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Grammatiklernen interaktiv

Eine empirische Studie zum Umgang von DaF-Lernenden auf Niveaustufe A mit einer Lernsoftware

AutorTamara Zeyer
VerlagNarr Francke Attempto
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl343 Seiten
ISBN9783823300991
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,40 EUR
Dank der technologischen Entwicklung können sich Fremdsprachenlernende mit interaktiven Programmen zur Grammatikvermittlung selbstständig beschäftigen. Dabei können digitale Lernprogramme Animationen einzelner Übungen sowie interaktive Präsentationen grammatischer Themen enthalten. Diese Studie untersucht, wie erwachsene DaF-Lernende auf Anfängerniveau mit einer interaktiven Lernsoftware beim selbstständigen Erarbeiten eines grammatischen Themas umgehen. Anhand von Bildschirmaufzeichnungen und introspektiven Daten wird analysiert, wie sie durch das Interaktivitätspotenzial des Programms in den Lernprozess involviert werden und welche Lernwege sie dabei auswählen.

Tamara Zeyer lehrt Fremdsprachendidaktik mit digitalen Medien an der Justus-Liebig-Universität Gießen, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Professur für Deutsch als Fremdsprache.

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Leseprobe

2.1. Digitale Medien und Fremdsprachenlernen


Seit dem Einsatz des Computers im Fremdsprachenunterricht werden kognitionspsychologische und mediendidaktische Dimensionen aktiv diskutiert (vgl. z. B. Rösler und Tschirner 2002; Tschirner et al. 2000; Roche 2007). Darüber hinaus unterscheidet Rösler beim Einsatz digitaler Medien zwei Bereiche: zum einen den des digitalen Materials und zum anderen den der computergestützten Kommunikation (vgl. Rösler 2006b: 68). Da in der vorliegenden Studie ein konkretes Lernangebot zur deutschen Grammatik untersucht wird, liegt der Fokus ausschließlich auf digitalen Materialien zum Fremdsprachenlernen, die sich im Bereich Computer-assisted language learning (CALL) verorten lassen. Computer-mediated communication (CMC) wird im Verlauf dieser Arbeit keine Rolle spielen und deshalb in diesem Kapitel auch nicht weiter behandelt.1 Zunächst ist aber der Begriff Digitale Medien zu klären.

In früheren Publikationen taucht der Begriff Neue Medien auf (vgl. Mitschian 1999; Rösler und Tschirner 2002; Marx und Langner 2005). Im Hinblick auf die Problematik des Begriffs stellt Biechele die Frage, wie lange Neue Medien diese Bezeichnung tragen werden, da es mittlerweile neuere Neue Medien gibt (vgl. Biechele 2005a: 5). In der vorliegenden Arbeit wird, wie im Beitrag von Biechele, der Begriff Digitale Medien benutzt; damit sind aber nicht nur Computer mit Internet-Zugang (vgl. ebd.), sondern auch tragbare Geräte wie Laptop, Tablet-PC und Smartphone gemeint, also alle Medien, die Arbeit mit Inhalten in digitaler Form sowohl online als auch offline ermöglichen.

In einer Reihe von Publikationen findet man Diskussionen über den Einsatz digitaler Medien beim Fremdsprachenlernen und zu ihren Vor- und Nachteilen (vgl. Ross 1997; Rösler 2006b, 2008). So sieht Ross die Potenziale von Medien für das Lehren und Lernen darin,

daß sie Bildungsinhalte veranschaulichen, verdeutlichen, direkt oder indirekt erfahrbar machen, Simulationen der Realität ermöglichen, Bildungsprozesse interessanter machen, den Lehrenden entlasten sowie in der Möglichkeit den Verhaltens- und Erfahrungsspielraum der Lernenden zu vergrößern und eine flexible, situationsgerechte Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse zu verwirklichen (Ross 1997: 12-13).

Digitale Medien können den Fremdsprachenunterricht interessanter und alltagsnäher gestalten, auch für das Selbstlernen bieten sie viel Potenzial: „Im Zusammenhang mit den digitalen Medien entsteht zudem der Eindruck, Lernende könnten mit ihrer Hilfe völlig isoliert eine Sprache lernen“ (Würffel 2016: 387). Unumstritten ist die Tatsache, dass man einzelne Kompetenzen und Fertigkeiten mit digitalen Medien trainieren kann. Jedoch stößt man an die Grenzen des mediengestützten Selbstlernens, wenn es sich um den kommunikativen Kontext und seine Rolle für das Fremdsprachenlernen handelt. Was digitale Medien zum Selbstlernen beitragen können, wird in folgendem Abschnitt erläutert.

2.1.1. Selbstlernen


Digitalen Medien wird viel Potenzial für das selbstständige Lernen zugeschrieben (vgl. Rüschoff 1988: 48; Ross 1997: 13; Würffel 2016: 386). Das erinnert wieder an die Zeiten des Sprachlabors, das auch zur Individualisierung des Lernprozesses beitragen sollte. In der Ära digitaler Medien stehen selbstgesteuertes Lernen, Individualisierung des Lernprozesses und Lernerautonomie1 wieder zur Diskussion. Eine klare Trennung zwischen diesen Begriffen ist nicht immer möglich (vgl. Rösler 2012: 116).2 Beim Selbstlernen handelt es sich um eine Lernform, bei der der Lernprozess, komplett oder teilweise, außerhalb des Unterrichts stattfindet. Es ist durch unterschiedliche Grade der Selbststeuerung gekennzeichnet, die im Kontext des mediengestützten Lernens durch die Materialien bestimmt werden (vgl. ebd.: 116-117). In Bezug auf die Verwendung des Autonomiebegriffs im Kontext des Lernens mit digitalen Medien warnt Rösler vor ihrer Trivialisierung. Bestimmt ein Lernender selbst den Ort und die Zeit der Bearbeitung von Lernmaterialien, heißt es nicht, dass es sich automatisch um selbstbestimmtes Lernen handelt. Die Inhalte des Lernprogramms sind von Entwicklern (genauso wie Inhalte eines Lehrwerks von Autoren) bestimmt, die Auswahl der Lernpfade innerhalb des Programms ist auch durch die Anzahl vorprogrammierter Verzweigungen limitiert (vgl. ebd.: 117). Inwiefern Lernende ihre Lernwege innerhalb der Interaktiven Grammatik selbst bestimmen können, wird in Kapitel 5 expliziert.

Hinsichtlich der Förderung selbstbestimmten individuellen Lernens im Anfängerunterricht schlägt Rösler vor, eine kontrollierte Überschreitung der Progressionsgrenzen als selbstverständlich zu betrachten. „Dabei ist darauf zu achten, dass die Lernenden mit Aufgaben konfrontiert werden, die es ihnen erlauben, mit einem Erfolgserlebnis aus dem für ihren aktuellen Sprachstand zu komplexen sprachlichen Material wieder ‚herauszufinden‘“ (Rösler 2006a: 160). Wenn die Bestimmung der Überschreitung im Unterricht den Lehrenden überlassen wird, ist zu überlegen, wie die Aktivitäten, Aufgabenstellungen, Navigation und Steuerung in digitalen Lernmaterialien gestaltet werden müssen, damit der selbstständige Lernprozess gefördert und überhaupt ermöglicht wird.

Durch Digitalisierung stehen Selbstlernenden vielfältige Lernmaterialien zur Verfügung.3 Selbstlernmaterialien werden „in der Regel ergänzend zum lehrergesteuerten Unterricht“ verwendet (Lahaie 1995: 30). Dabei zielen sie auf das Training einzelner Kompetenzen und Fertigkeiten ab (vgl. ebd.). Dass digitale Lernmaterialien gegenüber analogem Selbstlernen und Lernerautonomie stärker fördern, ist umstritten. So ist Koenig der Ansicht, dass Lehrwerke die Lernerautonomie konsequenter als computergestützte Lernprogramme fördern, obwohl es gerade bei der Konzeption und Programmierung digitaler Materialien mehr Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung gebe (vgl. Koenig 2000: 29ff.). In seinem Beitrag formuliert er Kriterien für Lernmaterialien, die der Förderung der Lernerautonomie dienen. Eine wichtige Rolle wird der Transparenz des Lernangebots zugewiesen, damit Lernende sich schnell orientieren und über die Art und Schwierigkeit der Aufgaben informieren könnten. Außerdem sollten Materialien Aufgaben beinhalten, die die Selbstreflexion über den eigenen Lernstil und die Lerngewohnheiten beinhalten und Lernstrategien fördern (vgl. ebd.: 33-34). Lernmaterialien sollten auch entdeckendes Lernen ermöglichen. Ein besonderes Potenzial entdeckenden Lernens wird u. a. dem Grammatikunterricht zugewiesen, in dem Lernende Gemeinsamkeiten und Unterschiede vergleichen, grammatische Strukturen erkennen, Hypothesen aufstellen, überprüfen und gefördert werden, „dadurch zunehmend ein Gefühl für die Struktur einer Sprache, in diesem Fall der deutschen, zu entwickeln“ (ebd.: 36). Die ausgearbeiteten Kriterien gelten generell für Lernmaterialien, unabhängig davon, ob sie analog oder digital sind.4

Lernmaterialien alleine reichen für den Lernerfolg nicht aus, Lernende benötigen auch gewisse Kompetenzen zum selbstständigen Lernen. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion über Lernstrategien und Lerntechniken nicht uninteressant. „Lernstrategien sind also (mentale) Handlungspläne, deren Ziel ist, etwas selbstständig zu lernen“ (Bimmel 1993: 5). Einen umfassenden Überblick über Strategien bietet Würffel (2006).

Die Erforschung von Selbstlernprozessen im fremdsprachendidaktischen Kontext steht im Mittelpunkt vieler Studien. Dabei handelt es sich sowohl um Selbstlernkurse mit analogen Medien (vgl. z. B. Lahaie 1995) als auch mit digitalen (Nandorf 20045; Würffel 20066; Schmidt 20077).

Während die Studien von Nandorf (2004), Würffel (2006) und Schmidt (2007) Lernende über einen längeren Zeitraum beim Selbstlernen begleiten und beobachten, handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um die Beobachtung eines deutlich kürzeren Lernprozesses, und zwar nur um die Untersuchung der ersten Begegnung mit dem Programm zum Grammatiklernen. Während dieser ersten Begegnung kann ein grammatisches Thema selbstständig entdeckt bzw. können Kenntnisse zum Thema durch die Regelformulierung systematisiert und in Übungen angewendet werden. In diesem Zusammenhang kann eine ausführliche Analyse einzelner Elemente des Lernprogramms – Multimodalität, Interaktivität, vorgesehene Aktivitäten etc. – zur Nachvollziehbarkeit kognitiver Prozesse bei der Bearbeitung des grammatischen Themas dienen. Darüber hinaus bearbeiteten alle Teilnehmenden dieselbe Einheit der Interaktiven Grammatik, somit erfolgte eine präzise Vergleichbarkeit der Lernwege einzelner Personen. Eine weitere Besonderheit der Teilnehmenden ist das Sprachniveau A im Deutschen, d. h. sowohl die Begegnung mit einem neuen Lernprogramm als auch eine selbstständige Auseinandersetzung mit sprachlichen Inhalten in der Anfängerstufe stehen im Vordergrund der Untersuchung. In Kapitel 6 werden weitere Unterschiede zu den genannten Studien hinsichtlich des triangulierenden Verfahrens bei der Datenauswertung aufgezeigt.

2.1.2. Multimodalität


In digitale Lernangebote können unterschiedliche Medien – Texte, Audio und Bilder – integriert werden und somit die Wahrnehmung von Informationen über unterschiedliche Sinneskanäle ermöglichen (vgl. Kerres 2013: 168). Multimedia-Programmen wird eine Eigenschaft zugeschrieben, die andere Medien nicht leisten könnten: den Zugang zu Lerninhalten in textueller und auditiver Form zu ermöglichen...

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