In der Vergangenheit wurde Sprache nur gesprochen und war somit ausschließlich darauf be-schränkt, wie Worte gehört oder gesprochen wurden. Jetzt aber produzieren Finger häufig unsere Sprache – es wird getippt und getextet, und hier kommt die Tastatur ins Spiel: der QWERTY-Effekt. Entwickeln Menschen neue Technologien zur Spracherzeugung, wirken die sich auch auf die Sprache aus, die sie wiedergeben sollen. Jasmins und Casasantos Arbeit zeigt, dass das viele Tippen einen neuen Mechanismus auslöst, der eine Verschiebung der Wortbedeutung mit sich bringen kann.
Manche Wörter enthalten mehr Buchstaben der rechten Tastaturseite, andere mehr linke. In drei Experimenten untersuchten die Wissenschaftler, ob Unterschiede, wie Wörter getippt werden, mit Bedeutungsunterschieden einhergehen.
Sie stellten fest, dass die Bedeutung der Wörter – es handelte sich um englische, niederländische und spanische – von der Seite abhing, auf der sie auf der QWERTY-Tastatur getippt wur-den. Insgesamt wurden Wörter mit mehr Buchstaben auf der rechten Tastaturseite positiver be-setzt als Wörter, die mehr Buchstaben der linken Seite enthielten. Dieser Effekt wurde in allen drei Sprachen deutlich. Wortlänge, Buchstabenhäufigkeit oder Händigkeit spielten dabei keine Rolle.
Der QWERTY-Effekt konnte auch bei der Beurteilung der Bedeutung von Kunstwörtern, wie „pleek“, beobachtet werden. Am stärksten war er jedoch bei Wortneuschöpfungen und Abkürzun-gen, die erst nach der Erfindung der QWERTY-Tastatur kreiert wurden, wie etwa „greenwash“ oder „LOL“.
Aber warum ist die Position der Tasten von Bedeutung? Die Schlussfolgerung der Autoren: Da es mehr Buchstaben links von der Tastaturmitte gibt, könnten die Buchstaben auf der rechten Seite leichter zu tippen sein – daher die positiven Assoziationen. Mit anderen Worten: Tippt man Wörter mit mehr rechtsseitigen Buchstaben, hat man positivere Gefühle, bei eher linkslastigen Wörtern negativere.
Sprachwissenschaftler glauben seit langem, dass es keine Verbindung zwischen Bedeutung und Form eines Wortes gibt. Man nennt dies die „Willkür des Zeichens“. Der QWERTY-Effekt geht aber davon aus, dass sich die schriftliche Form eines Wortes durchaus auf die Bedeutung aus-wirken kann – dies stellt die traditionelle Sicht in Frage.
Sollten Eltern also auf der positiven Seite der Tastatur bleiben, wenn sie einen Namen für ihr Kind suchen – also besser Molly statt Sara? Jimmy statt Fred? Die Autoren: „Auf der Suche nach Namen für neue Produkte, Marken oder Firmen ist man möglicherweise gut beraten, wenn man an diese Tastaturbesonderheiten denkt und den ‚rechten‘ Namen wählt.“
*Das am weitesten verbreitete, moderne Tastaturlayout im englischsprachigen Raum. Der Name setzt sich aus den ersten sechs Tasten auf der oberen linken Reihe der Tastatur zusammen, von links nach rechts gelesen: QWERTY.
Quelle
Jasmin K & Casasanto D (2012). The QWERTY effect: how typing shapes the meaning of words. Psychonomic Bulletin & Review. DOI 10.3758/s13423-012-0229-7
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