Die Entwicklung eines ASICs („application specific integrated circuit“) als Kern eines Haushaltsgerätes bietet nach wie vor große Vorteile. Voraussetzung ist die Produktion großer Stückzahlen, die Integration passender Funktionen und die genaue Planung und Durchführung der Entwicklung. Sinkende Preise und höhere Rechenleistung ließen alternative Lösungen wie Mikrokontroller oder FPGA in den letzten Jahren zu einer immer größeren Konkurrenz werden. Andererseits stehen für die erfolgreiche ASIC-Entwicklung eine Vielzahl von Fertigungsprozessen und Bibliotheken zur Verfügung, die selbst wiederum Mikroprozessorkerne oder FPGAs enthalten. Ob und wann die Entwicklung eines ASICs für ein Haushaltsgerät zielführend und rentabel ist, zeigt dieser Artikel.
1. Einsatz von ASICs in den letzten Jahren
Die ersten Chips mit integrierten Schaltungen entstanden in den 70er- und 80er Jahren in Forschungslaboren. Sie bestanden aus wenigen Bauteilen und waren von geringer Komplexität.
Die Integrationsdichte wuchs jedoch rasant. Gordon Moore, ein Mitbegründer von Intel postulierte in seiner als Mooresches Gesetz bekannten These bereits in den 70er Jahren, dass sich die Komplexität von Speicherchips alle zwei Jahre verdoppeln werde. Heute sind mehrere 100 Millionen Bauteile in einer integrierten Schaltung enthalten.
Gerade in der Komfortelektronik, wie etwa bei Haushaltsgeräten (Waschmaschinen, Küchengeräten, Waagen etc.), und in der Konsumgüterelektronik (z.B. Handys, MP3 Player etc.) hat der Einsatz von ASICs große Bedeutung.
Steigende Funktionalität bei immer kleiner werdenden Endgeräten und hohem Druck auf die Produktkosten zwangen die Design-Häuser ASICs einzusetzen. Als eine Art „Gegenbewegung“ hat sich der Einsatz von Mikrokontrollern bei Haushaltsgeräten etabliert: sie erlauben es, eine Vielzahl von Funktionen in Form von Software zu realisieren.
2. ASIC versus µC
Die Lebenszyklen von Haushaltsgeräten werden immer kürzer und die Entwicklung neuer Produkte findet daher in der Regel unter hohem Zeitdruck statt. Funktionale Änderungswünsche werden oft bis kurz vor Produktfreigabe in die Projekte eingebracht. Die hohe Konkurrenz zwischen den Anbietern setzt aber auch die Herstellkosten unter Druck.
Unter diesen Bedingungen scheint eine Flash-Mikroprozessor-Architektur bestens geeignet, eine flexible Entwicklung sicher zu stellen: Praktisch bis zur letzten Minute können Software-Änderungen durchgeführt und eingespielt werden. Und auch die Hardware lässt sich durch den Einsatz moderner Designtools relativ schnell ändern.
Die angebotenen Prozessorfamilien sind in der Regel sehr flexibel. Der Wechsel zu einem leistungsstärkeren Derivat, die Erhöhung/Verringerung des internen Speichers oder die Erweiterung der digitale Ein-/Ausgangsleitungen ist innerhalb der Familie praktisch ohne Aufwand möglich.
Im Vergleich hierzu ist die ASIC-Entwicklung eher langwierig. Zwischen Definition und seriennahen Muster vergehen im Schnitt zwölf bis vierundzwanzig Monate. Die Musterstände stehen verzögert zur Verfügung und haben am Anfang kleine-re oder größere Fehler, die den Einsatz in einem realen System eingrenzen oder gar verhindern.
Insbesondere kann es schwierig bis unmöglich sein, mit der Definition eines ASICs zu starten, wenn sich die Entwicklung eines Produktes noch in einer sehr kreativen Phase befindet, geprägt von Machbarkeitsstudien und Grundlagenforschung.
Für die ASIC-Entwicklung steht eine Vielzahl von Fertigungsprozessen zur Verfügung. Bei der Wahl des passenden Prozesses hilft ein erfahrener Entwickler.
Kosten senken
Durch die Integration von analogen und digitalen Bauteilen in den ASIC lassen sich die Herstellkosten senken. Auch Mikrokontroller- oder FPGA-Kerne können eingesetzt werden, manchmal sogar lizenzfrei.
Selbst Hochvolttechnologien (z.B. für einen Schaltregler) sind möglich. Ihre Integration kann jedoch schwierig sein und wird nicht von allen Foundries angeboten. Eine elegante Lösung des Problems: die Verwendung von Multi-Die ASICs, bei denen sich zwei Dies in einem .
Ein ASIC bietet so ziemlich alles, was auch bei einer diskreten Lösung möglich wäre. Der Einsatz eines Mikrokontroller-Kerns mit Flash-Speicher erweitert das Spektrum: die Flexibilität ist mit derjenigen von µC-Lösungen vergleichbar und es besteht die Möglichkeit, in sehr späten Projektphasen noch funktionale Änderungen in der Software vorzunehmen.
Die Integration des µC und weiterer Bauteile in den ASIC verringert auch die Leiterplattenfläche. Dies kann bei vielen Projekten bereits der entscheidende Vorteil sein. Zusätzlich senkt die Verringerung der Bauteilanzahl die Bestückkosten.
Der Kunde entscheidet
Weitere Vorteile des ASIC sind die grundsätzlich kundenspezifische Ausführung und der bessere Kopierschutz. Im Wesentlichen können die Eigenschaften des Systems und die damit verbundene „Intellectual Property“ besser als mit einer Mikrokontroller-Lösung geschützt werden. Ein vollständiger Kopierschutz ist jedoch nicht wirklich zu erreichen, da ein „Reverse-Engineering“ mit den passenden technischen Mitteln immer möglich ist.
Die ASIC-Lösung kann auch während des Projektes angepasst werden. Man kann mit einer FLASH-Lösung starten und dann zu einer ROM-Lösung wechseln. Ähnliche Möglichkeiten stehen auch mit Mikrokontrollern zur Verfügung, doch das Einsparpotential ist bei Verwendung eines ASICs höher.
Durch geschicktes Design kann ein ASIC während der Entwicklung äußerst flexibel gestaltet werden: Zusätzliche, nicht verwendete Bauteile lassen sich einbauen und mit einer neuen „Metal-Mask“ (einer der oberen Masken) passend verdrahten und einsetzen. Allgemein kann das Design über eine Änderung der „Metal-Mask“ sehr gut angepasst werden. Die Kosten einer solchen Änderung sind nicht hoch und sie ist relativ schnell zu umzusetzen (i.R. innerhalb einiger Wochen).
Zur Optimierung der Geräteentwicklung kann in der frühen Phase das ASIC simuliert werden, sowohl auf Software- als auch auf Hardware-Ebene. Bis die ersten Muster vorhanden sind, kann mit einer Mikrokontroller- oder FPGA-Ersatzlösung gearbeitet werden.
Für die Entscheidung, ob ein ASIC die optimale Lösung ist, müssen alle wichtigen Faktoren gegengerechnet werden:
•Der Preis des ASIC gegen den Preis des µC oder FPGA
•Anzahl und Preise von weiteren Bauteilen, die in den ASIC integriert
werden können
•Leiterplattenfläche für die Gesamtschaltung
•Form und Kosten von eventuellen mechanischen Bauteilen
(Befestigungen, Gehäuse)
•Bestückungskosten
•notwendige Flexibilität in der Entwicklung
Die nachfolgende Liste fasst zusammen, welche Vor- bzw. Nachteile sich durch den Einsatz eines ASICs gegenüber einer diskret aufgebauten Schaltung ergeben.
diskreter Aufbau
+ preisgünstig bei Stückzahlen < 1 Mio.
+ skalierbar
+ flexibel , universal
+ leistungsfähig
– höhere Anzahl an Bauteilen
– höhere Bestückungskosten
ASIC
+ kundenspezifische, optimierte Lösung
+ bietet möglichen Kopierschutz
+ geringere Schaltungsgröße
+ niedrigere Anzahl an Bauteilen
+ niedrigere Bestückungskosten
+ erlaubt hohe Integrationsdichte
– zeitaufwendiger Entwicklungsprozess
– begrenzte Flexibilität bezüglich Änderungen
3. Netzwerk und Prozess
Bei der Entwicklung eines ASIC sind verschiedene Parteien mit unterschiedlichen Kompetenzen und Sichtweisen beteiligt.
Zunächst spielt das Produktmarketing eine wichtige Rolle. Es stellt die Notwendigkeit eines neuen Gerätes am Markt fest und erarbeitet die Eigenschaften der zu entwickelnden Einheit. Dies geschieht in der Regel in Zusammenarbeit mit einer Entwicklungsabteilung, die bestens über die technischen Möglichkeiten informiert ist.
Die Entwicklungsabteilung (vielleicht handelt es sich um einen externen Dienstleister) stellt einen Projektleiter zur Verfügung, der die systemische Sicht repräsentiert. Er hat die Aufgabe, das Gesamtsystem genau zu spezifizieren und zu entwickeln. Die Elektronik ist in der Regel ein Subsystem der gesamten Entwicklung.
Auf ASIC-Ebene ist ein spezieller Entwickler involviert, der die Aufgabe hat, das Design zu definieren und durchzuführen.
Die ASIC-Spezifikation kommt zuerst vom Projektleiter und wird mit dem ASIC-Entwickler abgestimmt und verfeinert. Der Projektleiter hat das Gesamtsystem im Blick, der Entwickler kennt die Möglichkeiten der Halbleitertechnologie. Aus dieser Interaktion sollte sich eine sinnvolle und günstige Definition des Bausteins ergeben.
In der Definitionsphase spielt auch die ausgewählte Foundry eine wesentliche Rolle. Sie stellt die Palette der Fertigungsprozesse zur Verfügung. Es ist Aufgabe des ASIC-Entwicklers die passenden und für das Design günstigsten Prozesse zu wählen. Insbesondere spielt die Verfügbarkeit eines Fertigungsprozesses eine große Rolle, um die Herstellung des ASICs über einen ausreichend langen Zeitraum sicherzustellen.
Startet die Entwicklung des Systems und des ASICs, sind verschiedene Elemente notwendig:
Systementwicklung und ASIC-Entwicklung müssen gemeinsam an der Simulation des ASICs arbeiten, um das gewünschte Ergebnis sicherzustellen. Normalerweise entwickelt sich in dieser Phase die Spezifikation und ein erstes Konzept entsteht.
Gleichzeitig benötigen die Spezialisten eine Hardware-Simulation des ASICs, um die Hardware und die Software des Gerätes zu entwickeln.
Sind die ersten Muster vorhanden, müssen sie sorgfältig validiert werden. Erst werden alle Sub-Einheiten und Funktionen separat und vollständig verifiziert, anschließend ist ein systemischer Test des gesamten Gerätes möglich. Das Feedback vom Systementwickler ist schließlich wesentlicher Bestandteil, um die nächste Mustergeneration entwickeln zu können.
Oft haben die Muster ungewollte Fehler oder Einschränkungen. Sie gilt es zu finden und zu beheben. Mit einem guten ersten Wurf können in den folgenden Mustern durchaus nur kleine Anpassungen notwendig sein. Jedoch sollten zwei bis drei Musterstände in Kauf genommen werden.
Während des Entwicklungsprozesses muss die Foundry gewährleisten, dass die Muster rechtzeitig und fehlerfrei produziert werden.
Der ASIC-Entwickler garantiert, dass keine wesentlichen Designfehler im ASIC zu finden sind.
Die systemische Ebene ist verantwortlich, logische Fehler frühzeitig zu entdecken und zu beheben, die sonst erst zu einem späten Zeitpunkt, beim Test im Gesamtsystem, erkannt werden.
4. Szenarien einer ASIC-Entwicklung
In Bezug auf eine ASIC-Entwicklung sind verschiedene Szenarien denkbar. Im Wesentlichen spielt hierbei die Informationslage zu Beginn des Projekts eine entscheidende Rolle.
Sind die Stückzahlen und das Geschäftsvolumen ausreichend hoch und hat man genügend Know-How und technische Zuversicht, kann man direkt mit einer ASIC-Entwicklung starten. Oft wird einfach die neue Generation einer bekannten Produktfamilie entwickelt (die nächste elektronische Zahnbürste, die nächste Kaffeemaschine oder die nächste Küchenmaschine). Dabei spielt die Marktposition eines Unternehmens und seine Informationslage eine entscheidende Rolle.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Entwicklung zunächst mit einem normalen Mikrokontroller zu starten. Die ASIC-Entwicklung kann dann parallel durchgeführt werden. Dabei sollte sichergestellt sein, dass der entwickelte Code übernommen werden kann und das Mikrokontroller-System so nah wie möglich an das ASIC-System heranreicht. Das ASIC kann dann in einer ersten Optimierungsrunde eingeführt werden. Dieses Vorgehen ist hinsichtlich der Entwicklungskosten zwar teurer, bietet aber eine Backup-Lösung und minimiert deshalb die Risiken. Es ist daher für strategische Produkte, die strikte Termine für die Markteinführung haben, durchaus zu empfehlen.
Die dritte Möglichkeit ist, die Entwicklung eines ASIC als reines Kostensenkungsprojekt zu sehen, sofern die Stückzahlen dies rechtfertigen. D.h. die erste Version des Produkts wird in diesem Fall beispielsweise mit einem Mikrokontroller realisiert und so in den Markt eingeführt. Das ASIC wird anschließend entwickelt, um die Kosten zu senken. Vorraussetzung für dieses Vorgehen ist eine ausreichend lange Zeit für den Verkauf des Produkts.
5. Fazit
Obwohl die Preise von Mikrokontroller und FPGA sinken, kann eine ASIC-Entwicklung durchaus die bessere Lösung sein. Die wesentlichen Entscheidungskriterien sind die Herstellkosten bei gegebenen Stückzahlen und der zur Verfügung stehend Platz für die Schaltung. Vor- und Nachteile sind genau abzuwägen, um sich für oder gegen die Entwicklung eines ASIC entscheiden zu können. In jedem Fall führen eine strukturierte Entwicklung, ein professionelles Management der Anforderungen und eine reife Projektleitung schließlich zum Erfolg.
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Literatur
[1] G. Hermann, D. Müller: ASIC – Entwurf und Test. Carl-Hanser-Verlag, 2004, ISBN 3-446-21709-6
[2] Golshan, K. (2007). Physical design essentials: an ASIC design implementation perspective. New York: Springer. ISBN 0-387-36642-3
Autoren:
-Guido Piai, Helbling Technik GmbH (bis April 2010), NTB Interstaatliche Hochschule für Technik Buchs (ab Mai 2010)
-Peter Traub, Helbling Technik GmbH
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