Prolog
»Be easy. Take your time. You are coming home to yourself.«
Nayyirah Waheed
Ich bin Nives – Frau, Mama, Yogalehrerin, Ayurveda-Inspirateuse, Seelenautorin und Mentorin. Tief. Bewegt. Ich liebe mein Frau-Sein. Ich lebe meine Intuition. Ich bin viele Frauen in einer. Immer anders. Und doch immer ich. Der Weg hinein in meine weibliche Kraft war ein langer – mit Höhen und Tiefen, Tränen, Erkenntnissen, Freuden, Momenten der Hingabe und des tiefen Verstehens. Im Laufe der Jahre und mit dem bewussten und achtsamen Praktizieren des Yoga und Ayurveda wurde das Thema Weiblichkeit und weibliche Urkraft immer zentraler in meinem Leben. Denn ich verstand, dass Frauen ihren ganz eigenen Zugang zum Leben haben, auf besondere Art und Weise das Leben erleben, fühlen, erfahren. Dieses besondere weibliche Sein gilt es zu entdecken und zu verstehen.
Schon als kleines Mädchen hatte ich die Gabe, tiefer zu blicken – ja, es war mir sogar ein Bedürfnis, die Welten hinter der Welt zu erforschen, denn dort konnte ich meine Fantasie und Kreativität ausleben. Mit dem Erwachen meiner Weiblichkeit in der Zeit der Pubertät und des Fruchtbarwerdens geriet ich jedoch wie so viele junge Frauen in einen Strudel von Selbstzweifeln, ich konnte mich nicht verstehen, nicht annehmen, nicht lieben. Niemand hatte mir gezeigt, was es wirklich bedeutet, Frau zu werden. Es fehlte das Ritual der Initiation, das früher, in den alten Kulturen, die Mädchen zu Frauen machte, sobald die erste Blutung in ihr Leben kam. Es fehlten elterliche und mediale weibliche Rollenbilder, nach denen ich mich in der Tiefe sehnte und die ich im Außen nicht finden konnte. Denn dort gab es nur Frauen, die ihre Kraft versteckten, verdeckten, verfälschten – um anderen zu gefallen und sich den weiblichen Rollenbildern einer zutiefst patriarchal dominierten Gesellschaft anzupassen.
Und so wuchs ich als junge Frau sehr orientierungslos auf. Ich schlitterte von einer unglücklichen Beziehung in die nächste. Vergoss literweise Tränen, weil Männer mich, so wie ich war, nicht wollten – bis ich endlich erkannte, dass ich zuerst lernen musste, mich selbst zu lieben, bevor ein Mann in mein Leben kommen konnte. Ich irrte umher auf der Suche nach mir selbst und war dabei nicht einmal in Liebe mit meinem Körper verbunden – wie sollte ich da meine Seele finden? Ich war unglücklich, denn ich spürte, dass mir etwas fehlte: die Verbindung zu meinem Frausein, das Verständnis, was es bedeutet, ein Leben als Frau zu führen – fernab von gesellschaftlichen Rollenbildern. Um mich selbst zu verwirklichen, musste ich zuerst meine Identität als Frau annehmen und versuchen zu verstehen, was genau mich zur Frau macht: nämlich die Weiblichkeit in ihrer wilden, ursprünglichen, magischen und mystischen Bedeutung.
Je mehr ich mit Yoga und Ayurveda zunächst durch meinen Körper mit mir selbst in Berührung kam, desto mehr wurde ich zur Suchenden – und Findenden – von wilden Geschichten über Zauberinnen, Kräuter, den Wald … Je mehr ich mir erlaubte, alle Hoffnungen, Wünsche und Ängste in meinem Innersten zu betrachten, desto besser verstand ich mein Sein in Zyklen und Rhythmen und spiegelte mich so im Sein des Mondes. Je mehr ich verstand, was es bedeutete, Frau zu sein und welche Kraft dem weiblichen Körper innewohnt, desto tiefer tauchte ich in die alten Mysterien des Weiblichen ein, beschäftigte mich ausführlich mit Göttinnen, Erdritualen, Wasserzeremonien und dem Leben mit den Naturkräften.
Dieses Wissen bringe ich
heute über meinen Blog,
meine Onlineprogramme,
meine Yogakurse und
weltweite Seminarreisen in
die Welt und berühre damit
die Herzen vieler Frauen.
Ich schreibe dieses Buch in einer Zeit, in welcher Frauen zu erwachen beginnen. Aus einem langen Traum, in dem sie durch patriarchale Strukturen von Religion, Politik und Gesellschaft gefangen gehalten wurden. Aus einem Traum, der sie glauben ließ, nicht gut genug zu sein, nicht schön genug, nicht schlank genug, nicht intelligent genug und vor allem nicht wertvoll genug, um einfach nur Frau zu sein. Ich möchte mit diesem Buch einer inneren Stimme in mir Ausdruck verleihen, die sagt: Frau, du bist heilig, denn deine Kraft bringt Leben hervor. Frau, du bist wunderschön, denn dein Tanz schenkt der Welt Freude. Frau, du bist in dir ganz, und nur aus dir heraus hast du alle Antworten, um dir die Fragen deiner tiefsten Sehnsüchte zu beantworten.
In den langen Nächten und einsamen Stunden des Recherchierens und Schreibens an diesem Buch ist in mir und mit mir etwas passiert. Ich habe zurückgeblickt auf die Jahrtausende weiblicher Unterdrückung durch Religion und Gesellschaft. Auf die Folter und Feuer der Hexenverfolgungen. Auf die ersten feministischen Bewegungen, die uns aus dem Kokon des »nur« Ehefrau- und Mutterseins befreiten und uns zu arbeitenden Frauen machten, die uns Intelligenz zugestanden haben und unser Recht erkämpften, wählen zu gehen. Ich bin von den Urbildern der weiblichen göttlichen Kraft in vielen Kulturen über ihre totale Eliminierung in allen Religionen hin zum dem Bild gereist, das der Frau in der heutigen Gesellschaft zugeschrieben wird. Und ich habe mich gefragt, ob es das »Ideal der befreiten Frau«, mit dem wir uns hier im Westen schmücken und mit dem wir uns gerne über andere Gesellschaften erheben, denn überhaupt gibt.
Ich schreibe dieses Buch in einer Zeit, in der die überwiegende Mehrheit der Frauen in der westlichen Welt ihren Körper hasst. Den Körper, der sie täglich durch das Leben trägt, mit dem sie atmen, essen, sich bewegen, umarmen, lieben können.
Den Körper, der ihr
Zuhause ist und
der Tempel ihrer Seele.
Immer wieder frage ich mich: Zu welchem Zeitpunkt der weiblichen Geschichte auf Erden wurden wir zu Körpern, obwohl wir doch beseelte Wesen mit Gefühlen sind? Wann wurden wir zu Sexobjekten, zu Schmuckstücken, zu Objekten, die Magazincover, Kosmetikwerbungen und Modefotostrecken zieren? Zu seelenlosen Vorlagen für Kleider, Schuhe und Taschen? Gab es jemals eine echte weibliche Emanzipation? Hat die feministische Bewegung Frauen wirklich befreien können? Wurden wir dieser Befreiung nicht beraubt, gleich nach den ersten feministischen Wellen, als im Zuge der industriellen Revolution plötzlich attraktive Models von den Covers der neu aufkommenden Magazine strahlten und ein Bild von Weiblichkeit prägten, das uns bis heute unserer Selbstliebe beraubt und uns unfrei macht? Sind Frauen denn wirklich in ihrer Kraft? Von innen heraus? Aus dem Innersten dessen, was sie sind? Sind wir wirklich frei, die zu sein, die wir sind?
Wo ist die Natürlichkeit
unserer Weiblichkeit
geblieben?
Das einfach nur Sein, ohne irgendwelchen Vorstellungen anderer entsprechen zu wollen. Ohne Make-up und ohne die ständige Zurschaustellung unserer weiblichen Reize. Lieben wir uns jetzt, in diesem Moment? Genau jetzt, in der Vollkommenheit unseres »nicht perfekten« Körpers? Oder hören wir immer und immer wieder unsere innere Kritikerin, die sagt: Du bist nicht gut genug?
Für mich hat die weibliche Revolution noch nicht angefangen. Denn so lange wir Frauen nicht erkennen, dass die wahre Revolution mit der Achtung, der Selbstliebe, der Selbstannahme und dem Respekt gegenüber uns selbst beginnt, kann es keine freie Frau auf dieser Welt geben. Egal, in welchem Land. Egal, mit welchen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Werten. Als Mensch und Kulturwissenschaftlerin macht es für mich keinen Unterschied, ob Frauen einen Schleier tragen, mit dem ihre weibliche Kraft verhüllt wird, oder ob sie zu puren Sexobjekten degradiert werden, die vermeintlich nur dann erfolgreich und glücklich im Leben sein können, wenn sie dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Es geht um die Symbole, die dahinterstehen, hinter dem Schleier, der Spitzenunterwäsche und dem roten Lippenstift. Es sind Symbole einer in ihrer Struktur zutiefst patriarchalen Gesellschaft, die Frauen ihrer wahren weiblichen Kraft beraubt, sie bewusst oder unbewusst gefügig macht. Sie den Idealen (welche auch immer das sein mögen) von Männern anpasst, um sie ja nicht zu groß in ihrer Kraft werden zu lassen – einer Kraft, die seit vielen Jahrtausenden gefürchtet wird.
Für mich ist die Frau etwas Besonderes und Einzigartiges. Die Geburt meines Sohnes und das Betreten des Pfades der Mutterschaft haben mir gezeigt, wie stark ich bin. Wie viel ich tragen kann. Wozu mein Körper fähig ist – nämlich, ein Leben in diese Welt zu bringen. Ich habe ihn dabei beobachtet, wie er sich aus den Trümmern der Geburt langsam, aber sicher regeneriert hat. Ihn gesund genährt, damit er mein Kind fast zwei Jahre ernähren konnte. Ihn genossen, als ich zehn Kilo mehr wog, denn ich wusste, dass diese Extraportion Fett rund um Bauch und Hüften nicht nur gute Muttermilch produzierte, sondern mir auch emotionale und psychische Stabilität verlieh, wenn ich an schlaflosen Nächten, schreiendem Kind, zu viel Stress und zu wenig Freiraum litt. Durch das Mutterwerden lernte ich, meinen Körper zu lieben. Ihn zu umarmen, so wie er nun mal war, mit all seinen Ecken und Kanten und Dellen. Durch und mit ihm gehe ich durch die Welt und erlebe das Leben. Täglich. Mache meine Erfahrungen, fühle, weine, lache, liebe, bin. Mensch. Frau.
Ich bin zutiefst dankbar dafür, dieses Buch als Frau des 21. Jahrhunderts schreiben zu können – in einer Zeit, in welcher viele Frauen aus alten Rollenmodellen erwachen, ganz werden, heil werden. Ein Buch dieser Art wäre vor...