Medikamentenforschung belegt Behandlungserfolg mit Retuximab

Die Myalgische Enzephalomyelitis (veraltet: Chronisches Erschöpfungssyndrom) ist eine erworbene neurologische Erkrankung mit vielschichtigen, umfassenden Dysfunktionen. Die hervorstechenden Merkmale sind eine pathologische Dysregulation des Nerven- und des Immunsystems sowie der endokrinen Systeme, verbunden mit einem gestörtem zellulären Energiestoffwechsel und gestörtem Ionentransport.

Jetzt gelang einem Forscherteam aus Norwegen mit einem Medikament aus der Krebsmedizin erstmals ein Durchbruch bei der Behandlung. Die norwegische Studie lässt hoffen, dass die schwerwiegende medizinische Mangelversorgung hierzulande bald endgültig der Vergangenheit angehören wird. Das norwegische Direktorat für Gesundheit hat sich, nach der Veröffentlichung der bahnbrechenden Forschungsarbeiten der Haukeland-Universitätsklinik in Bergen, für die Art und Weise, in der ME-Patienten in Norwegen behandelt worden entschuldigt. Wird es auch für deutsche Betroffene eine solche Geste geben?

In Deutschland leiden schätzungsweise 300.000 Menschen an der Myalgischen Enzephalomyelitis (ME). Zustandsverschlechterung nach körperlicher oder geistiger Belastung, häufig zeitverzögert nach Aktivität, plötzlich aufflackernde Erkältungssymptome mit Hals und Kopfschmerzen, anhaltende, massive Schwäche, Muskel- und Gelenkschmerzen, Taubheitsgefühle, Lymphschwellungen, Schlafstörungen, massive Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses, starke Benommenheit und Magen-Darm-Beschwerden sind nur ein Auszug der typischem Symptome bei diesem Krankheitsbild.

Bei schwerem Verlauf werden die Patienten arbeitsunfähig, teilweise auch bettlägerig und pflegebedürftig. Weil bisher allgemein anerkannte Diagnosemarker fehlen, wird ME nur selten richtig diagnostiziert und oft fälschlicher Weise als psychisches Leiden betrachtet. Dabei beginnt eine ME-Erkrankung in der Regel zunächst mit einem Infekt. Erfahrene Ärzte weisen bei Ihren Patienten immer wieder Immundefekte nach.

In Deutschland finden sich bisher keine Zentren, die Erfahrung mit ME haben und sich mit der Krankheit beschäftigen. Es gibt selbst in großen Kliniken keine Sprechstunde für ME-Patienten und es fehlt an Spezialisten, die sich damit auskennen. Die internationalen Leitlinien zum Krankheitsbild sind den meisten deutschen Ärzten nicht bekannt. In deutschen Leitlinien, die das Krankheitsbild anschneiden, werden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse häufig nicht bzw. nicht richtig dargestellt.

Eine gerade abgeschlossene Patientenstudie der norwegischen Haukeland-Universitätsklinik in Bergen belegt jetzt abermals, dass es sich um eine körperliche Fehlfunktion handelt, für die es eine erfolgversprechende Therapie gibt. Die ME-Patienten wurden mit dem Antikrebsmittel Rituximab behandelt und zwölf Monate beobachtet. Rituximab, entwickelt für Chemotherapie bei Lymphdrüsenkrebs, setzt die B-Zellen des Lymphsystems außer Gefecht. Bei zwei Dritteln der ME-Patienten verbesserte sich dadurch der gesundheitliche Zustand. „Erstmals wurde eine Therapiestudie mit einem Medikament durchgeführt, das wirklich am Immunsystem ansetzt und bei einem großen Teil der Patienten wirksam war“ berichtet Frau Prof. Scheibenbogen (Berliner Charité) in einem Interview auf Spiegel Online. Die jetzigen Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass es sich bei ME um eine Autoimmunerkrankung handeln könnte.

Selbstverständlich müssen die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse durch weitere Studien belegt werden. Aber es ist ein weiterer Schritt zu der Entschlüsselung des Krankheitsbildes. Ob und wann diese Erkenntnisse Betroffenen zugute kommen, bleibt allerdings abzuwarten. Der Hersteller Roche zeigt bisher laut Spiegel Online wenig Interesse an der weiteren Erforschung des Medikaments bei ME.
Auch ohne ein Fortsetzen der Medikamentenstudie sind die gewonnen Erkenntnisse hinsichtlich der Immunologie zu ME bedeutsam und wegweisend.

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