Wenige alte Menschen im öffentlichen Straßenbild kann Geringverdienende zu einem Leben auf der Überholspur verleiten

Bewohner in sozial schwächeren Vierteln sehen nur wenige alte Menschen in ihrer Umgebung und folgern für sich daraus eine geringere Lebenserwartung

Warum führen Menschen aus sozial benachteiligten Vierteln ein Leben auf der Überholspur? Der Grund könnte der Altersdurchschnitt der Menschen in ihrer Umgebung sein. Dies ist die Hypothese einer neuen Studie von Daniel Nettle und seiner Kollegen von der Newcastle University in Großbritannien. In sozial ärmeren Stadtteilen sind weniger alte Menschen auf der Straße anzutreffen. Die Studie geht davon aus, dass junge Menschen daraus den Schluss ziehen könnten, sie hätten keine lange Lebenserwartung. Dementsprechend passten sie ihren Lebensstil an und bekämen z.B. früher Kinder. Die Studie von Nettle und seinen Kollegen wurde in der Fachzeitschrift Human Nature des Springer Verlages veröffentlicht.

Untersucht wurde diese sogenannte „Social Diet“ – das tägliche soziale Kontaktumfeld einer Person – in zwei verschiedenen Stadtteilen von Newcastle in Großbritannien. Einer der Stadtteile war wohlhabend, der andere einkommensschwach. Die Wissenschaftler gingen durch die Hauptstraßen beider Viertel und schätzten das Alter jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes, das ihnen begegnete. Diese Beobachtungen verglichen sie mit Daten aus Volkszählungen, um festzustellen, ob die beobachtete Altersverteilung die der tatsächlichen Bevölkerung beider Stadtteile widerspiegelt.

In dem wohlhabenden Viertel waren mehr Menschen über 40 Jahre, insbesondere mehr Menschen über 60 Jahre, zu sehen als in dem sozial schwächeren Viertel. Ihnen fiel auf, dass in den ärmeren Stadtteilen mehr junge Erwachsene auf den Straßen zu sehen sind. Diese Beobachtungen stimmten jedoch nicht mit der tatsächlichen Altersverteilung der Bewohner überein. In Wahrheit lebten mehr Menschen über 60 in dem sozial schwächeren Stadtteil als in dem wohlhabenden. Diese Diskrepanz zwischen den Beobachtungen und der realen Altersverteilung zeige, dass sich das Altersprofil der Bevölkerung nicht im öffentlichen Straßenbild reflektiere, so die Autoren. Vielmehr ließe dieses Ergebnis erkennen, wie unterschiedlich das öffentliche Leben in den beiden Stadtvierteln von den jeweiligen Altersgruppen genutzt werde.

Die Wissenschaftler kommen zu dem Fazit: „Wenn viele junge Erwachsene, aber nur sehr wenige alte Menschen auf der Straße präsent sind, könnten psychologische Mechanismen in Gang kommen, die zu einem beschleunigten Leben verleiten könnten, um nichts zu verpassen.“

Reference
Nettle D et al (2012). No country for old men: street use and social diet in urban Newcastle. Human Nature. DOI 10.1007/s12110-012-9153-9

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