Rückgang der Sexualdelikte durch unüberwachten Partnerbesuch in Gefängnissen

Könnten bei Gefängnisinsassen unüberwachte Kontakte zum Partner zu einem Rückgang der sexuellen Übergriffe in Gefängnissen beitragen? Stewart D’Alessio und sein Team von der Florida International University in den Vereinigten Staaten gehen zumindest davon aus. Ihre Arbeit macht deutlich, dass es in Staaten, in denen unüberwachte Besuche der Partner erlaubt sind, erheblich weniger Vergewaltigungsfälle und andere Sexualdelikte in Gefängnissen gibt. Die Studie erscheint online im Springer-Journal American Journal of Criminal Justice.

Zu den Ursachen sexueller Gewalt gibt es zurzeit zwei gegensätzliche Theorien. Die feministische Perspektive geht davon aus, dass das Motiv für sexuelle Gewalt hauptsächlich im Streben nach Macht- und Kontrollausübung zu suchen ist. Nach dieser Theorie hätte der Kontakt zum Partner nur wenig oder gar keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Sexualdelikten in Gefängnissen. Die andere Theorie geht hingegen davon aus, dass das Motiv für Vergewaltigung und andere sexuelle Gewalt letztendlich der Wunsch nach sexueller Befriedigung ist. In diesem Fall müssten unüberwachte Besuche der Partner die Häufigkeit von Sexualdelikten reduzieren.

D’Alessio und seine Kollegen stellten die beiden Theorien auf den Prüfstein. Analysiert wurden die Daten von 50 US-Staaten zwischen 2004 und 2006 aus einer Reihe von Quellen: dem Directory of Adult and Juvenile Correctional Departments; Sexual Violence Reported by Correctional Authorities und einem Artikel aus dem Case Western Reserve Journal of International Law. Geklärt werden sollte der Zusammenhang zwischen unüberwachten Besuchen der Partner von Gefängnisinsassen und der Menge an Sexualdelikten hinter Gefängnismauern. Verglichen wurde die Zahl der aktenkundigen sexuellen Übergriffe zwischen Insassen (darunter nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr und Missbrauchsfälle) und zwar jeweils in Staaten, in denen Besuchszeit im unüberwachten Raum möglich ist, und in Staaten, wo dies nicht der Fall ist.

Unter Berücksichtigung der Zahl der Gefängnisinsassen* stellten die Wissenschaftler fest, dass die Rate sexueller Gewalt in Staaten, die sexuelle Kontakte zum Partner ermöglichen, signifikant niedriger ist: 57 Vorfälle pro 100.000 Gefangene im Vergleich zu 226 Vorfällen in Staaten, wo dies nicht der Fall ist. Dieses Ergebnis zieht die feministische Perspektive in Zweifel und unterstützt die Befriedigungstheorie.

Die Autoren: „Der beobachtete Rückgang der Sexualdelikte durch unüberwachte Partnerbesuche sollte weitere Staaten veranlassen, derartige Besuchsmöglichkeiten als Mittel gegen sexuelle Gewalt in Gefängnissen zuzulassen. Durch regelmäßige sexuelle Kontakte zum Partner lassen sich auch die Familienbande stärken und die Disziplin der Gefangenen wie auch die Wiedereingliederung nach der Entlassung verbessern.“

Behandlungsprogramme an Gefängnissen sollten nach Meinung der Autoren Sexualdelikte in Zukunft auch als solche einordnen und nicht als Versuch reiner Machtausübung. Der Einsatz der durchaus umstrittenen chemischen Kastration könnte eine effektive Strategie sein, um Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe zu reduzieren.

*Mit der steigenden Zahl der Gefängnisinsassen nimmt auch sexuelle Gewalt im Gefängnis zu. Je mehr Gefangene, umso größer die Wahrscheinlichkeit sexueller Übergriffe.

Quelle: D’Alessio SJ et al (2012). The effect of conjugal visitation on sexual violence in prison. American Journal of Criminal Justice; DOI 10.1007/s12103-012-9155-5

Der vollständige Artikel steht Journalisten auf Anfrage zur Verfügung.
Kontakt: Joan Robinson, Springer, Tel. +49 6221 487-8130, joan.robinson@springer.com

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