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Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum

Eine Chance für die Professionalisierung der Pflege?

AutorStephan Lücke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783656101710
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Gesundheit - Pflegewissenschaft - Sonstiges, Note: 1,1, Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (Fachbereich Heilpädagogik und Pflege), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ist immer schwieriger zu gewährleisten. Eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen ist daher erforderlich. Doch wer macht was? Diese Frage ist bis heute nicht geklärt. Die vorliegende Arbeit untersucht, welche Aufgabenbereiche Pflegekräfte künftig ausführen sollten, um die Gesundheitsversorgung, insbesondere auch in medizinisch unterversorgten Regionen, effektiver zu machen.

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Leseprobe

3 Zur Professionalisierung der Pflege in Deutschland


 

Ist Pflege eine Profession? Benötigt Pflege überhaupt eine Professionalisierung? Wie lässt sich die Professionalisierung in der Pflege festmachen? – Fragen der Professionalisierung der Pflege werden seit einigen Jahren im Gesundheitswesen kontrovers diskutiert. Bis in die 1980er Jahre wurde die Pflege bestenfalls als Semi-Profession[7] verstanden. Seit der Etablierung der Akademisierung der Pflege und dem zunehmenden Einzug einer pflegewissenschaftlichen Infrastruktur hat die Professionalisierung jedoch beachtliche Fortschritte gemacht. In diesem Kapitel soll der Ursprung, die Entwicklung und der heutige Stand der Professionalisierung der beruflichen Pflege erörtert werden.

 

3.1 Der Begriff der Professionalisierung


 

Soziologisch-theoretische Grundlagen

 

Der Begriff der Professionalisierung wurde im angloamerikanischen Raum erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts von Sozialwissenschaftlern diskutiert. In Deutschland wurde es in den 1970er Jahren in die allgemeine Berufsdiskussion eingeführt und weiterentwickelt. Seitdem ist eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Ansätzen zum Thema erschienen. Auffällig ist, dass die Begriffe der Profession und Professionalisierung darin uneinheitlich und undifferenziert gebraucht werden (vgl. Albert 1995: 25). Es existiert eine Vielzahl von Professionalisierungsansätzen, wobei die „Troika von Wissenschaftlichkeit, Autonomie und Zentralwertbezug“ (Krämer 2005: 160) als wesentliche Charakteristika einer Profession in fast allen Theorien enthalten ist: systematisches Wissen (meist akademisch erworben), ein am Gemeinwohl orientiertes Handeln der Professionsangehörigen und eine autonome Berufsausübung und Ausbildung (vgl. ebd.). Kellnhauser (1994) erweiterte die Troika nach Krämer um weitere Merkmale: „Universitäre Ausbildung, rationale Systematisierung des Wissens zur Wissenschaft, soziale Dienstorientierung, Berufsethik, Selbstverwaltung, Handlungsmonopol, Berufsprestige, Berufsorganisation“ (Kellnhauser 1994: 44f).

 

Bei Professionen handelt es sich um Berufsgruppen, denen „aufgrund [ihrer] für die Gesellschaft nützlichen Funktionen von dieser eine gesellschaftliche Sonderstellung durch bestimmte ihnen zuerkannter Privilegien eingeräumt“ (Kellnhauser 1994: 42; eigene Ergänzung) werden. Zu den anerkannten Professionen zählen unter anderem Mediziner, Juristen, Theologen und Architekten (vgl. Lauber 2001: 103). Der Weg eines Berufs zu einer Profession wird als ein kontinuierlicher Prozess verstanden. Diesen Weg bezeichnet man als Professionalisierung, in dessen Verlauf sich eine Weiterentwicklung eines Berufs zu einer Profession vollzieht (vgl. ebd.; Löser 1995: 24).

 

Professionalisierung in der Pflege

 

Wie können diese soziologisch-theoretischen Ansätze auf die Pflege übertragen werden? Um sich der Beantwortung dieser Frage zu nähern, muss zunächst der Weidnersche Ansatz der Professionalisierung Erwähnung finden, da dieser in der Pflegefachliteratur in den letzten Jahren häufig aufgegriffen wurde. Ein professionell Pflegender zeichnet sich im Weidnerschen Ansatz dadurch aus, dass er auf Grundlage eines in einer spezifischen Ausbildung erworbenes Fachwissen in der Lage ist, die Bedürfnisse des Klienten hermeneutisch zu deuten und adäquat darauf zu reagieren. Die Lebenswelt und die individuellen Bedürfnisse des Klienten stehen dabei im Vordergrund und die Pflege orientiert sich daran (vgl. Krämer 2005: 161). Der Weidnersche Professionalisierungsbegriff geht also über die klassischen soziologisch-theoretischen Ansätze hinaus, da er sich auf die Situation der Pflege bezieht. Weidner macht in seinem Ansatz deutlich, dass das Streben nach Wissenschaftlichkeit und Autonomie den Patienten/Heimbewohnern mittels einer Optimierung der Pflege zugute kommen muss.

 

Auch Harms/Schwank (2006) betrachten die Erhöhung der pflegerischen Versorgungsqualität als das primäre Ziel der Professionalisierung der Pflege. Dies kann ihrer Meinung nach nur dann erreicht werden, wenn auf der Basis eines wissenschaftlichen Fundaments „ein bestimmtes einheitliches Qualitätsniveau der Pflege erreicht wird“ (Harms/Schwank 2006: 399). Noch habe die Pflege nicht alle Kriterien einer Profession erreicht und befinde sich noch im Prozess der Professionalisierung (ebd.). Dies stützt die Auffassung von Krämer (2005), der auf Grundlage des funktionalistischen Professionalisierungsverständnisses – Wissenschaftlichkeit, Autonomie und Zentralwertbezug – die noch bestehenden Defizite der Pflege als Profession benennt. Die Akademisierung der Pflege seit Ende der 1980er Jahre als „Grundlegung einer wissenschaftlichen Wissensbasis“ (Krämer 2005: 163) sieht er als „Weg zum Erwerb von Wissenschaftlichkeit“ (a.a.O.: 162) an. Der in den letzten zwanzig Jahren begangene Weg sei seiner Ansicht nach der Richtige, wobei beachtet werden muss, dass die Pflege die – verglichen mit den angloamerikanischen und skandinavischen Ländern – jahrzehntelange Verzögerung der Akademisierung nicht in wenigen Jahren aufholen könne. Zudem merkt er an, dass es bei dem Erwerb von Wissenschaftlichkeit in der Pflege wichtig sei, sich „losgelöst von der Medizin und eher auf dem Boden der Sozialwissenschaften, […] eine eigene wissenschaftliche Basis zu schaffen, die andere Fakultäten anerkennen“ (ebd.; eigene Auslassung). Er begründet dies mit dem Wunsch, die Pflege von der Medizin abzugrenzen. Zudem sei eine starke Anbindung der Pflege an die Sozialwissenschaften erkennbar (ebd.). Besonders im Bereich der Autonomie sieht Krämer Defizite bei der Professionalisierung der Pflege. Der Wunsch einer Pflegekammer und die ersten Initiativen und Bestrebungen, die in diesen Weg zeigen, seien jedoch ein wichtiger und vielversprechender Schritt in die richtige Richtung. Ebenso sei es wichtig, dass sich die Pflege künftig als gleichberechtigter Partner im Gesundheitswesen behaupten kann (vgl. ebd.). Krämer merkt an, dass sich die Pflege den Zentralwertbezug der Gesundheit mit der Medizin teilt. Pflege solle ihr Augenmerk aber verstärkt auf den Bereich der Gesundheitsförderung und -beratung legen – sich also stärker an der ganzheitlichen Pflege orientieren, die „die Gesundheit des gesamten Menschen im Auge hat“ (a.a.O.: 163).

 

Resümee

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die meisten Autoren die Professionalisierung der Pflege als wichtigen Faktor für die Weiterentwicklung der beruflichen Pflege betrachten. Wichtig ist nach Ansicht der Autoren, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Pflege müsse ihre eigenen originären Aufgaben, abgegrenzt von anderen Berufsgruppen, klar definieren und im Auge behalten. Diese seien weniger in der Ausübung medizinischer Tätigkeiten, sondern primär im typisch Pflegerischen anzusiedeln: „Das Ansetzen an der Leiblichkeit (und nicht nur am Körper) und eine die Existenz umfassende, heilende, Anteil nehmende und fürsorgende Hilfe und Unterstützung in krisenhaften, oftmals sehr verletzlichen Situationen sind die pflegerische Domäne und grenzen sie ab von den anderen Professionen“ (Darmann-Finck/Friesacher 2009: 1). Konkret bedeute dies, pflegerisch-grundlagentheoretische Aspekte pflegerischen Handelns und die pragmatischen klinischen Tätigkeitsinhalte zu integrieren und für die Professionalisierung von Pflege zu nutzen. Es sei nötig, Strukturen zu schaffen, die eine angemessene und menschenwürdige Pflege möglich machen, wie die Schaffung eines angemessenen Stellenschlüssels und einem angemessenen Verdienst von Pflegenden. Das primäre Ziel der Professionalisierung muss nach Ansicht der Autorewn eine höhere Qualität der pflegerischen Versorgung sein (vgl. ebd.; Krämer 2005: 159ff; Harms/Schwank 2006: 398ff; Schaeffer 1998: 6ff).

 

3.2 Entwicklung der Professionalisierung der Pflege in Deutschland


 

In den nachfolgenden Ausführungen wird die Entwicklung der Pflegeberufe in Deutschland dargestellt – von den ersten Bestrebungen der Etablierung der Krankenpflege als anerkannten Beruf im 19. Jahrhundert bis zum heutigen Stand der Professionalisierung.

 

3.2.1 Erste Impulse im 19. Jahrhundert


 

Im 19. Jahrhundert wurden für bestimmte Berufe erstmals gesetzliche Regelungen zur Ausübung geschaffen. Klare Regelungen zur Ausbildung und Berufsausübung in der Pflege fehlten aber völlig, so dass Pflege weiterhin von jedermann ausgeübt werden konnte. Das öffentliche Ansehen der Pflege als Beruf war dementsprechend gering (vgl. Möller/Hesselbarth 1994: 57). Erste Impulse zur Professionalisierung der Pflege waren dennoch bereits erkennbar: Theodor Fliedner, ein evangelischer Pastor, gründete 1836 die Kaiserswerther Diakonissenanstalt, mit der er den Anstoß zur Berufskrankenpflege gab (vgl. ebd.). Seine Ausbildung erfolgte im Sinne eines medizinischen Assistenzberufs: Er „führte eine qualifizierte Ausbildung der ´Diakonissen´ als Helferinnen des Arztes in Theorie und Praxis ein“ (Oelke 2008: 494).

 

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass Rudolf Virchow, der als Begründer der modernen...

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