Das folgende Kapitel dient als Einführung in die komplexe Thematik der Lehrerbelastung. Zunächst werden nach einer Begriffsklärung zur Belastung zwei aktuelle Belastungsmodelle vorgestellt. Anschließend werden die Belastungen im Zusammenhang mit der Gesundheit der Lehrpersonen betrachtet.
Im Folgenden werden die Begriffe Belastung, Beanspruchung, Stress und Anforderungen erläutert und wissenschaftlich bestimmt. Diese Termini werden in deutschsprachigen Veröffentlichungen häufig synonym verwendet (vgl. Rothland, 2012, S. 8). Doch es wird von verschiedenen Seiten betont, dass eine konsistente und trennscharfe Verwendung dieser Begriffe notwendig ist (vgl. Kyriacou, 2001, zit. n. Klusmann, 2011, S. 815). Diese Begriffe sollen deshalb differenzierter betrachtet werden. Es wird beleuchtet, in welcher Beziehung sie zueinander stehen und durch welche Aspekte sie sich voneinander unterscheiden.
Als Belastung werden Anforderungen der Umwelt bzw. äußere Einflüsse bezeichnet, die auf die Lehrperson einwirken (vgl. Van Dick & Stegmann, 2012, S. 44). Belastungen resultieren demnach aus einer bestimmten Relation der Person zu ihrer Umwelt (vgl. Spanhel, 1995, S. 61). Sie beschreiben aber auch die subjektiven Einstellungen von Lehrkräften zu ihrer Tätigkeit (vgl. Gehrmann, 2012, S. 176).
Unter Beanspruchung werden die Auswirkungen der Belastungen auf die Lehrperson verstanden (vgl. van Dick, 1999, S. 19). Diese bezeichnen sowohl physische als auch psychische Folgen und somit messbare Veränderungen, die in Situationen der Belastung aber auch Entspannung auftreten können (z. B. Veränderung der Herzfrequenz in Unterrichtspausen) (vgl. Gehrmann, 2012, S. 176). Somit kann Belastung als Ursache und die Beanspruchung als Reaktion betrachtet werden (vgl. Schönwälder, 1997, S. 188; zit. n. Gehrmann, 2012, S. 177).
Doch es sollte berücksichtigt werden, dass jede Lehrperson anders auf Belastungen reagiert und nicht jede Belastung als negativ erlebt wird (vgl. Gehrmann, 2012, S. 177). Die Bewältigung von Belastungen kann auch zur Kompetenzerweiterung führen und auf diese Weise die Arbeitszufriedenheit steigern (vgl. Lange, 2004, S. 195). Somit können bestimmte Beanspruchungen sogar einen gesundheitsförderlichen Einfluss auf die Lehrer und Lehrerinnen haben (vgl. Gehrmann, 2012, S. 177).
Neben den Begriffen Belastung und Beanspruchung wird der Begriff Stress häufig mit dem Lehrerberuf in Verbindung gebracht. Stress ist ein Begriff, der in der Alltagssprache sehr häufig verwendet wird (vgl. van Dick, 1999, S. 23). Zum einen bezieht er sich auf belastende Umgebungsfaktoren (z. B. Lärm) oder aber auch auf körperliche Reaktionen und Empfindungen (z. B. „Ich bin gestresst“) (vgl. van Dick, 1999, S. 23). Stress wird häufig mit negativen Emotionen (wie z. B. Ärger, Wut, Enttäuschung) assoziiert, die bei Arbeitsanforderungen entstehen können (vgl. Rudow, 1994, S. 91). Auch die Terminologie ist in vielen Studien nicht einheitlich, denn oft wird unter Stress die Belastung wie auch die Beanspruchung verstanden (vgl. ebd.). Nach Lazarus tritt Stress dann auf, wenn Anforderungen und Belastungen als Bedrohung und Gefährdung gesehen werden (vgl. dies., 1966, zit. n. Rudow, 1994, S. 91). Ähnlich betrachtet es Seyle, der davon ausgeht, dass Stress eine unspezifische Reaktion des Organismus auf Belastungen ist (vgl. dies., 1976; zit. n. van Dick, 1999, S. 24). Physiologische Stressreaktionen, wie eine erhöhte Hormonausschüttung der Nebennieren, stellen einen biologischen Abwehrmechanismus dar, der unspezifisch auf jeden Reiz reagieren kann (vgl. ebd.).
Auch Anforderungen werden häufig mit Belastungen in Verbindung gebracht. Doch der Begriff der Belastung wird vielmehr mit negativen Folgen für die Lehrperson assoziiert, während unter Anforderungen Bedingungen und Aufgaben verstanden werden, die potentiell die Chance zu besserer Gesundheit und letztendlich zur Persönlichkeitsentwicklung in sich tragen (vgl. Hennig, o.J., S. 42). Doch wird der Arbeitsalltag der Lehrpersonen betrachtet, so gibt es kaum Anforderungen, die nicht mit einer gewissen Belastung einhergehen und kaum Belastungen, die nicht auch ein Minimum an Erfahrungsgewinn bewirken (vgl. ebd.).
In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Modelle zur Lehrerbelastung entwickelt. Es sollen nun zwei aktuelle Belastungsmodelle kurz vorgestellt werden, die sich im Kontext der Forschung zur Belastung von Lehrpersonen bewährt haben und häufig herangezogen wurden.
Rudow entwickelte ein Rahmenmodell, das versucht, die Belastungs- und Beanspruchungsfolgen einschließlich möglicher Zusammenhänge darzustellen (vgl. dies., 1994, S. 42). Nach Krause ist dieses Modell besonders in den Arbeitswissenschaften vorherrschend (vgl. dies., 2002, S. 11). Im Modell wird zunächst zwischen objektiven und subjektiven Belastungen differenziert (vgl. Rudow, 1994, S. 42). Die objektiven Belastungen sind zunächst alle Faktoren in der pädagogischen Arbeit, die unabhängig von der Lehrperson existieren und potentielle Beanspruchungsfolgen auslösen (vgl. ebd.). Darunter fallen Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen (vgl. ebd.). Der Prozess der Widerspiegelung führt dazu, dass die objektiven Belastungen zu subjektiven Belastungen transformiert werden (vgl. ebd.). Rudow unterscheidet bei diesem Widerspiegelungsprozess zwischen Wahrnehmung, Bewertung und kognitiver Verarbeitung (vgl. ebd.). Wenn Lehrpersonen Belastungen erfahren haben, werden diese individuellen und subjektiven Belastungen größtenteils als Erfahrungen im Gedächtnis gespeichert (vgl. ebd.). Die emotionale Belastung wird über objektive Belastungsfaktoren bestimmt und äußert sich in positiven und negativen Befindlichkeiten (vgl. Munipow et al., 1980; vgl. Hofer, 1986; zit. n. Rudow, 1994, S. 42). Bei der Bewertung vergleichen die Lehrpersonen Bedürfnisse, Motive und deren Realisierungsmöglichkeiten (vgl. Rudow, 1994, S. 42). Je größer die Diskrepanz zwischen ihnen ist, desto stärker ist die Qualität der emotionalen Belastung einzuschätzen (vgl. ebd.). Ein Beispiel soll das Verständnis erleichtern. Eine Lehrperson, die eine große Klasse unterrichtet, kann die objektive Bedingung des Lärms als subjektive bzw. emotionale Belastung wahrnehmen, da somit ihr Bedürfnis nach Wohlbefinden im Beruf nicht befriedigt werden kann (vgl. ebd.).
Lazarus und Launier definieren Stress als Resultat einer Transaktion zwischen den Systemen Umwelt und der Person (vgl. dies., 1981, S. 213). Es gibt drei zentrale stressrelevante Beziehungen zwischen der Person und der Umwelt, und zwar die Schädigung/Umwelt, die Bedrohung und die Herausforderung (vgl. ebd., S. 214). Diese Beziehungen beschreiben ein Kräftegleichgewicht, bei dem die Fähigkeiten der Person durch die Anforderungen der Umwelt beansprucht werden (vgl. ebd.). Charakteristisch für Anforderungen ist, dass sie zu schädlichen Konsequenzen für die Person führen können, falls ihnen nicht begegnet wird oder sie nicht neutralisiert werden können (vgl. ebd.). Schädigung/Verlust, Bedrohung und Herausforderung stellen Beziehungskonzepte dar, bei denen die unabhängigen „Person- und Umweltvariablen auf einer anderen Analyseebene zu einem neuen Konzept verknüpft werden“ (ebd.). Zum Beispiel kann sich für eine Person eine Bedrohung ergeben, wenn sie externen sehr hohen Anforderungen ausgesetzt ist und die Fähigkeiten zu gering sind, um diese zu bewältigen (vgl. ebd.). Bedrohung hängt somit von dem „Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Anforderungen und den Fähigkeiten“ ab (Lazarus, 1966, zit. n. Lazarus & Launier, 1981, S. 214).
Im Folgenden werden gesundheitliche Beeinträchtigungen und Reaktionen auf Belastungen dargestellt. Bedeutend ist auch die Frage, ob Belastungen unweigerlich zu negativen Beanspruchungsfolgen führen.
Viele Publikationen zur Lehrerbelastung heben die Risiken für die psychische Gesundheit hervor. Im Kontext der Gesundheit der Lehrpersonen wird den psychosomatischen und psychischen Beschwerden eine dominierende Rolle zugewiesen. Psychische Störungen und Beeinträchtigungen des Befindens treten bei Lehrpersonen am häufigsten auf (vgl. Rudow, 1994, S. 37). Epidemiologische Studien aus verschiedenen Ländern verdeutlichen, dass international darüber eine Einigkeit besteht (vgl. ebd.). Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen wird angenommen, dass Lehrpersonen häufiger psychisch erkranken (vgl. Hillert, 2012, S. 147; vgl. ebd.).
Um die Gesundheitssituation der Lehrkräfte adäquat darzustellen, sollten Gründe für die vorzeitige Berufs-/Dienstunfähigkeit betrachtet werden. Zunächst ist der Bereich der psychischen Störungen mit 45% deutlich an der Spitze (vgl. Weber, 1998, zit. n. Lehr, 2004, S. 121). Weber untersuchte eine...