Bonner Frauenmuseum präsentiert Berliner Künstlerinnengruppe
Passend zur Jahreszeit eröffnet das Bonner Frauenmuseum am 16.12.2012 die RETRAKTUELL der Berliner Künstlerinnengruppe „Schwarze Schokolade“. Allerdings: Es gibt keine Schokoweihnachtsmänner – wohl aber Eintrittskarten aus Schokolade. Mit dieser Sonderedition „Schwarze Schokolade“ sind die Künstlerinnen ironisch in eine der letzten Männerbastionen vorgedrungen: Die Zeiten der Herrenschokolade sind vorbei…
Die Retrospektive beleuchtet die spannende Zeit des gemeinsamen Schaffens in Berlin Kreuzberg vor 30 Jahren: Spektakuläre Aktionen der Künstlerinnengruppe „Schwarze Schokolade“ mit historischen Filmen, Videos, Fotos und Werken. Zu sehen sind darüber hinaus auch Exponate ihres aktuellen Schaffens. Die Kuratorin Chris Werner dazu: „Die Ausstellung „Schwarze Schokolade“ markiert den Stellenwert der feministischen Kunstszene in Berlin in den 80er Jahren. Es ist an der Zeit, die Gruppe „Schwarze Schokolade“ auch in der Kunstgeschichte angemessen zu dokumentieren. Gleichzeitig entstanden während der Ausstellungskonzeption viele Fragen: In welchen Kontexten arbeiten die Künstlerinnen heute? Welche Spuren hat diese bewegte Aufbruchszeit in ihren Werken hinterlassen? Die Vorbereitung der Ausstellung war daher auch eine sehr produktive „Wiedervereinigung“ der Gruppe.“
Welche Geschichte verbirgt sich hinter der Gruppe „Schwarze Schokolade“? Im Winter 1979/80 besetzten in Berlin-Kreuzberg Frauen eine Schokoladenfabrik. Sie stand 13 Jahre leer, war vollkommen verschmutzt und ruiniert: Keine Heizung, keine intakte Stromleitung, kein Wasser, undichtes Dach, verfaulte Bodenbretter. Hier entstand das bundesweit größte Frauenstadtteilzentrum der Bundesrepublik, das bis heute existiert und mit seinem Flair – Ökodach, Höfen, Hamam, Angeboten für die türkischen Nachbarinnen, Frauencafé plus Arbeitsstätten für Handwerkerinnen – sehr lebendig ist. Die Künstlerinnengruppe „Schwarze Schokolade“ bespielte zuerst das gesamte Gebäude und war nach der Renovierung 1986 durch die IBA – die Internationale Bauausstellung – auf ihrer „Kunstetage“ hier zu Hause. Die Ausstellungen und Aktionen waren frech, radikal und international. Zu ihren Ausstellungen lud die Gruppe die wichtigsten Künstlerinnen der Republik ein. Legendär sind die Aktionen im Frauensommer 1982. Zum Beispiel die spektakuläre multimediale Performance „Nebelwanderung“, die auf dem Berliner Mariannenplatz in Kreuzberg bei Vollmond und später 1987 in Kassel parallel zur documenta (Group Art) aufgeführt wurde. Ein 20m x 20m großes, transparentes Plastikkissen wurde mit Nebelbergen gefüllt und war atemberaubend beleuchtet. An der Performance waren fast alle Künstlerinnen der Gruppe in ihrer jeweils eigenen Sparte beteiligt: Künstlerische Konzeption, Film, Malerei, Kostüm, Maske, Sound, Livemusik, Akustik… Gründerinnen der Gruppe waren Lisa Lancelle, Chris Werner und Rotraud von der Heide. Prägend waren und sind: Roswitha Baumeister, Claudia Schmidt, Petra Baumgart, Renate Hampke, Ute Wigand, Susanne Muel, Gerda Leopold, Hella Utesch, Ursula Bierther und die Kooperation mit ihrem Künstlerinnenort „Pelze“. Ende der 80er Jahre zog es viele von ihnen in die weite Welt – nach New York, Wien und in den Süden der Republik. Eine gemeinsame Ausstellungstätigkeit ließ sich seither nur noch sporadisch realisieren.
Im Bonner Frauenmuseum ist nun ein Comeback und Jubiläum nach 30 Jahren angesagt. Die Ausstellung zeigt, dass viele künstlerische Strategien von damals noch heute als nicht eingelöste Utopien brandaktuell sind: Nämlich jene, die die Präsenz von Frauen in der bildenden Kunst kritisch reflektieren und sichtbar machen. Die alten Fragen sind noch längst nicht abgehakt, fehlende Antworten provozieren immer neue Lösungsversuche. In der Bonner Ausstellung sind Projekte und Werke zu sehen von: Lisa Lancelle (1950-2000), Chris Werner, Rotraud von der Heide, Renate Hampke, Roswitha Baumeister, Ursula Bierther, Claudia Schmidt, Petra Baumgardt, Ute Wigand, Monika Funke, Katharina Karrenberg, Catharina Cosin, Gerda Leopold, Susanne Muel, Anne Jud, Doli Hilbert, Kirsten Wlotzke, Ingrid Scheiffert und der Schokofabrik Berlin-Kreuzberg. Gastbeitrag von Pietro Pellini – „Hommage an Lisa Lancelle“. Mehr zu den einzelnen Künstlerinnen und der Gruppe unter: www.schwarzeschokolade.de Die Ausstellung ist vom 16. Dezember 2012 bis 8. März 2013 zu sehen. Es erscheint ein Katalog.
Neben der Ausstellung „Schwarze Schokolade“ präsentiert WKMF eine kleine aber feine Auswahl seines Werks. Der Kölner Künstler Wolfgang Klaus Maria Friedrich – kurz WKMF – ließ sich durch die „Schokofrauen“ inspirieren. Er hat nicht nur zum Pinsel, sondern auch zur Schokolade gegriffen und vier Bilder mitsamt Schokobrunnen und einem provokanten Gebäck ins Haus gebracht. Ab 9.Mai 2013 wird in der Ausstellung „stronger than…“ mehr von ihm im Frauenmuseum zu sehen sein.
PROGRAMM:
Vernissage: 16.12.2012, 15 Uhr
Marianne Pitzen: Begrüßung
Christine Hoffmann: Einführung
Die Schwarze Schokolade stellt sich vor Chris Werner: Schokolade-Zeit Retraktuell Renate Hampke: Mise-en-Scene Rotraud von der Heide: Die Wüste lebt
Die Schokofabrik stellt sich vor Helga Röhle: 30 Jahre Frauenzentrum-Kreuzberg
Schoko-Kunst Claudia Schmidt: Mitmachaktion
Gastperformance Sonja Grimm: The longing of a single spore
Schoko-Entertainment Alice Eßer: Frisch aufgelegt – Chansons The Sneadles: USELESS PENIS RIOT
Finissage: 8. März 2013, ab 14.00 Uhr Internationaler Frauentag – Aktionen mit Berliner Künstlerinnen, die eigens aus Berlin zu diesem Event anreisen.
Die Ausstellung wird unterstützt von Alfred Ritter GmbH & Co.KG, dem Berliner Senat und der Bundesstadt Bonn.
Das Bonner Frauenmuseum wurde 1981 von der heutigen Direktorin Marianne Pitzen und einer Gruppe interdisziplinär arbeitender Frauen gegründet. Zu diesem Zeitpunkt existierte weltweit noch keine Institution gleichen Namens oder vergleichbarer Zielsetzung. Das Frauenmuseum ist kein statischer Ort mit festem Bestand, sondern ein lebendiges Haus, das sich aus der Fülle der weiblichen Kreativität und Vielfalt immer wieder erneuert. Mehr als 2.500 nationale und internationale Künstlerinnen haben Im Krausfeld ausgestellt, 600 Ausstellungen wurden durchgeführt, darunter 30 „Riesenprojekte“ auf jeweils 2.000 qm, 200 Kataloge ediert und mit mehr als 1000 Veranstaltungen wissenschaftlich oder spartenübergreifend untermauert. In den Archiven wird zu Geschichte, Zeitgeschichte und Kunst gesammelt, allein die Bibliothek der Künstlerinnen umfasst 12.000 Kataloge. Die Sammlung wächst stetig; sie ist ausschließlich auf Schenkungen angewiesen: Nachlässe, Stiftungen, Sponsoren. Marianne Pitzen und ihr Team sind auch neue Wege gegangen – das Kinderatelier, die Kunst- und Designmessen – sind Projekte, die in den letzten 10 Jahren entstanden sind. Der Aufbau des historischen Bereichs ist in den letzten Jahren stärker in den Focus gerückt. Das Frauenmuseum verbindet auf einzigartige Art und Weise Geschichte mit Gegenwartskunst.
Kommende Ausstellungen: 13.01.2013 bis 10.03.2013 Wer war Mona Lisa?
22.03.2013 bis 24.03.2013 Femme 3 Mode- & Kunstkleidermesse
31.03.2013 bis 28.04.2013 Die Rotarmistinnen Dokumentation
31.03.2013 bis 01.04.2013 Jankiman das biografische Projekt …
09.05.2013 bis 30.06.2013 stronger than… Bilder von Wolfgang Klaus Maria Friedrich
12.05.2013 bis 30.06.2013 Schwestern zur Sonne zur Gleichheit Geschichte der SPD-Frauenpolitik
Kontakt: Frauenmuseum Dr. Klaudia Nebelin Im Krausfeld 53111 Bonn 0228 92 655 160 klaudia.nebelin@frauenmuseum.de http://www.frauenmuseum.de