Rezension zu: Dietmar Zobel: „Von der Idee über die Erfindung zum Patent“, expert verlag Tübingen, 2022, 380 S., ISBN 978 – 3 – 8252 – 5895 – 5
Ein verbreiteter Irrtum ist, nur Musiker, Maler, Künstler seien kreativ. Kreativität beschreibt allgemein die menschliche Fähigkeit, neue, originelle Lösungen für Aufgaben und Probleme auf allen Gebieten zu finden und zu verwirklichen ( so kann es auch soziale Innovationen in der Gesellschaft geben ). Aufgaben unterscheiden sich dabei von Problemen. Für Aufgaben bestehen meist bekannte ( was nicht heißt, dass jeder sie kennt ) , gut formulierte und strukturierte Regeln bis zu Algorithmen, wie man von einer Ausgangssituation / einem Zustand zu einem angestrebten Ziel gelangt. Bei Problemen dagegen können die Zustandsbeschreibungen schon unvollständig, lückenhaft sein, es existiert kein Lösungsschema, kein Algorithmus, wie man ein Ziel erreicht. Ja, das Ziel als gedankliche Vorwegnahme eines zukünftigen Zustands, kann nur vage, nur in möglichen Umrissen angegeben werden. Die gute Nachricht: Jeder Mensch ist kreativ / kann kreativ sein! Dabei trifft man die Alltags-Kreativität ( Versuch – und – Irrtum: „ Probieren wir doch einfach mal die andere Seite“) bis zu einer außergewöhnlichen, schöpferischen methodengeleiteten ( genialen ) Kreativität. Ein wichtiger Bereich ist das Lösen technischer Probleme durch Erfindungen. Am Anfang muss man überlegen, nicht nur, ob etwas technisch möglich und machbar ist, wie man es ( noch ) verkaufen kann, sondern auch, ob es mit der Umwelt verträglich ist und der Gesellschaft weiter hilft.
Der Autor, Dr. Dietmar Zobel, als Methodiker und Erfinder kann auf viele Jahrzehnte eigener, praktischer und theoretischer Erfahrungen und Erfolge beim Lösen technischer Probleme verweisen. In seiner jüngsten Publikation „ Von der Idee über die Erfindung zum Patent“ werden im Hauptteil Punkt 3. „Methoden und Praxisempfehlun-gen“ auf 154 Seiten Kreativitätstechniken, Methoden der Ideenfindung, Herangehensweisen, Prinzipen und Lösungsstrategien breit und praktikabel dargestellt. Im deutschsprachigen Raum wurde ab den 70er Jahren verstärkt das Erfinden thematisiert u.a. mit der Methodik TRIZ ( 1984 ) und nach 1990 weltweit. Der Text von Zobel hebt sich ab von den vielen Titeln zu Innovationen, Erfindungen und ihrem Management in Unternehmen. Er konzentriert sich auf technische Fragen und vermeidet eine theoretisierende Sprache. Eine systematische Arbeitsweise hat sich vielfach be-währt und beginnt mit einer Analyse des technischen Problems, was sind Haupt – und Nebenwirkungen in einem technischen Objekt? Worin könnte eine ideale Lösung bestehen ( z.B. von – selbst – Lösungen, d.h. unter Ausnutzung vorhandener natürli-cher Wirkungspotentiale )? In den Formulierungen sollte man abstrakter werden und sich von schon bekannten Objekten / Verfahren lösen / verfremden, das fällt nicht im-mer leicht. Mutig sind auch scheinbar abwegige Denkmöglichkeiten zuzulassen. Unser Gehirn ist ein fantastisches Organ und wir müssen unser ganzes Unbewusstsein aktiv nutzen. Besonders hochwertig sind Widerspruchslösungen im Objekt. In einer operativen Zone treffen entgegengerichtete Wirkungen aufeinander, aber was kann man dann tun? Die Wirkungen trennen, umleiten, abschwächen, durch andere Wir-kungen ersetzen usw. Der Name “ Widerspruch“ kann hier missverstanden werden. Er bezeichnet nicht einen logischen Widerspruch, sondern einen dynamischen, prozessierenden (ja, dialektischen ) Widerspruch.
Zobel als ausgebildeter TRIZ – Trainer versteht es auch überzeugend die Methodik TRIZ ( Theorie zur Lösung von Erfindungsaufgaben ) in den Ablauf einzubinden ( 20 Zitatstellen im Register ). Dabei kann er auf sein eigenes Buch „ TRIZ für Alle“, 2018 schon in 4. Auflage erschienen, verweisen. Aus dem ganzen Methodenarsenal von TRIZ hebt er die praktisch bedeutsamen heraus. Sehr interessant ist der Abschnitt 6.4. Kann es „ Künstliche Kreativität“ geben? ( S. 307 – 320 ) Was kann / könnte ein Computer „ kreativ“ leisten? Gerade unter dem aktuellen Eindruck des KI – Pro-gramms „ ChatGPT“ werden Computer wieder überschätzt. Es ist dem Autor zu zustimmen, bei aller Begeisterung über eine KI, darf unser Gehirn nicht unterschätzt werden. Warum muss es immer eine Konfrontation ( Mensch oder KI ) sein? Mensch und KI, Mensch mit KI nutzt beide Möglichkeiten produktiv, kooperativ!
Das Buch von Zobel ist von einem Erfinder für Erfinder geschrieben. Es enthält alle notwendigen Informationen, um unmittelbar loszulegen. Man muss nicht nach vielen anderen Titeln suchen. Der letzte Abschnitt Punkt 7. „Von der Erfindung zur geschützten Erfindung“ rundet die Thematik ab und enthält alles Erforderliche über Schutzrechte, Gebrauchsmuster und Patente. Dem Buch ist ein breiter Leserkreis zu wünschen, es sollte in keiner Aufstellung für Techniker und Ingenieure fehlen.
Dr. A. Popp, freiberuflicher Autor, Moderator Zukunftswerkstätten, Erfindertrainer