Ernst Bacmeister
Mein Glaube
Ich glaube, daß es nirgends im Weltall etwas gibt, was uns Menschen heiliger sein dürfte als der Stern, den wir selber bewohnen, und daß wir uns nicht frömmer zum Leben verhalten können als indem wir die höchste Möglichkeit der Erde, ihre Gottesblüte Geist, immer reiner und reicher in uns verwirklichen. — Wo aber diese Blüte im Menschen deutlich erwacht ist, da wird sie in seinem Willen auch zur Frucht und streut ihren Samen aus als eine Fülle geläuterter Taten, die unsere irdische Wohnstätte zu einem diesseitigen Himmel der Heimatlichkeit im unendlichen All gestalten. Und hiermit erfüllt sich der ewige Sinn des kosmischen Gebildes, das wir unseren Planeten nennen.
Ministerialrat a.D. Professor Dr. Kurt Asal
Ernst Bacmeister zum 85. Geburtstag
Ein unvollkommenes, ja einseitiges Bild gewänne der Betrachter, der sein Urteil über das Wesen einer Zeit nur nach denjenigen Stimmen bilden wollte, die im Chor der geistigen Lebensäußerungen laut und vernehmlich hervortreten. Wer zur richtigen Wertung gelangen will, darf die Stimmen nicht überhören, die, überdeckt von den Klangwogen der Führenden, unbeirrt und unbeirrbar ihre sanfte Melodie ertönen lassen. In diese Reihe gehört das Dichtwerk Ernst Bacmeisters. Wer wie er das „recede in te ipsum“, die Selbsterziehung, in den Mittelpunkt seines dichterischen Schaffens stellt, geht in der heutigen Zeit einen eigenen und auf weite Strecken einsamen Weg. Aber gerade deshalb hat er den Heutigen, denen so viel von den materiellen Gütern des Lebens und den menschlichen Trüben und Leidenschaften und so wenig von den seelischen Werten vor Augen geführt wird, Wesentliches zu sagen. Seine Aussagen und Lehren sind geradezu die heilende Komponente gegenüber den zermürbenden Einseitigkeiten der gegenwärtigen Lebensführung allzuvieler.
So sei denn dem Dichter und Denker, der mit solcher Folgerichtigkeit und Selbstverleugnung aus dem Gefühl sittlicher Verantwortung heraus seine Lebensaufgabe erfüllt, zum 85. Geburtstage aufrichtig Dankbarkeit und Verehrung bezeugt mit allen guten Wünschen für ein weiteres segensreiches Schaffen.
Ernst Bacmeister
Mein Leben
Die Anschauungswelt meiner Kindheit ergab sich aus einer ganzen Reihe von Wohnorten meiner Eltern im mittleren Deutschland. Der äußerliche Raumwechsel erscheint mir dabei nicht sehr wichtig gegenüber der Einheitsmacht der jungen Seele, alles gleicherweise träumerisch in sich hineinzunehmen. Auch blieb ja das elterliche Haus von Stadt zu Stadt immer dieselbe engste Heimat und treuliche Umschließung. Und ob wir sechs Brüder an der Saale bei Bernburg Schmetterlinge fingen oder, mit immer wachsendem Unternehmungsschwung, in den Bergen bei Eisenach abenteuerten, machte keinen wesentlichen Unterschied aus gegenüber dem Element unserer angeborenen Dauergemeinschaft, die jede Eigenbrötelei verhinderte und uns unwillkürlich zu Tatlust und Opferbereitschaft erzog. Ich halte es um so mehr für einen Segen, in einer zahlreichen Familie aufgewachsen zu sein, weil ich zur Einzelbewußtheit besonders veranlagt war und schon frühzeitig den Blick nach innen wandte. Deshalb nahm ich auch die Schule ungewöhnlich ernst und kam dem Wunsche meiner Mutter, daß ich ein evangelischer Prediger werden möchte, wie es ihr Vater gewesen war, mit einem fast pedantischen Lerneifer entgegen, der mein Gemüt vergewaltigt haben würde, wenn nicht das heimische Miteinander heilsam dagegen gewirkt hätte.
Ich studierte dann doch nicht Theologie, sondern ohne Berufsplan alles, was mich lockte. Zum Abschluß wanderte ich als folkloristischer Philologe durch siebenbürgische Dörfer und schrieb rumänischen Bauern mit phonetischer Akribie Lieder und Märchen vom Munde ab. Dann folgten problematische Wanderjahre durch Deutschland in der lockeren Sckicksalsweise des Hauslehrers. Von Danzig bis an den Bodensee. Das dunkle Verlangen, des eigenen Geistes und Gottes mächtig zu werden, entführte mich endlich der vielspältigen Bildungswelt in die Einheit der sprachlosen Natur unter dem klärenden Gestirn der Ehe. Unsere alte Bruchsteinhütte auf dem Uferberge des Untersees lag in einer paradiesischen Landschaft, und, zur Armut gewillt, fanden wir es nicht schwer, der Zukunft zu vertrauen. Das Vorher und Nachher versank uns, denn „die Ewigkeit saß auf unserer Schwelle“. Nun wirkte die Natur, unsere einzige Umwelt auf der schweigenden Höhe, mit Ursprungsmächten auf mich ein. Die überfüllte Geistesmitte tat sich zur Gestaltung ihrer selbst in tragischen Bildern schöpferisch auf. Ein Werk rief das andere. Ehe und Natur nährten die Seele und bewahrten sie in dichter Fruchtbarkeit.
Zwar nur wenige erreichte das abseits Geschaffene. Aber Gestaltung gestaltet den Gestalter. Und „Läuterungswiderstand“ nannte ich, mir zur Versöhnung, die lange Vergeblichkeit meiner Rufe. Es soll aber um der Wahrheit willen auch nicht verschwiegen werden, daß mir die Freundin Armut meiner schweifenden Jahre als zähe Mitgesellin meiner Ehe endlich eine dürre Despotin geworden ist. Fiat justitia? Büßt man so rechtens das Glück eines eigenwüchsigen Glaubens und die Seligkeit der Werke? – – In der süddeutschen Wahlheimat finde ich die Herkunft aus norddeutschem Blute bestätigt als eine unerbittliche Protestantik meines geistigen Gewissens und als Bevorzugung herber Führungsformen im Kunstwerk, außerdem aber in dem trotzigen Willen, die seelische Anmut der weicheren Landschaft und das halkyonische Idyll des Bodensees, in das die Alpen so heldisch herüberblicken, nicht mit einer Entspannung der produktiven Kräfte zu büßen.
Hans Franke, Heilbronn
Schöpferische Weltbetrachtung
Ernst Bacmeister als Dichter und Mensch
Nicht nur für mein eigenes dichterisches Schaffen, viel mehr noch für meine menschliche Entwicklung habe ich von drei Dichtern entscheidende Anregungen im Laufe meines Lebens erhalten. Alfred Mombert lenkte in meinen Jugendjahren mein Denken in weite kosmische Räume und stand mit seiner Vision vom „Helden der Erde“ Pate bei manchem meiner lyrischen Werke; Alexander von Bernus bereicherte mein Forschen in den Bereichen des Magischen und des Zwischenreiches, und Ernst Bacmeister gab meinem Denken mit einigen seiner grundsätzlichen Themen wichtige Akzente.
Es war vor ungefähr 35 Jahren, als ich Ernst Bacmeister in Heilbronn bei einer seiner Vorlesungen in der Volkshochschule erstmals begegnete. Ich sah mich einem stämmigen, untersetzten Manne mit schon damals graudurchwirktem Schnurrbarte gegenüber, einem Menschen, in dem der Typus des Landmanns mit dem des Militärs eine eigenartige und sympathische Mischung eingegangen war; ein starker Knochenbau, arbeitsame Hände, lebendige Augen, gesammelte, aber oft auch impulsive Bewegungen zeichneten diese Erscheinung aus. Bacmeister las damals das kleine Lustspiel „Die Schlange“, das erst später zum Druck und zur Aufführung gelangte.
Diesem ersten Begegnen folgten im Laufe der Zeit viele, es kam die Aussprache in zahllosen Briefen hinzu, und dies enge geistige Verhältnis zu ihm, die Spannung, in die mich sein Denken, seine Dramen, die denkerische Grundrichtung seines Gesamtschaffens versetzten, wuchs ständig. So kam es, daß ich Ernst Bacmeister zu den meisten Uraufführungen seiner Dramen begleitete, wollte ich doch ebenso Zeuge dieser immer wieder erregenden theatralischen Vorgänge wie auch der Widerspiegelung dieser Eindrücke bei dem Schöpfer der Werke sein. Ich war so Zeuge des Erfolges von „Maheli wider Moses“ in Augsburg (1932), von „Der Kaiser und sein Antichrist“ in Düsseldorf (1943), des großen Erfolges von „Kaiser Konstantins Taufe“ in Stuttgart am Staatstheater (1937) und von dem Heinrich IV.- Drama „Der Größere“ in Frankfurt (1938).
In der Zeitspanne, in der sich gerade diese Begegnungen abspielten, war vieles urn uns her geschehen. Es waren solchen Begegnungen auch noch andernorts Gespräche gefolgt, sei es in Heilbronn, sei es in Stuttgart (wo Bacmeister in dem Gründer und Leiter der bekannten Werkschule Merz. Albrecht L. Merz, einen besonderen Freund besitzt) oder sei es dort am Bodensee, wo sich Bacmeister sehr früh schon in einem herrlichen Park ein Tuskulum geschaffen hatte, in dem er mit der Gattin und dem einzigen Sohne lebte. Es liegt gegenüber dem schweizer Ufer, man sieht die ansteigende Kette von Bergen; und nur, wer diesen Park, diesen Blick über das Wasser kennt, wer Spaziergänge durch das Hinterland unternommen hat mit seinen Wiesen, Obstgärten und Weinbergen, kann ganz die geistige Welt, die Naturbetrachtung und die Stille verstehen, die in vielen der kleinen Essays des Dichters den nachdenklich-philosophischen Untergrund bildeten.
Das Schaffen nun dieses Dichters, um den es unverständlicherweise nun schon seit Jahren ruhiger geworden ist, ist vielfältig;...