Bezirksgericht Zürich, Urteil vom 29.05.2017 Geschäfts-Nr. GG160246
Es mutet auf den ersten Blick seltsam, dass die Benutzung der „Gefällt-mir“-Funktion in sozialen Netzwerken einen Straftatbestand erfüllen können soll. Doch so entschied nun erstmals ein Schweizer Strafgericht.
Der Angeklagte war regelmäßiger Facebook-Nutzer und führte im Rahmen der Kommentierungsfunktion auch rege politische Diskussionen über das Netzwerk. Dort hatte er einen anderen Nutzer als unter anderem als Anti-Semiten bezeichnet. Zusätzlich hatte er mehrere beleidigende Beiträge von Dritten mit „Gefällt mir“ markiert.
Unabhängig von seinen eigenen Beiträgen kann nach laut des Schweizer Gerichts auch letzteres Verhalten einen Straftatbestand erfüllen. Denn er habe sich durch das „liken“ den Inhalt der Beiträger Dritter zu eigen gemacht. Es mache daher keinen Unterschied, ob er die Äußerungen selber tätige oder nur mit einem „Like“ markiert. Der „Like“ habe zur Vervielfältigung der Äußerungen beigetragen und somit eigenständigen ehrverletzenden Inhalt.
Die Diskussion um die sogenannte „Hate-Speech“ ist auch in der Bunderepublik in vollem Gange. Das von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgeschlagene NetzDG will soziale Netzwerke stärker in die Pflicht nehmen, rechtswidrige Inhalte schneller und effektiver zu löschen.
Daher stellt sich die Frage, ob eine vergleichbare Entscheidung auch in Deutschland denkbar wäre. Der 14. Abschnitt des Strafgesetzbuchs befasst sich in Deutschland mit den ehrverletzenden Delikten. Relevanz hätte in diesem Zusammenhang wohl vor allem § 186 StGB: Die üble Nachrede. Dort heiß es, wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Erweiterung des Kreises der potentiellen Kenntnisnehmer durch den „Like“ erscheint dabei, die Verbreitungsvariante erfüllen zu können. Die Bezeichnung als Anti-Semit stellt eine Tatsache dar, die auch geeignet ist denjenigen, dem die Bezeichnung gilt, verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Der Tatbestand wäre damit grundsätzlich auch in Deutschland erfüllt.
Problematisch erscheint in diesem Fall aber Unkenntnis der Verbreitungswege über das soziale Netzwerk. Dem Nutzer ist in der Regel nicht bekannt, wie das Netzwerk bei der Anzeige von „Likes“ durch Dritte vorgeht. Zudem steht ihm nicht immer eine individuelle Einstellung der Verbreitung offen. Folglich ist der Vorsatz bezüglich der Verbreitung zumindest zweifelhaft. Das Schweizer Gericht unterstellt dem Nutzer letztlich die Kenntnisse der internen Vorgänge des Netzwerkes.
Eine vergleichbare Entscheidung ist damit in Deutschland zwar zweifelhaft, aber dennoch nicht ausgeschlossen. Insofern gilt es auch im Internet, bezüglich der eigenen Aussagen und Aktionen Vorsicht zu bewahren und dieses nicht als rechtsfreien Raum zu betrachten.
Rechtsanwalt Hildebrandt
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Torsten Hildebrandt