Unter dem aus dem Griechischen (politeia = Staat, Verfassung) abgeleiteten Begriff der „Polizei“ wird sowohl die Polizeigewalt (bzw. die polizeilichen Aufgaben und Befugnisse, d.h.
Polizei im materiellen oder funktionellen Sinne) als auch die Polizeibehörde oder –dienststelle
und die/der Polizeibeamtin bzw. –beamte (also Polizei im formellen oder institutionellen Sinne) verstanden. Dementsprechend umfasst das Polizeirecht als Teil des (Besonderen) Verwaltungsrechts die Vorschriften über Aufgaben und Befugnisse (materielles Polizeirecht) sowie über die Organisation der Polizei und das Verfahren in polizeilichen Angelegenheiten (for-
melles Polizeirecht).
Die gesetzlichen Aufgaben der Polizei bestehen in der Abwehr von Gefahren für die öffentli-
che Sicherheit und Ordnung – sog. Prävention –, der Verfolgung (bzw. Erforschung) von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (sog. Strafverfolgung) – sog. Repression – sowie der Unterstützung anderer Behörden durch Vollzugs- oder Amtshilfe. Da die Aufgabenerfüllung durch die Polizei so genannte Eingriffe in Freiheitsrechte von betroffenen Menschen darstellen, bedarf es gesetzlicher Grundlagen für entsprechende Befugnisse.
Die Regelung des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts liegt in Deutschland, historisch bedingt, bei den Ländern (vgl. Art. 70 Abs. 1 GG). Deshalb gibt es in den sechzehn Bundesländern jeweils polizeigesetzliche Bestimmungen (beispielsweise in Berlin das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG), welche die Zuständigkeit, die Aufgaben und die Befugnisse der jeweiligen Landespolizei im Bereich der Gefahrenabwehr regeln. Ausnahmsweise gibt es darüber hinaus drei Bundespolizeien, nämlich den Bundesgrenzschutz und das Bundeskriminalamt sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz, die im Sachzusammenhang mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 10 GG (vgl. auch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ihre verfas-
sungsrechtliche Grundlage finden.
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Wesentliche Rechtsgrundlagen der Strafverfolgung sind auf der Grundlage der aus Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG abgeleiteten Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes das Strafgesetzbuch (StGB), die Strafprozessordnung (StPO), das Ordnungswidrigkeiten-gesetz (OWiG) und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Für jugendliche (d.h. zur Zeit der Tat 14- bis 17-Jährige) und heranwachsende (d.h. zur Zeit der Tat 18- bis 20-Jährige) Straftatverdächtige bzw. Straftäter gilt außerdem das Jugendgerichtsgesetz (JGG). In diesem Zusammenhang ist zudem die bundeseinheitlich vereinbarte, aber von den Ländern als Verwaltungsvorschrift jeweils erlassene Polizeidienstvorschrift 382 („Bearbeitung von Jugendsachen“) zu erwähnen, welche in beiden Aufgabenbereichen (der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung) von der
Polizei verbindlich anzuwenden ist.
Bei der Aufgabe der Gefahrenabwehr steht die Polizei neben so genannten Ordnungsbehörden (wie beispielsweise die Gewerbeaufsichtsämter und Baubehörden, aber auch die vornehmlich als Leistungsbehörden verstandenen Jugendämter). Erscheint eine Gefahrenabwehr durch an sich zuständige Ordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich, wird die Polizei im Rahmen der Eilzuständigkeit und erforderlichenfalls erst später die eigentlich zuständige Ordnungsbehörde tätig. Auch bei der Strafverfolgung obliegt der Polizei eine Eilzuständigkeit; sie hat nach dem sog. Legalitätsprinzip Straftaten und nach dem Opportunitätsprinzip Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (s. § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO bzw. § 53 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Sodann hat die Polizei ihre Untersuchungsergebnisse unverzüglich der zuständigen
Staatsanwaltschaft (bzw.ggf. Amtsanwaltschaft) oder Ordnungsbehörde zu übersenden.
Die polizeiliche Gefahrenabwehr betrifft die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die öffentliche Sicherheit betrifft den Schutz des Staates und seiner Einrichtungen (sog. Gemeinschafts-, Universal- oder Kollektivrechtsgüter), zu denen auch die gesamte geschriebene Rechtsordnung gehört, als auch so genannte Individualrechtsgüter (wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre oder Vermögen des Einzelnen). Die öffentliche Ordnung umfasst die Gesamtheit ungeschriebener Regeln, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden ethischen und sozialen Anschauungen für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen als unentbehrlich und somit verbindlich angesehen wird.
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Das im Rahmen der Strafverfolgung geltende Legalitätsprinzip verpflichtet die Polizei zur Erforschung aller verfolgbaren Straftaten (sog. Verfolgungszwang). Das Opportunitätsprinzip hingegen eröffnet der Polizei, Ordnungswidrigkeiten nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfolgen, durchbricht also aus Zweckmäßigkeitsgründen den Verfolgungszwang und erlaubt in den gesetzlich gekennzeichneten Ausnahmefällen von einer Verfolgung abzusehen. Das Opportunitätsprinzip gilt (als so genanntes intendiertes Ermessen in Bezug auf das Wann des Einschreitens) auch im Bereich der Gefahrenabwehr.
Die Polizei hat im Rahmen der Gefahrenabwehr auch Straftaten zu verhüten (bzw. zu verhindern) und sowohl im Rahmen der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung für die Verfolgung künftiger Straftaten vorzusorgen (sog. vorbeugende Bekämpfung von Straftaten). In diesen Fällen, aber auch wegen der vorbeugenden Wirkung der repressiven Strafverfolgung, wird von polizeilicher (Kriminal)Prävention gesprochen, die im Rahmen der praktischen Polizeiarbeit wegen der herausragenden Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor Kriminalität sowie der oftmals schweren materiellen, körperlichen und psychischen Folgen für Straftatopfer einen hohen Stellenwert hat. Unter polizeilicher Kriminalprävention ist die Gesamtheit von Maßnahmen, Methoden und Informationen zu verstehen, die auf Reduzierung von Gefahren und Rechtsbrüchen gerichtet sind. Bei der Gefahrenabwehr setzt polizeiliche Prävention
bereits an, bevor Gefahren in Schäden umgeschlagen sind bzw. eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit geschehen ist. Im Bereich der Strafverfolgung wird rechtstheoretisch als so genannte primäre und sekundäre Prävention zwischen (positiver und negativer) Generalprävention gegenüber der Bevölkerung und (positiver und negativer) Spezialprävention gegenüber Einzelnen unterschieden. Dabei richtet sich die positive Generalprävention durch Norm- und Werteverdeutlichung an potentiell Rechtstreue und die negative Generalprävention durch Abschreckung an potentielle Rechtsbrecher. Die positive Spezialprävention betrifft hingegen die stützende Stabilisierung der tatgefährdeten oder –bereiten Person oder die Einzelförderung des Rechtsbrechers (beispielsweise durch Polizeipräsenz, Beratungsgespräche oder Resozialisierungsmaßnahmen des Strafvollzugs) und in negativem Verständnis die Abschreckung des
einzelnen von (hier polizeilichen) Maßnahmen Betroffenen (etwa durch Vermeidung oder Verminderung von Tatgelegenheitsstrukturen oder die Vollziehung polizeilicher Eingriffe wie etwa vorläufige Festnahmen).
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Vorrangige Arbeitsmethode der Polizei sowohl im Bereich der Gefahrenabwehr als auch bei der Strafverfolgung ist die Informationsgewinnung. Dies geschieht etwa durch Kontrolltätigkeit (etwa betreffend Personen, Fahrzeuge oder so genannte kriminalitätsbelastete Orte bzw. Deliktsbrennpunkte) und so genannte Streifentätigkeit zu Fuß, per Fahrrad oder motorisiert, welche zugleich die Präsenz der Polizei in der Öffentlichkeit erhöhen und somit nicht nur das allgemeine Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken, sondern auch deren Kontakt-, Kooperations- und Mitteilungsbereitschaft fördern sollen. Darüber hinaus dienen beispielsweise neben Maßnahmen wie die Telefonüberwachung vor allem auch Vernehmungen, Durchsuchungen und Sicherstellungen der Informationsgewinnung, welche unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen erforderlichenfalls auch zwangsweise gegen den Willen des Betroffenen durchgesetzt werden können.
Prof. Dr. Michael Matzke
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Fachbereich Polizei und Sicherheitsmangement
Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin
Tel +49 30 30877-2850, Fax +49 30 30877-2819
eMail michael.matzke@hwr-berlin.de
Recherche- und Literaturhinweise:
Polizeiadressbuch für das Bundesgebiet; eine Zusammenstellung der Anschriften, Fernsprech-
und Telefaxnummern inklusive der wichtigsten E-Mail-Adressen aller Polizeibehörden und
Polizeidienststellen des Bundes und der Länder mit Angabe der für jede Polizeidienststelle
zuständigen Staatsanwaltschaft. Loseblattwerk. Stuttgart: Boorberg (Stand Aug. 2014);
Ortsverzeichnis mit den zuständigen Polizeidienststellen S und K. Loseblattwerk. Stuttgart:
Boorberg (Stand Aug. 2014);
beide vorgenannten Werke zusammen für PC; Programm zur Recherche von Adressen/
Zuständigkeiten/Polizeidienststellen S und K. Stuttgart: Boorberg;
Döding, Horst/Schipper, Dieter: Polizeiliches Grundlagenwissen; eine Einführung für Studienanfänger.
6. Aufl. Hilden: Deutsche Polizeiliteratur 2010;
Wecker, Sven-Erik: Polizeiliche Abkürzungen. Stuttgart: Boorberg 2009.