Neue Studie: Reaktionen auf sexuelle Reize geschlechtsspezifisch

New York/Heidelberg, 4 Januar 2010
Auf sexuelle Reize reagieren Kopf und Genitalien bei Frauen eher getrennt, während die Reaktionen von Körper und Geist bei Männern eher aufeinander abgestimmt sind. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Assistant Professor Meredith Chivers von der Queen‘s University in Kingston, Kanada, und ihren internationalen Mitarbeitern Michael Seto, Martin Lalumière, Ellen Laan und Teresa Grimbos. Ihre Meta-Analyse der Übereinstimmung zwischen subjektivem Empfinden und physiologisch messbaren Anzeichen sexueller Erregung bei Männern und Frauen erscheint diese Woche in der Online-Ausgabe des Springer-Journals Archives of Sexual Behavior.

Sexuelle Reaktionen des Menschen sind eine dynamische Kombination aus kognitiven, emotionalen und physiologischen Prozessen. Chivers und ihre Kollegen befassten sich mit der Frage, in welchem Maß sich das persönliche Empfinden sexueller Erregung in physiologischer Aktivität der Genitalien niederschlägt und ob sich im Rahmen einer Meta-Analyse mehrerer psychophysiologischer Studien zu diesem Thema geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen lassen würden (von denen in einzelnen Studien häufig berichtet wird).

Die Autoren arbeiteten auf der Grundlage von 134 Studien, die zwischen 1969 und 2007 erschienen sind. Sie alle untersuchten das Maß an Übereinstimmung zwischen subjektivem Empfinden sexueller Erregung und physiologisch messbaren Reaktionen der Genitalien. Insgesamt basierten diese Studien auf den Daten von über 2.500 Frauen und 1.900 Männern. Die Teilnehmer machten Angaben zum Grad ihrer Erregung während und nach dem Kontakt mit einer Vielzahl sexueller Reize – die sogenannte subjektive Erregung. Mithilfe unterschiedlicher Methoden hielten die Wissenschaftler gleichzeitig die physiologischen Reaktionen fest, darunter den Grad der Erektion bei den Männern und Veränderungen der genitalen Durchblutung bei den Frauen.

Bei Männern ließ sich ein größeres Maß an Übereinstimmung zwischen subjektiv empfundener und physiologischer Erregung feststellen als bei Frauen. Ihr subjektives Empfinden entsprach sehr viel deutlicher den körperlichen Reaktionen. Bei den Frauen hingegen war kein so hohes Maß an Übereinstimmung festzustellen – subjektiv empfundene und körperlich messbare Reaktionen klafften eher auseinander, in Einzelfällen sogar ganz erheblich.

Bei der Suche nach Faktoren, die eine Erklärung für diese Diskrepanz zwischen Männern und Frauen liefern könnten, identifizierten die Wissenschaftler insbesondere zwei methodologische Unterschiede.

Im Hinblick auf das Maß an Übereinstimmung zwischen subjektiver und physiologischer Erregung spielte die Art der sexuellen Reize – also etwa ihr Inhalt oder die Art der Präsentation, beispielsweise visuell oder akustisch – bei den Männern keine Rolle, bei den weiblichen Teilnehmern allerdings schon. Waren Frauen bei Inhalt und Präsentation einer größeren Anzahl und Bandbreite von sexuellen Reizen ausgesetzt, ergab sich auch ein höheres Maß an Übereinstimmung.

Auch der Zeitpunkt der Beurteilung der subjektiven Erregung spielte eine Rolle. Wurden die Teilnehmer am Ende jedes sexuellen Reizes um eine Beurteilung gebeten, lagen die Reaktionen der Männer enger beieinander als die der Frauen. Geschah dies jedoch bereits vorher, ging das Maß an Übereinstimmung bei den Männern auf das der Frauen zurück.

Schlussfolgerung der Autoren: „Die Beurteilung der sexuellen Erregung von Männern und Frauen ist als wesentlicher Bestandteil theoretischer Studien zur menschlichen Sexualität von ganz erheblicher Bedeutung, auch beispielsweise bei der Behandlung sexueller Dysfunktionen – das Wissen um die Zusammenhänge ist Grundlage für weitere theoretische und praktische Entwicklungen in der Erforschung der menschlichen Sexualität. Für das Verständnis der sexuellen Erregung, das Wesen von
Geschlechtsunterschieden und das Entstehen sexueller Reaktionen sind unsere Erkenntnisse wegweisend.“

Quelle
1. Chivers ML et al (2010). Agreement of self-reported and genital measures of sexual arousal in men and women: a meta-analysis. Archives of Sexual Behavior. DOI 10.1007/s10508-009-9556-9

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