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Wie es zu Deutschlands Teilung kam

Vom Zusammenbruch zur Gründung der beiden deutschen Staaten - 1945-1949

AutorWolfgang Benz
Verlagdtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783423433358
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Auf der Potsdamer Konferenz im Juli und August 1945 besprachen die »Großen Drei«, der britische Premier Winston Churchill, der amerikanische Präsident Harry Truman und der sowjetische Staatschef Josef Stalin, die zukünftigen Grenzen in Europa, die Reparationsleistungen und die Verwaltung der Besatzungszonen. Über vieles wurde man sich nicht einig, der Kalte Krieg begann. Aus den Westzonen entstand 1949 schließlich die Bundesrepublik, aus der Ostzone die DDR. Eine anschauliche, prägnante Geschichte der Nachkriegszeit von der Kapitulation über Besatzungspolitik und -alltag, Entnazifizierung, Währungsreform und Berlin-Blockade bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten.

Wolfgang Benz, geboren 1941, ist emeritierter Professor für Zeitgeschichte, lehrte von 1990 bis 2011 an der Technischen Universität Berlin, gründete das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung und war bis 2011 dessen Leiter. 1992 erhielt er den Geschwister Scholl-Preis. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft sowie Autor zahlreicherVeröffentlichungen, darunter einiger Standardwerke, zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.

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Leseprobe

2. Der Zusammenbruch des NS-Staates und die bedingungslose Kapitulation


Die amerikanischen, britischen und sowjetischen Generalstäbler waren sich in Jalta einig, dass die Niederlage Deutschlands frühestens um den 1. Juli, spätestens Ende des Jahres 1945 Tatsache sein würde.[29] Die Annahmen beruhten auf britischen Beratungen, die im Januar 1945 das militärische Ende des Deutschen Reichs im günstigsten, jedoch als unwahrscheinlich angesehenen Fall für Mitte April, im »einigermaßen günstigen Fall« Ende Juni und im »ungünstigen Fall«, wenn nämlich der russische Vormarsch vor Oberschlesien zum Stillstand käme und im Westen die alliierte Frühjahrsoffensive (u. a. wegen der angenommenen qualitativen Überlegenheit deutscher Panzer und Düsenflugzeuge) stecken bleibe, Anfang November 1945.[30] Die Amerikaner waren jedoch noch vorsichtiger als die Briten und vermuteten das Kriegsende rein rechnerisch am 31. Dezember 1945.

Der deutsche Zusammenbruch war freilich, als die Alliierten dies planten und rechneten, schon weit fortgeschritten. Den »totalen Krieg« zu führen, den Hitlers Propagandaminister Goebbels im Februar 1943 ausgerufen hatte, waren die Alliierten je länger desto mehr in der Lage als Deutschland, das im September 1944 die letzten »waffenfähigen Männer«, kaum ausgebildet und kläglich ausgerüstet, zum »Volkssturm«, zum letzten Aufgebot, rufen musste. »Totaler Krieg« wurde seit 1942 von der britischen und der amerikanischen Luftwaffe gegen deutsche Städte geführt. Sie teilten sich die Arbeit, das Bomber-Command der Royal Air Force kam nachts, die United States Army Air Forces flogen ihre Bombenlast am Tage. Insgesamt waren es 1,35 Millionen Tonnen Bomben, die über dem Reichsgebiet abgeworfen wurden, der größere Teil davon auf Städte. Die Flächenbombardements waren militärisch ebenso sinnlos, wie es die Angriffe der deutschen Luftwaffe gegen London im Jahre 1940 waren. Sie waren ebenso sinnlos wie der Einsatz der deutschen V-Waffen gegen London oder Antwerpen, aber sie hatten unvergleichbare Ergebnisse. Noch in den letzten Wochen des Krieges sanken Städte in Schutt und Asche, Hunderttausende kamen im Inferno um, Hunderttausende wurden obdachlos. Am 3. Februar 1945 forderte ein amerikanischer Luftangriff auf Berlin 22 000 Todesopfer, am 13./14. Februar wurde Dresden vernichtet (35 000 Tote), am 16. März ging Würzburg in einem Großangriff zu über 85 Prozent zugrunde (etwa 4000 Tote). Mitte April wurde Potsdam zerstört (5000 Tote). Die erstrebte Wirkung, durch die Zerstörung der Moral und des Durchhaltewillens den Krieg zu verkürzen, stellte sich aber nicht ein und konnte auch kaum erzielt werden, weil die psychische Verfassung der Zivilisten in Dresden und Würzburg, Hildesheim, Stuttgart, Heilbronn und den anderen zerbombten Städten bei den Anstrengungen des NS-Regimes in letzter Stunde keine Rolle spielte.[31]

In seiner letzten Rundfunkrede an das deutsche Volk, am 30. Januar 1945, erklärte Hitler, »das grauenhafte Schicksal«, das sich im Osten abspiele, werde »mit äußersten Anstrengungen von uns am Ende trotz aller Rückschläge und harten Prüfungen abgewehrt und gemeistert werden«[32]. Drei Wochen später, am 24. Februar 1945, ließ Hitler in München eine Proklamation verlesen, die er aus Anlass des 25. Gründungsjubiläums der NSDAP verfasst hatte und die mit der Prophezeiung, dass das Deutsche Reich am Ende doch siegen werde, schloss: »Unser Volk hat im Laufe seiner nunmehr zweitausendjährigen Geschichte so viele furchtbare Zeiten überstanden, daß wir keinen Zweifel darüber haben dürfen, daß wir auch der jetzigen Not Herr werden! Wenn die Heimat weiterhin ihre Pflicht so wie jetzt erfüllt, ja sich in ihrem Willen, das Höchste zu leisten, noch steigert, wenn der Frontsoldat an der tapferen Heimat sich ein Beispiel nimmt und sein ganzes Leben einsetzt für diese seine Heimat, dann wird eine ganze Welt an uns zerschellen!«[33] Bis zuletzt predigte auch Goebbels die Illusion des Durchhaltens und beschwor die Hoffnung auf kriegsentscheidende Wunder.

So wurde Roosevelts Tod am 12. April 1945 in die schiefe Parallele zu des großen Preußenkönigs Friedrich II. Schicksalswende im Siebenjährigen Krieg nach dem Tode der Zarin Elisabeth im Januar 1762 gerückt, als Hitlers Propagandaminister Goebbels frohlockte, das Haupt der feindlichen Verschwörung sei vom Schicksal zerschmettert worden, und zwar vom gleichen Schicksal, das Hitler beim Attentat der Offiziere am 20. Juli 1944 beschützt habe. Das war am 19. April gewesen, am Vorabend von Hitlers 56. Geburtstag. Es war nicht nur die letzte der alljährlichen Feierstunden zum Führergeburtstag, sondern Goebbels’ letzte öffentliche Rede überhaupt. Friedrich der Große spielte eine wichtige Rolle in der nationalsozialistischen Propaganda, sein Beispiel hatte Goebbels dem deutschen Volk auch bei der Rundfunkansprache am 28. Februar 1945 vor Augen gehalten, im Rahmen eines ebenso offiziellen wie grotesken Überblicks über die Kriegslage: »Ein Friedrich II. mußte sieben lange, bittere Jahre um sein und seines Staates nacktes Leben kämpfen, manchmal unter den aussichtslosesten Bedingungen. Und wie oft hat er in bitterem, verletztem Stolz gegen das Schicksal gehadert, das ihn aber doch nur schlug und peinigte, um ihn am Ende zu den ganz Großen in der Geschichte zu erheben und aus dem kleinen, armen und verfolgten Preußen die Keimzelle des neuen deutschen Reiches zu machen, das heute – auf jenes einzigen Königs heroischer Leistung fußend – um die geistige Führung unseres Kontinents kämpft.«[34]

 

Der Durchhaltepropaganda half das Regime durch drakonische Maßnahmen und Befehle nach. Am 15. Februar wurden in »feindbedrohten Reichsteilen« Standgerichte eingeführt, die den Kampfwillen der Bevölkerung durch Todesurteile stählen sollten. Diese Mechanismen funktionierten bis in die letzten Tage des Krieges, und als ultimativer Propagandatrick wurde im April 1945 die Fama einer nationalsozialistischen Partisanenorganisation verbreitet. Diese »Werwölfe« haben tatsächlich gar nicht existiert, wenn man von ganz vereinzelten Aktionen fanatisierter und verzweifelter Nazis absieht. Die psychologische Wirkung der realiter nicht vorhandenen Werwölfe auf die alliierten Truppen war aber beträchtlich, und es dauerte noch lange über die Kapitulation hinaus, bis auch die Besatzungssoldaten glaubten, dass keine Nationalsozialisten in ihrem Rücken lauerten.

Spuren deutscher Verbrechen


Aber stärker als die verzweifelten Durchhaltebefehle und Propagandagesten des untergehenden Hitlerregimes wirkten die Taten, die im Namen des Nationalsozialismus verübt wurden, die mit »Kriegführung« nicht das Geringste zu tun hatten, und deren Spuren den alliierten Soldaten zu Augenschein kamen. Bei der Einnahme Straßburgs am 23. November 1944 fielen den Alliierten in der »Reichsuniversität«, im Institut des Anatomieprofessors August Hirt, Leichenteile und Reste einer dubiosen Skelett- und Schädelsammlung in die Hände. Es war die Hinterlassenschaft eines der grauenhaften Projekte, die pervertierte Wissenschaftler unter der Ägide der SS betrieben hatten. In Straßburg waren Häftlinge aus Konzentrationslagern planmäßig ermordet worden, weil man ihre Skelette zu anatomischen und höchst zweifelhaften rasseanthropologischen Studien verwenden wollte[35].

Die Wirkung der Entdeckung von Straßburg in der Öffentlichkeit der alliierten Staaten war enorm. Im Juli 1944 hatte die Rote Armee in Polen bei der Befreiung des Vernichtungslagers Lublin-Majdanek erstmals die Überreste einer nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie entdeckt. Obwohl die SS in Majdanek die Spuren ihres organisierten Mordens zu verwischen versucht hatte und obwohl dort nicht mehr viele Häftlinge zurückgeblieben waren, wurden hier und dann immer weitere schreckliche Geheimnisse des NS-Regimes vor aller Welt offenbar. In Auschwitz fanden die Soldaten der Roten Armee am frühen Nachmittag des 27. Januar 1945 noch etwa 8000 Häftlinge vor. Einen großen Teil der Lagerakten hatte die SS verbrannt, die Krematorien im Vernichtungslager Birkenau (Auschwitz II) waren gesprengt, Zehntausende von Häftlingen waren unter entsetzlichen Umständen ins Reichsinnere evakuiert worden.

Im Laufe der folgenden drei Monate, während die NS-Herrschaft zusammenbrach und ihr immer kleiner werdendes Territorium von alliierten Truppen erobert wurde, wiederholte sich das Entsetzen der Eroberer, bis die letzten Konzentrationslager befreit waren: Am 11. April kamen die Amerikaner nach Buchenwald bei Weimar, vier Tage später befreiten die Engländer Bergen-Belsen....

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