Eine Parabel von der sexuellen Befreiung – Ein Literaturwissenschaftler über den beliebten Märchenfilm
Jedes Jahr gehört „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ fest zum Fernsehprogram der Weihnachtszeit. Der Charme und die Poesie des Films fesseln schon Generationen. Was macht aber den Reiz dieses Films aus? Wir sprachen darüber mit dem Freiburger Unterhaltungswissenschaftler Dr. Sacha Szabo. Was fasziniert einen Unterhaltungswissenschaftler an Märchenfilmen? Sacha Szabo: Einer der Schwerpunkte meiner Arbeit sind Feste und das Weihnachtsfest ist dabei sicherlich das wichtigste. Nun erleben wir, dass sich Traditionen überleben, der Gang zur Kirche etwa, im Gegenzug entstehen neue Traditionen, was sich am Weihnachtsprogramm zeigt. Dort laufen jedes Jahr die gleichen Filme wie etwa der „Grinch“, die „Grizzworlds“, „Der kleine Lord“ und natürlich „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.
Was ist nun an diesem Film so besonders?
Sacha Szabo: In meinem ersten Studium habe ich Germanistik studiert und dort einen Schwerpunkt auf psychoanalytische Literaturwissenschaft gelegt. Aus diesem Blickwinkel ist der Film unglaublich spannend. Mir fiel das aber erst im letzten Jahr auf, dass es sich bei „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ um das Hineinwachsen in eine Frauenrolle handelt.
Das ist nun keine besonders schwierige Analyse.
Sacha Szabo: Ja und Nein. Das Thema – und so ist der Film auch komponiert – ist ein Dreischritt. Man könnte sagen: verliebt, verlobt, verheiratet. Anfangs spielen Prinz und Aschenbrödel neckische Spiele, dann bekommt sie einen Ring bei der Jagd und zuletzt trägt sie ein Brautkleid. Psychologisiert man diese Rollen, dann ist es kindliche Liebe, jugendliche Liebe und erwachsene Liebe. So kann man auch das Rätsel von Aschenbrödel verstehen: „Die Wangen sind mit Asche beschmutzt, aber der Schornsteinfeger ist es nicht. Ein Hütchen mit Federn, die Armbrust über der Schulter, aber ein Jäger ist es nicht. Ein silbergewirktes Kleid mit Schleppe zum Ball, aber eine Prinzessin ist es nicht“.
Das Kind wird symbolisiert durch den Schmutz, bei der Jugendlichen ist das Spiel verortet und die erwachsene Frau wird als Braut repräsentiert. Das sind die Rollen, die Aschenbrödel durchlebt.
Und weiter?
Sacha Szabo: Das spannende ist, dass Aschenbrödel der aktive Part in der Beziehung ist. Der Prinz ist ja eher verspielt und weigert sich, in die Erwachsenenrolle überzutreten. Er wohnt ja auch noch Zuhause. *lacht* Anders hingegen Aschenbrödel: Die entwickelt sich, wir erleben einen Prozess des Erwachsenwerdens.
Das ist nun eine psychologische Sichtweise, Sie haben auch noch tiefenpsychologische Motive entdeckt.
Sacha Szabo: Ja. Einmal sind das die Haselnüsse und zum anderen die Schuhe. Diese Motive nehmen eine zentrale Stellung ein. Die Haselnüsse stehen für den Phallus. Man kann ja auch an die Eichel denken. Die Schuhe hingegen werden in der psychoanalytischen Literaturwissenschaft mit dem weiblichen Geschlecht in Beziehung gebracht. Wir haben es daher mit zwei unterschiedlichen Formen des Umgangs mit Sexualität zu tun.
Wie bitte?
Sacha Szabo: Wenn man sich auf die Betrachtung einlässt, dann gewinnt der Film aber zusätzlich an Tiefe. Lassen Sie mich das einmal ausführen. Aschenbrödel erhält ja drei Haselnüsse, was also für drei unterschiedliche sexuelle Erfahrungen steht. Einmal als Jugendliche im Spiel, einmal als Geliebte und einmal als Ehepartnerin und immer mit dem gleichen Mann. Die Schuhe hingegen kann man als Vagina deuten. Der König weist auch seinen Sohn darauf hin, dass er in einer Nacht drei Schuhe durchgetanzt hat. Also Sex mit drei verschiedenen Frauen hatte. Der Prinz macht sich nun mit dem Schuh, also mit seiner sexuellen Erfahrung auf die Suche, er probiert aus, bis er die Partnerin findet, die ihn sexuell befriedigt.
Wir halten das für sehr weit hergeholt.
Sacha Szabo: Diese sexuellen Erfahrungen stehen nun im Kontext der verschiedenen Figuren. Einmal gibt es eine Reihe von Frauenfiguren. Böse Stiefmutter, gute Königin und die weise Eule Rosalie. Rosalie, die ein Andenken an Aschenbrödels verstorbene Mutter bewacht, spricht ihr auch zu, die Haselnüsse zu nutzen, also ihre Sexualität auszuleben. Die Vaterfiguren sind ähnlich. Einmal der König als sehr viriler Charakter, dann der Knecht Vinzek und der Hengst Nikolaus. Aber alles drei sexuell eher ungefährliche Charaktere. Das Spannende ist, dass Aschenbrödel einen Raubvogel, der für eine aggressive Sexualität steht, selbst erlegt. Also selbst zur Aktiven wird. Genau in diesem Kontext nutzt sie auch die Haselnüsse. Es ist eine Art sublimer sexueller Befreiung, die Aschenbrödel praktiziert.
Dennoch ist das ein Kinderfilm.
Sacha Szabo: Es ist ein Kinderfilm, aber nicht nur für Kinder. So findet sich etwa auf dem aktuellen Sampler von Kuschelrock auch die Titelmelodie von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Ich finde diesen Film erfreulich modern. Die Frau ist nicht die Passive, die auf ein Wunder warten muss, wie in Grimms Märchen, sondern sie nimmt ihr Leben selbst in die Hand.
Gibt es einen Charakter mit dem sie sich identifizieren?
Sacha Szabo: Eine gemeine Frage. Ich kann mich besonders für die Eule Rosalie begeistern. Was das nun bedeutet, das überlasse ich Ihnen.
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