Gar kein Alkohol war auch keine Lösung

Von Moonshine und Speakeasys: Wo die Prohibition in der Capital Region USA ihre Spuren hinterließ

1920 trat die Prohibition in den Vereinigten Staaten von Amerika in Kraft. Die Geschichte des darauffolgenden Schmuggels, der illegalen Alkoholherstellung und der geheimen Bars kann heute noch in der US-Hauptstadtregion nachverfolgt werden.
„Das Reich der Tränen ist vorbei. Bald werden die Slums der Armenviertel nur noch eine Erinnerung sein. Wir werden die Gefängnisse in Fabriken umwandeln und die Gerichtsgebäude in Lagerhallen. Männer werden nun aufrecht gehen, Frauen werden lächeln und Kinder werden lachen. Die Hölle wird auf Ewigkeit zum Vermieten angeboten.“ Diese Vorstellung eines alkoholfreien Amerikas, die Reverend Billy Sunday zu Beginn der Prohibition prophezeite, sollte sich nicht bewahrheiten. Im Gegenteil: Die Folgen des Inkrafttretens des 18. Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten am 16. Januar 1920, der die Herstellung, den Transport und den Verkauf von alkoholischen Getränken untersagte, könnten widersprüchlicher nicht sein.

Gar kein Alkohol war auch keine Lösung

In den 13 Jahren des Alkoholverbots breitete sich die illegale Produktion und der Schmuggel von Alkohol rasch aus. Die Regierung hatte nicht die Mittel und den Willen, jede Grenze, jeden Tunnel, jeden Fluss und jeden See in Amerika zu überwachen. Der Schwarzmarkt für Hochprozentiges wuchs, die Korruption brummte, Gangster wie Lucky Luciano, Meyer Lansky und Al Capone machten riesige Gewinne, der illegal destillierte „Moonshine“, Jazz und die Cocktailkultur wurden populär, und hinter verschlossenen Türen entstanden unzählige geheime Bars, die sogenannten „Speakeasys“ (Flüsterkneipen). Sie versteckten sich hinter Diners oder Läden und waren nur denen, die Bescheid wussten, durch schmale Treppen oder das Beiseiteschieben von Bücherregalen zugänglich. Erst die Aufhebung der Prohibition durch die Ratifizierung des 21. Zusatzartikels zur amerikanischen Verfassung am 5. Dezember 1933 beendete die staatliche Trockenheit, die die Kriminalität im Untergrund erst hervorgebracht hatte – löschte jedoch nicht die Spuren, die sie hinterließ.

Ein Zentrum des Widerstands in Maryland

Maryland und besonders die Hafenstadt Baltimore galten als Zentren des Widerstands gegen die Prohibition. Der Großteil der vielfältigen, bunten Bevölkerung Marylands, die sich aus verschiedenen Ethnien und Religionen zusammensetzte, lehnte das Gesetz ab, da die meisten das Trinken als generellen Bestandteil ihrer Kultur ansahen. Sie stellten sich also – besonders im Hinblick auf die Wirtschaft in Maryland, die dementsprechend zu einem großen Teil von den Brauereien und Lokalen abhängig war – schon zu Beginn der Prohibition entschieden gegen das Alkoholverbot. Deswegen wurde Maryland auch in den 1920er Jahren als der „Free State“ bezeichnet. Seine Lage direkt am Wasser, insbesondere die Chesapeake Bay, machte den Bundesstaat zu einer wichtigen Anlaufstation für Schmuggler. So setzten sich in Maryland von Anfang an der Verkauf, die Verbreitung und der Konsum von illegal destilliertem Alkohol im Untergrund fort. Heute lädt beispielsweise eine der Touren der Destillerie Baltimore Spirits Company zu einer Entdeckungsreise durch die Kunst des Whiskey-Destillierens und die Geschichte der Prohibition in der Hafenstadt ein. www.baltimorespiritsco.com

Speakeasys in der US-Hauptstadt und wo sie zu finden sind

In Washington, DC und damit demselben Ort, an dem der Kongress 1919 den 18. Zusatzartikel ratifizierte, befindet sich heute eine blühende Cocktail- und Destillerie-Szene im Speakeasy-Stil. Unmarkierte Eingänge, versteckte Türen und schwach beleuchtete Lounges mit Alkohol in Tassen und geheimen Passwörtern beim Einlass lassen Besucher zurück in die 1920er reisen. Geht man beispielsweise in den hinteren Teil des Hotels Eaton Workshop und durch eine Wand mit Büchern hindurch, so stößt man auf Allegory: eine elegante, schummrig-beleuchtete Cocktailbar mit stilvollen Ledercouches, skurrilen Wandgemälden und einer verlockenden Getränkekarte. www.allegory-dc.com

Auch eine der zwei unscheinbaren Türen in der 1345 S Street NW verbirgt einen heimlichen Schatz für Cocktail-Genießer: Nehmen Besucher die rechte Tür, so kommen sie zu einer normalen Reinigung – die linke Tür jedoch führt sie über eine Treppe zu der passend benannten Bar Left Door, die klassische Cocktails und kreative saisonale Getränke in einer intimen, gemütlichen Umgebung serviert. www.dcleftdoor.com

Virginia: Der Geburtsort des Bourbons

Die Kunst des Destillierens reicht in Virginia bereits bis ins Jahr 1620 zurück, als der englische Siedler George Thorpe in Jamestown den ersten Mais-Whiskey gebrannt haben soll. Mit der weiteren Besiedlung des amerikanischen Bundesstaates wurde auch der Grundstein für den Bourbon gelegt, der originär Kentucky zugeschrieben wird, aber ursprünglich ein Virginia Bourbon war. Denn im ehemaligen westlichen Teil von Virginia, der 1792 zu Kentucky wurde, lebten überwiegend Landwirte, die sich auch der Herstellung von Spirituosen widmeten. Und aus dem Whiskey, der in angekohlten („charred“) Eichenfässern lagerte, entstand Bourbon mit seiner dunklen Farbe und dem einzigartigen Geschmack. Während der Prohibition gab es in Virginia viele Produzenten des illegalen Moonshine – so wurden die schwarzgebrannten Spirituosen bezeichnet, da sie heimlich nachts im Mondschein gebrannt wurden, um kein Aufsehen zu erregen. Einige der Destillerien stellen heute noch Hochprozentiges her. Die Bondurant-Brüder beispielsweise waren damals berühmt berüchtigt als Schwarzbrenner, so dass ihre Geschichte sogar mit „Lawless – Die Gesetzlosen“ verfilmt wurde. Die Bondurant Brothers Destillery ist heute noch in Familienbesitz und braut legalen Moonshine in Mecklenburg County, Virginia. www.bondurantbrothersdistillery.com

Aber auch die Twin Creeks Destillery, eine Brennerei am Fuße der Blue Ridge Mountains, die von der Familie Prillaman und damit den Nachfahren von echten „Bootleggern“, also Alkohol-Schmugglern zur Zeit der Prohibition, betrieben wird und die Franklin County Destilleries in Roanoke laden zu leckeren Kostproben sowie lehrreichen Führungen durch die Brauereien und unterhaltsamen Events auf den Spuren der Prohibition ein. www.twincreeksdistillery.com, www.fcdmoonshine.com

Destillerien als wichtiger Bestandteil der Gemeinschaft

In der aktuellen Corona-Krise kommen den Brennereien in der Capital Region USA eine ganz besondere Bedeutung und soziale Verantwortung zu: Wo noch vor ein paar Wochen Whiskey oder Rum hergestellt wurde, setzen die lokalen Unternehmen jetzt ein Zeichen und produzieren dringend benötigtes Handdesinfektionsmittel. Sie bieten es teils zum Verkauf an oder spenden es an Krankenhäuser, soziale Einrichtungen, Feuerwehren, etc. Dazu zählen beispielsweise Catoctin Creek Distilling in Purcellville/Virginia, BlueDyer Distilling Co. in Waldorf/Maryland und Republic Restoratives in der amerikanischen Hauptstadt Washington, DC. www.catoctincreekdistilling.com, www.bluedyerdistilling.com, www.republicrestoratives.com

Capital Region USA – Washington DC, Maryland und Virginia. Von den monumentalen Denkmälern in Washington DC über die beeindruckenden Berglandschaften Virginias bis hin zu den malerischen Wasserwegen Marylands – die Hauptstadtregion der USA ist das historische Herz der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Stadtbild der lebendigen Metropole Washington DC wird geprägt durch eindrucksvolle Monumente und bemerkenswerte Museen, von denen die meisten kostenlos besichtigt werden können. Virginia beeindruckt mit seinen historischen Stätten über die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges, seiner einzigartigen Natur im Shenandoah National Park und den langen Stränden in Virginia Beach. Entlang der Chesapeake Bay erstreckt sich auch der Bundesstaat Maryland mit seiner Segelhauptstadt Annapolis und Baltimore als Anlaufpunkt für große Kreuzfahrtschiffe. Insgesamt 13 Ferienstraßen, sogenannte Scenic Drives, verbinden Teile der Region miteinander und laden zu einer ereignisreichen Rundreise mit dem Mietwagen ein.

Der aktuelle Reiseplaner der Capital Region USA kann per E-Mail an crusa@claasen.de oder unter der Rufnummer 00800 – 96 53 42 64 (gebührenfrei) bestellt werden.

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