzten Jahrzehnten stark ausgebaut, die Sozialwirtschaft ist stetig gewachsen. Es erscheint daher angebracht, am Beispiel der mobilen und stationären Altenbetreuung und -pflege in einer Art von zurückschauender Vorausschau zu reflektieren, was sich in diesem Segment der Sozialwirtschaft – stellvertretend für andere Bereiche - vor allem aus organisationstheoretischer Sicht getan hat. Darauf aufbauend wird der Versuch unternommen, Ansatzpunkte zu finden, die bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen im Bereich der mobilen und stationären Altenbetreuung und –pflege Hilfestellungen für die Auftraggeber sozialer Dienstleistungen und das Sozialmanagement geben können.

Beim Versuch in diesem vielschichtigen Segment „Sozialwirtschaft“ zurückzublicken und die vielen Bemühungen von Auftraggebern und Sozialmanagern in diesem Bereich entsprechend zu würdigen, zeigten sich die Grenzen der Verfügbarkeit durchgehender Datenreihen. Mit „Blitzlichtern“ an Hand von Dokumenten primär aus Oberösterreich wird in der Folge ein Bild der mobilen und stationären Altenbetreuung und -pflege zum Status Quo gezeichnet. Daraus sollen Grundlagen und Ideen für die zukünftige Gestaltung der mobilen und stationären Altenbetreuung generiert werden. Beginnen wir bei der Anzahl der Alten- und Pflegeheime aufgeteilt nach Rechtsträgern. Eine weitere moderate Steigerung ist auch 2015 noch zu erwarten (Amt der oberösterreichischen Landesregierung – Abteilung Soziales, 2011):

Abbildung 1: Alten- und Pflegeheime in OÖ nach Rechtsträgern

Ab 1996 wurde in Oberösterreich auch die mobile Altenbetreuung und –pflege stark ausgeweitet. Das war die letzte größere, in Statistiken und dem verfügbaren Datenmaterial ablesbare strategische Entscheidung mit dem Leitspruch „Mobil vor Stationär“ (Amt der oberösterreichischen Landesregierung – Medienservice, 2006):

Abbildung 2: Strategiewechsel "mobil vor stationär“

Wenn wir als weiteres Kriterium für Veränderungen in diesem Segment der Sozialwirtschaft die Verweildauer der KlientInnen in Alten- und Pflegeheimen heranziehen, dann zeigen mehrere Studien eine stark sinkende Tendenz: Während im Land Vorarlberg 2001 im Regionalen Bedarfs- und Entwicklungsplan noch von 5,4 Jahren die Rede ist, sprechen Schönberg/Vries (2011) bereits von 2,6 Jahren und Mönikes (2015) bereits von 1,5 Jahren. Gleichzeitig steigt die Anzahl und damit der Betreuungsbedarf der Pflegegeldbezieher sowie speziell für die derzeitigen HeimbewohnerInnen (in Österreich ab Pflegestufe 3 von 7) an; (Statistik Austria, 2015):

Abbildung 3: Pflegegeldbezieher 2004 - 2014

Geht man nach den in Oberösterreich etwa um das Jahr 2000 entstandenen Plänen zum weiteren Ausbau von Altenheimen, so müssten auch 2016 noch eine Reihe weiterer Heime gebaut werden, obwohl bereits „Sättigungstendenzen“ in manchen Bezirken zu erkennen sind1. Gleichzeitig hört man u.a. von Altenheimen in Oberösterreich (Aussagen anonymisiert) oder der BRD (Vincentz Network, 2015), die über zu wenig Auslastung klagen.

Die Erhöhung des Pensionsalters in Österreich für Männer von 60 auf 65 Jahre und ebenso das der Frauen bis 2033 macht eine professionelle Altenbetreuung und -pflege immer notwendiger, indem die Eltern zu einem Zeitpunkt pflegebedürftig werden, wenn deren Kinder noch in Arbeit stehen. Noch ein Aspekt zur demografischen Entwicklung: Es steigt die Anzahl der hochbetagten Menschen weiter an, gleichzeitig wird im selben Zeitraum u.a. auf Grund der medizinischen Versorgung die Anzahl von Personen mit einer „ferneren Lebenserwartung kleiner 10 Jahren“ in deutlich geringerem Ausmaß steigen. Ähnliches gilt für die Anzahl der Pflegebedürftigen über 75 Jahre (Schöfecker, 2015, 16):

Abbildung 4: Potenzielle Zielgruppen der Altenbetreuung und - pflege

Von wem werden nun in Oberösterreich die professionellen Betreuungsleistungen erbracht? Die nachfolgende Grafik zeigt bei der stationären Pflege einen leicht sinkenden Prozentsatz, einen leicht steigenden Prozentsatz bei den FachsozialbetreuerInnen (FSB A) in der mobilen Altenbetreuung, eine stärkere Steigerung bei den mobilen Heimhilfen sowie eine geringfügigere Steigerung bei der mobilen Hauskrankenpflege (HKP). Ab 2008 wird auch der Anteil der 24-Std-Pflege erhoben und erreicht demnächst die 5%-Marke (Schöfecker, 2015, 27):

Abbildung 5: Betreute Pflegebedürftige in OÖ nach Leistungsart

In den letzten Jahren sind auch eine Reihe neuer Wohnformen für ältere Personen entstanden (Riedl, 2014): Von der Versorgung durch „Essen auf Rädern“ bis zum Wohnen mit Service, von Wohngemeinschaften im Alter über Tagesbetreuungseinrichtungen bis hin zum Generationenwohnen am Bauernhof und der sogenannten 24h-Pflege in Österreich. Auch sog. „Seniorendörfer“ wurden nicht nur in den USA und der BRD bereits realisiert (Alt-werden-und-Spaß-dabei, 2015). All diese Wohnformen ermöglichen einen gut versorgten Lebensabend in den „eigenen“ vier Wänden. Dieser Wunsch nach einem möglichst langen Leben zu Hause findet sich in vielen Studien wieder (u.a. Milleker, 2006 und Riedl, 2014):

Abbildung 6: Vorstellbare Wohnformen im Alter

Wenn es um die Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens und damit der Mobilität geht, haben wir für unsere Betrachtung einzelne Tätigkeiten herausgenommen: Bücken und Niederknien, volle Taschen tragen, Stiegen steigen ohne Stock und die Fingerfertigkeit. Hierzu zeichnet die Gesundheitsbefragung der Statistik Austria von 2006/7 folgendes Bild (Kolland, 2010):

Abbildung 7: Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens nach Alter und Geschlecht (Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2006/7)

Egal wie viele Statistiken wir noch zu Rate ziehen, es werden sich die Anzahl der Pflegebedürftigen, die Anforderungen an die mobile und stationäre Altenbetreuung und damit auch die anfallenden Kosten in Zukunft erhöhen. Zudem zeigen neuere Studien (etwa Simsa, 2015, K8), dass die MitarbeiterInnen von Non-Profit-Organisationen und damit soziale Dienstleister einen Geld- und Personalmangel spüren. In derselben Studie finden sich allerdings wenig konkrete Hinweise, wie diesem Umstand zu begegnen wäre. Spätestens hier sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es sich lohnt innezuhalten und die weitere Vorgangsweise der Auftraggeber von Sozialleistungen und damit des Sozialmanagements grundsätzlich zu überdenken.

Man kann die letzten 25 Jahre der Sozialwirtschaft im Sinne des Aufbaus als eine Art „Pionierphase“ und Differenzierungsphase für die bestehenden Organisationen – entsprechend dem Phasenkonzept nach Glasl (2014) bezeichnen. Es galt, kontinuierlich Kapazitäten (nicht nur) in der mobilen und stationären Altenbetreuung zu schaffen. Der finanzielle Aufwand erhöhte sich beständig. Weitere gesellschaftliche Einflüsse waren und sind die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen, das steigende Bildungsniveau, der Zunahme von Scheidungen und damit von Singles, der Zunahme von unterschiedlichen Wohnorten von Eltern und Kindern und auch der Zuzug in die Städte. In dieser Phase ging es insbesondere um den flächendeckenden Aufbau von Angeboten für die stationäre und in der Folge für die mobile Altenbetreuung und –pflege. Dem folgte konsequenterweise das Nachziehen von Ausbildungsangeboten zur Professionalisierung der Pflegeberufe (Amt der oberösterreichischen Landesregierung – Abteilung Soziales, 2011). Verbunden mit diesem Aufbau von Kapazitäten waren und sind Unschärfen in den Angeboten vom teilweise zu geringen Ausmaß bei der mobilen Pflege bis hin zum anfangs sehr starren Angebot der stationären Altenbetreuung und –pflege in Anlehnung an ein Krankenhausmodell. Neben dem Aufbau von Kapazitäten galt es auch, Einrichtungen weiterzuführen und in Stand zu halten. Die Anzahl der mobil und zu Hause betreuten Personen nimmt weiter zu (siehe oben), ebenso die Individualisierung der Bedürfnisse eben dieses Personenkreises. Es verändern sich somit sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Anforderungen an diese sozialen Dienstleistungen beständig.

In den letzten Jahren – durchaus voraussehbar – hat sich der Schuldenstand nicht nur in Österreich stetig erhöht. Dazu die Statistik zum Schuldenstand Österreichs (Bürger Jasmin, Kotanko Christoph, 15.10.2015):

Abbildung 8: Schuldenstand Österreichs 1970 - 2016

Die Bundes- und Landesregierungen begannen in den letzten Jahren langsam mit dem „Gegensteuern“, wodurch es unschwer vorauszusagen, zu stagnierenden Sozialbudgets und ggf. auch Kürzungen hinsichtlich der zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln kommen wird (vgl. ÖGB, 2015). Man hat sich daher bei den öffentlichen Auftraggebern sozialer Dienstleistungen im Sinne der Weiterführung des bisherigen Denkens zunächst nach Kürzungen bei Input und auch...

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