Er gehört zu den weltweit am weitesten verbreiteten Erbkrankheiten: der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, kurz Alpha-1. 1963 wurde er zum ersten Mal beschrieben. Auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. vom 20. bis 23. März in Hannover ziehen auf Alpha-1 spezialisierte Kompetenzzentren – sogenannte Alpha-1-Center – anlässlich des 50-jährigen Jubiläums Bilanz.
Die Entdeckung 1963
Die Entdecker des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels sind Carl-Bertil Laurell und Sten Eriksson von der Universität Lund in Schweden. Sie stellten als erste fest, dass das Fehlen des körpereigenen Proteins Alpha-1-Antitrypsin die voranschreitende Zersetzung des Lungengewebes zur Folge hat. Eine Entdeckung, die für das heutige Verständnis biochemischer Prozesse von grundlegender Bedeutung sein sollte. Als Leiter der Abteilung für Klinische Chemie der Universität Lund untersuchte Carl-Bertil Laurell das Blut von 1500 Personen und bemerkte bei fünf Proben einen vergleichsweise niedrigen Wert an Alpha-1-Antitrypsin. Sein Kollege, der Mediziner Sten Eriksson, stellte dann bei drei der fünf betroffenen Personen jungen Alters ein frühzeitiges Lungenemphysem fest – eine irreversible Zerstörung der Lungenbläschen mit folgender Überblähung der Lunge. Die Entdeckung des Zusammenhangs veröffentlichten sie erstmals 1963. Die Mangelerkrankung wird deshalb auch Laurell-Eriksson-Syndrom genannt.
Seither hat das Wissen über die Krankheit, ihre genetischen Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten beständig zugenommen. Dass der Mangel in selteneren Fällen Leberentzündungen im Kindesalter hervorruft, erkannte man sechs Jahre später. Nach 25 Jahren wurde in den USA erstmals eine Ersatztherapie aus menschlichem Blutplasma eingeführt, die nach wie vor in der Therapie der Erbkrankheit Anwendung findet. Heute – 50 Jahre nach der Entdeckung – gibt es in Deutschland bereits ein Netzwerk niedergelassener Fachärzte und Kliniken, die sich auf die Beratung von Hausärzten und deren Alpha-1-Patienten spezialisiert haben. Diese deutschlandweit mittlerweile 48 Alpha-1-Center und 13 Alpha-1-Kindercenter haben sich zum Ziel gesetzt, eine bestmögliche Versorgung von Betroffenen zu gewährleisten.
Langer Weg bis zur Diagnose
Dazu zählt weiterhin die Aufklärung über den Gendefekt. Denn Alpha-1 geht mit Symptomen einher, die auch für andere Krankheitsbilder typisch sind: Husten, Auswurf und Atemnot. Deshalb werden viele Alpha-1-Patienten lange Zeit wie Patienten mit Asthma oder der chronischen obstruktiven Lungenerkrankung COPD behandelt und somit an ihrer eigentlichen Krankheitsursache vorbei therapiert. Erste Beschwerden treten dabei in der Regel bereits zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf – früher als bei klassischen COPD-Patienten. Außerdem schreitet der Verlust der Lungenfunktion schneller voran, Antiobstruktive-Therapien zeigen eine unzureichende, weil nicht spezifische Wirkung. Bis zur richtigen Diagnose vergehen Studien zufolge noch im Schnitt sieben Jahre – Zeit, in der die Lunge fortlaufend, aber vermeidbar weiter geschädigt wird.
Bei Verdachtsfällen häufiger testen!
Für Alpha-1-Patienten ist eine frühzeitige Diagnose daher besonders wichtig. Es ist die Voraussetzung für eine bessere Gesundheitsentwicklung. Erst mit der Diagnose kann gezielt gegengesteuert werden – durch angepasstes Verhalten, umgehende Behandlung von Infektionen und spezifische Therapien. Trotz der errungenen Fortschritte besteht aber hier noch ein großer Mangel: Zu selten ist die Krankheit im Bewusstsein von Hausärzten und Betroffenen, zu selten wird bei entsprechender Symptomatik auf Alpha-1 getestet.
Dabei empfehlen die europäischen und amerikanischen Lungenfachgesellschaften, dass alle COPD- und Asthma-Patienten, die auf ihre Therapie unzureichend ansprechen, und Neugeborene und Kinder mit unerklärter Leberkrankheit auf Alpha-1 getestet werden sollen. Bislang gibt es nur Schätzungen bezüglich der Anzahl der Betroffenen. Die Dunkelziffer ist hoch, sodass – auch 50 Jahre nach der Entdeckung – noch immer die Frage im Raum steht: Ist Alpha-1 selten oder lediglich zu selten diagnostiziert?
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