Kammergericht Berlin, Beschluss vom 14.12.2016, Aktenzeichen: (4) 121 Ss 175/16 (205/16)
Unberechtigterweise erhaltenes Kindergeld ist immer wieder Anstoß für steuer- und steuerstrafrechtliche Entscheidungen der Gerichte. Diese Fälle finden sich in der Praxis besonders oft, da das Kindergeld eine der am häufigsten erteilten Förderungen des Staates ist. Zudem erfolgt nach der erstmaligen positiven Bescheidung durch die zuständige staatliche Stelle ohne Anlass in der Regel keine Überprüfung der Voraussetzung seitens des Amtes bis zur Volljährigkeit der Kinder. Denn gemäß § 68 Absatz I Satz 1 sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen. Der Empfänger des Kindergeldes ist demnach mitteilungspflichtig. Dies öffnet natürlich Tür und Tor für den Missbrauch dieses Instruments – sei es bewusst oder unbewusst.
Kindergeld ist gemäß § 31 Satz 3 EStG eine Steuervergütung. Als solche kann unberechtigt gezahltes Kindergeld auch Gegenstand einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO sein. Denn dieser sieht in Absatz I Nr. 2 vor, dass, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, strafbar ist. Die für Kindergeld zuständige Familienkassen ist nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO Finanzbehörden im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Der objektive Tatbestand ist demnach erfüllt.
Das Kammergericht kritisierte in seinem Beschluss nun die Feststellungen des Vorsatzes durch das Amtsgericht Berlin und das Landgericht Berlin.
Im Sachverhalt hatte die Beklagte unterlassen, der Familienkasse mitzuteilen, dass ihre Kinder nicht mehr in ihrem Haushalt lebten, sondern mit ihrem Vater in der Türkei. Auf ihre Meldepflicht war sie gesondert hingewiesen worden. Die Familienkasse forderte nun gezahlte Kindergeld zurück. Für die Verurteilung nach § 370 AO kam es folglich auf den Vorsatz der Angeklagten an. Die Vorinstanzen hatten diesen ohne Weiteres aus den Umständen geschlossen. Das Kammergericht hielt dies nicht für ausreichend. Denn hier war gerade zweifelhaft, ob ein bedingter Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt. Eine fahrlässige Begehung war nicht ausgeschlossen und der Vorsatz ergab sich nicht schon aus der Begehungsweise, sodass ein bedeutend größerer Begründungsaufwand nötig gewesen wäre. Daher verwies das Kammergericht die Sache zurück an eine andere Kammer des Landgerichts.
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Torsten Hildebrandt
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